Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung im Industriepark Bocholt zu Alternsgerechten Arbeitsbedingungen



Bocholt. Mit der Feststellung „Sie kennen Ihren Arbeitsplatz am besten!“ wurden Anfang Februar 1317 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in sieben Unternehmen um ihre Meinung zum Thema „AlterNsgerechte Arbeitsbedingungen im Industriepark Bocholt“ gebeten. Der Rücklauf von 551 Fragebögen übertraf die Erwartungen und zeigt damit, wie wichtig und dringlich dieses Thema für die Befragten ist: 42 Prozent der Arbeitnehmer nahmen sich die Zeit, die insgesamt 33 Fragen zu den Themen physische und psychische Arbeitsbelastungen, Gesundheitsförderung, Weiterbildung sowie zur Attraktivität des Industrieparks zu beantworten. Seit Mitte des letzten Jahres beschäftigen sich die Projektpartner aus sieben namhaften Unternehmen im Industriepark Bocholt, der EWIBO Bocholt, der Wirtschaftsförderung Bocholt, der Westfälischen Hochschule und dem Institut für Beschäftigung und Employability (Ludwigshafen) intensiv mit der Entwicklung eines Konzeptes, um zukunftsweisende Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und den Umgang mit leistungsgewandelten Beschäftigten in die Praxis umzusetzen. Gefördert wird dieses Projekt vom Ministerium für Arbeits, Integration und Soziales NRW und Mitteln des ESF Europäischen Sozialfonds, was die Bedeutung der nun gewonnenen Erkenntnisse unterstreicht.

Im Vorfeld der Mitarbeiterbefragung sind 11 qualitative Experteninterviews mit Geschäftsführern und Personalverantwortlichen der beteiligten Unternehmen durchgeführt worden, deren Ergebnisse durch die wissenschaftlichen Partner des Projektes nun mit denen der Mitarbeiter zusammengeführt wurden.

Von den 551 beantworteten Fragebögen wurde 1/3 von weiblichen Mitarbeiterinnen ausgefüllt. Aktuell sind ca. 40 % der befragten Arbeitnehmer bereits 45 Jahre oder älter. Schreibt man diesen Stand nun unverändert 10 Jahre weiter, werden im Jahr 2026 ca. 50 – 60 % der Beschäftigten 45 Jahre und älter sein. Der viel zitierte demografische Wandel war ein Auslöser für dieses Projekt. Ziel ist es, Bedingungen zu schaffen, die es Arbeitnehmern/-innen ermöglichen, ihre Potenziale bis zur Rente bestmöglich einzubringen.

In den Ergebnissen der Befragung zeigt sich, dass die Beschäftigten die momentan im Industriepark Bocholt vorhandenen Angebote an zentralen, ortsnahen Einrichtungen wie Gesundheits- und Fitnessangeboten, Weiterbildungsangeboten sowie an Beratungsangeboten (psycho-soziale und berufliche Angebote) als nicht ausreichend ansehen. Es zeichnet sich ein erhöhter Handlungsbedarf, denn die physischen und psychischen Belastungen nehmen zu. Ein Drittel der Befragten leidet schon jetzt unter körperlichen Beschwerden, wobei hier insbesondere Rückenprobleme oder Probleme mit der Halswirbelsäule angegeben werden (66 % derjenigen, die physische Probleme benannt haben). Viele Arbeitsplätze machen auch eine sitzende Tätigkeiten erforderlich, was nach aktuellen Studien Ursache für ein deutlich erhöhtes Risiko für Diabetes, Herzinfarkt oder Krebs ist.

Bereits ein Viertel der Antwortenden (24 %) benennen psychische bzw. psychosomatische Probleme aufgrund erhöhter Stressbelastung am Arbeitsplatz. Auslöser hierfür sind die ansteigenden Arbeitsanforderungen bedingt durch die fortschreitende Digitalisierung in allen Arbeitsbereichen und die Arbeitsverdichtung. Viele der gesundheitlichen Probleme werden dabei durch Arbeitszeiten im Schichtbetrieb forciert. Insbesondere im Dreischichtbetrieb steigen die gesundheitlichen psychischen wie physischen Probleme deutlich an; so äußern hier 83 % der im Dreischichtbetrieb Tätigen Beschwerden. Von den Arbeitnehmern werden dementsprechend Optimierungen in der Arbeitszeitgestaltung gewünscht, bzw. unterstützende Maßnahmen wie Betriebskindergärten o.ä.

