Das Wohnen der Zukunft



Von BERTHOLD BLESENKEMPER

Andreas Hüls philosophiert leidenschaftlich und gestenreich über Räume und Perspektiven. Wer wohnt wann wie und wo am liebsten? Welche Bedürfnisse haben er oder sie? Wie möchten Nachbarn zusammenleben? Und vor allem: Was darf das kosten? „Das ist Kopfarbeit – aber eine, die riesigen Spaß macht“, meint der Bauunternehmer. Erst wenn er alle offenen Fragen für sich beantwortet hat, beginnt der Bocholter zu planen. Auf diese Weise entstanden zuletzt der vom Volksmund liebevoll als „Hollandviertel“ bezeichnete Hofgarten und die Hammersen Allee im Westen der Stadt. Und genauso konzeptioniert Hüls jetzt die „Ostwall-Terrassen“. Auf 6600 Quadratmetern Grundfläche zwischen Friedrich-Wilhelm- und Augustastraße soll in drei Jahren ein kombinierter Gewerbe- und Wohnkomplex entstehen, der das Einkaufen, Arbeiten, Entspannen und Leben real und – per Smartphone-App – virtuell miteinander vernetzt. Wohnen 4.0 sozusagen!

33 Millionen Euro werden nach heutigem Stand in das Projekt mit Tiefgarage, Supermarkt, Cafe, Parkplätzen, gläsernen Aufzügen, Appartements, Gemeinschaftsräumen, Ruhezonen, Tagespflegeeinrichtung, Car- und Bike-Sharing und Service-Point fließen. Alles ist barrierefrei erreichbar. Denn: „Die Menschen werden nun mal älter. Und damit verändern sich auch ihre Bedürfnisse“, erklärt der Unternehmer. Seine Erkenntnis: „Jeder möchte individuell leben, aber keiner will einsam sein!“

Grund genug für Andreas Hüls, die Ostwall-Terrassen zu einer Art Mini-Kommune zu entwickeln. Über einer Tiefgarage entsteht der REWE-Markt neu. Das Geschäft wird dabei nicht nur mit rund 1800 Quadratmetern Verkaufsfläche deutlich größer als bisher, sondern zieht zudem weiter nach hinten auf das ehemalige Pauligk-Gelände. Auf der jetzigen Supermarktfläche entstehen überdachte Parkplätze, so dass die Kunden ihre Autos jederzeit trocken erreichen können. In den Markt wird zudem ein Café integriert.

Auf dem Dach des durchgehenden Erdgeschosses entstehen vier weitere, bis in die vierte Etage reichende Baukörper, die über breite Wege und Plätze miteinander verbunden sind. Pflanzen, Brunnen, Sitzbänke, Liegestühle und leitdurchflutete Durchgänge sollen für Wohfühlatmosphäre sorgen. „Fast schon wie im Hotel“, erklärt der Planer. Dass er es ernst meint, zeigt die Einrichtung eines später von der Hüls Baukonzepte GmbH selbst betriebenen Service-Points. Hier können die Mieter Post aufgeben, Pakete abholen, Werkzeuge ausleihen, Ebikes ordern, Schlüssel hinterlegen und vieles mehr. Wer möchte, kann sich Lebensmittel aus dem REWE-Markt in die Wohnung nach oben liefern lassen oder Dienste der Tagespflegeeinrichtung in Anspruch nehmen.

Ungewöhnlich ist auch das Lobby-Konzept. In jeder der vier Einheiten gibt es einen Gemeinschaftsraum, in dem sich die Bewohner treffen, lesen, fernsehen, Karten spielen oder einfach nur klönen können. Mit dieser Art von Nachbarschaft hat Andreas Hüls in der „Residenz am Sandbach“ gute Erfahrungen gemacht. „Das macht Wohnen generationsübergreifend interessant“ glaubt der Bauherr.

In den Ostwall-Terrassen entstehen 83 Mietwohnungen mit einer Größe von 50 bis 145 Quadratmetern, davon 20 Penthäuser. Im Oktober wird mit dem Abriss begonnen. Ende 2020 soll alles fertig sein. Bleibt die Kernfrage, wie teuer das Wohnen der Zukunft wird. „Es bleibt bezahlbar“, ist sich Andreas Hüls sicher. Mehr kann und will er erst sagen, wenn der Bau fortgeschritten ist und die Kosten abschließend kalkulierbar sind.

Bis dahin analysiert Hüls die Situation ganz alllgemein. „Viele regen sich auf, dass die neuen Wohnungen teuer sind“, schildert der Unternehmer. Aber sie vergäßen, so erklärt er, dass die ständig steigenden gesetzlichen Anforderungen die Preise in die Höhe trieben. Fußbodenheizungen und Lüftungen erforderten höhere Geschosse, was den Rohbau verteure. Dreifach-Verglasungen, alternative Heizsysteme, Aufzüge und Dämmungen verstärkten den Effekt.

Vorteil der so erhöhten Energieeffizienz sei andererseits oft eine Nebenkostensenkung, was das Wohnen insgesamt nicht teurer mache. Dadurch entstehe zudem eine Spanne, so kalkuliert Hüls, die  es den Bewohnern erlaube, individuelle Dienstleistungen wie die eines Service-Points in Anspruch zu nehmen.

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