Bocholt – nörgends bäter as up Facebook!



VON BERTHOLD BLESENKEMPER

„Nörgends bäter as in Bokelt“, hieß es früher einmal. Zugegeben: Das war immer schon ein wenig großkotzig formuliert . Aber der Spruch demonstrierte, wie stolz die Bürger auf ihre Stadt waren. Man hielt zusammen. Bocholt vor! Damit allerdings ist es vorbei. Heute gilt: „Keiner für alle, alle für sich!“

Politik und Verwaltung  gehen massiv und nachhaltig mit schlechtem Beispiel voran. Jeder scheint sein eigenes Süppchen zu kochen. Die CDU entdeckt sogar in der eigenen Fraktion ständig „Abweichler“, was neulich selbst Noch-Parteichef Helmut Eing beklagte. Die Grünen leben bereits offen in Scheidung. Freidemokraten und ehemalige Rechte haben sich nach Teiltrennung einzelner zu einem seltsamen Bündnis zusammengeschlossen, während die Linken in zwei Gruppierungen zersplittert sind. Gegenseitige Schuldzuweisungen dominieren die öffentlichen Debatten.

Im Rathaus sieht es nicht anders aus. Die einen machen Reorganisations-Vorschläge, gegen die sich andere (und später auch die Mehrheit der Stadtverordneten) aussprechen. Stadtmarketingchef Ludger Dieckhues versucht verzweifelt, die City zu stärken. Derweil wird anderswo massiv daran gearbeitet, alte Industrieflächen außerhalb des Stadtringes und den Stadtteil Stenern mit einer Serie von Ärztezentren zu optimieren. Es gibt zwar offiziell auch ein integriertes Handlungskonzept für die Innenstadt, doch selbst nach Jahren hat die Stadt noch kein Geld für dessen Realisierung abgestellt. So verkommt die Strategie zum Papiertiger und die öffentliche Diskussion reduziert sich zu einen Streit über Pflasterungen, Wippepferdchen und Sitzbänke mit Handy-Aufladesteckdose. Peinlich!

Soll dann endlich mal so richtig etwas los sein in der City – wie beispielsweise demnächst beim Bokeltsen Treff – wollen Gewerkschaftler und einige Lokalpolitiker das sonntägliche Öffnen der Geschäfte notfalls gerichtlich stoppen. Das hindert die selben Gewerkschaftler und Lokalpolitiker zwar nicht daran, sonntags einzukaufen, Restaurants aufzusuchen, Taxis zu fahren, zu tanken, Fernsehen zu schauen, Zeitung zu lesen und weitere, durch schnöde Sonntagsarbeit erzielte Annehmlichkeiten zu nutzen. Aber das ist ja schließlich etwas ganz anderes, oder? Man profiliert sich halt wo man kann.

Eine Bocholter Bürgerstiftung möchte das Schützenhaus retten, während die Verwaltung parallel Millionen verplant, um das in die Jahre gekommene Stadttheater in einen großen, multifunktionalen Veranstaltungssaal zu verwandeln und damit möglichst viel Kundschaft vom Schützenhaus abzuziehen.  Monate zuvor hatte die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung die Schützenhaus-Pläne eines engagierten Unternehmens dreimal abgeschmettert. Jetzt weiß man auch warum. Gleichwohl wird beklagt, dass Verwaltung und Stadtmarketing nicht an den neuen Plänen der Bürgerstiftung beteiligt werden. Ist das so verwunderlich?

Und Otto Normalbürger? Er wendet sich enttäuscht ab von der realen Welt und flüchtet lieber in die sozialen Netzwerke, wo er verzweifelt süße Guten-Morgen-Grüße und Wir-sind-alle-beste-Freunde-und-haben-uns-ganz-doll-lieb-Botschaften postet. Immerhin: Nörgends bäter as up Facebook – i like, i like, i like!

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