Grundsätzlich besteht erfreulicherweise eine recht hohe Zufriedenheit hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitsumgebung. Die Arbeitgeber „tun“ schon viel, wie flexible Arbeitszeitgestaltung oder Mitspracherechten z.B. bei der Raumgestaltung. Jedoch erwarten die Beschäftigten einen weiteren Ausbau dieser Möglichkeiten.

Gerade im Bereich Weiterbildung wünschen die Teilnehmer der Befragung eine Erweiterung des Angebots, wobei hierbei nach Berufsgruppen und der jeweiligen Qualifizierung unterschieden werden muss. Augenscheinlich besteht in vielen Betrieben ein sogenanntes „Talking-Action-Gap“: Die Personalführung bietet zielgruppenspezifische Weiterbildungsangebote, Training-on-the-job oder –off-the-Job an und geht auf den individuellen Bedarf der Beschäftigten ein. Allerdings zeigen sich die Mitarbeiter damit aber nur mäßig zufrieden bzw. scheinen nicht richtig informiert. Zwischen 50 – 80 % sind (je nach Art des Arbeitsplatzes und des Bildungsabschlusses) eher unzufrieden mit dem aktuellen Angebot.

Im Hinblick auf die Notwendigkeit der Gesundheitsförderung zeigt sich bei der Arbeitnehmerschaft der sieben beteiligten Unternehmen hingegen ein deutliches Bewusstsein und eine hohe Bereitschaft gesundheitsfördernde Maßnahmen (auch in der Freizeit) auch umzusetzen. Insbesondere „Rückenschulen“, Angebote rund um eine gesunde Ernährung oder entsprechende Seminare und Schulungen treffen auf ein hohes Interesse. Einen erhöhten Handlungsbedarf hierzu erkennen auch die Expertinnen und Experten. Eine Verbundlösung bietet da gute Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung. Gerade den Führungskräften wird jedoch seitens der Beschäftigten ein mangelndes vorbildliches gesundheitsförderndes Verhalten attestiert.

Das Thema einer zukünftig möglicherweise drohenden Leistungswandlung oder Leistungsminderung im Beruf, bei gleichzeitig ansteigendem Rentenalter, ist den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern noch nicht bewusst und ein Großteil hat keine Ängste vor der beruflichen Zukunft. Jedoch befürchten gleichzeitig 24 – 30 % der befragten Beschäftigten, den zukünftigen Anforderungen im Beruf psychisch oder physisch nicht mehr gewachsen zu sein. Die Prävention durch das Unternehmen wird dabei von über der Hälfte der Befragten verbesserungswürdig beurteilt. Dies betrifft vor allem die produzierenden Bereiche (Maschinenarbeitsplatz etc.). Die Einschätzung der Beschäftigten, ihr Unternehmen würde „nur teilweise“ bis „gar nicht“ dem Eintreten körperlicher oder psychischer Probleme vorbeugen, wächst mit dem Alter der Beschäftigten deutlich an (z.B. bis 75 % der Beschäftigten über 55 Jahre).

Seitens der Personalverantwortlichen wird, sobald eine entsprechende Entwicklung hin zu einer Leistungsminderung bei einem Beschäftigten erkannt wird, durchweg das persönliche Gespräch mit der betroffenen Person gesucht. Im Dialog wird dann eine gemeinsame Lösung gesucht. Aktuell sind 2 % der beteiligten Arbeitnehmerinnen und -nehmern von einer Leistungswandlung betroffen. Den Experten ist allerdings bewusst, dass dieser Anteil aufgrund der demografischen Entwicklung weiter ansteigen wird. In der Befragung wurde außerdem deutlich, dass den Mitarbeitenden nur zum Teil die möglichen Lösungen bei einer Leistungswandlung bewusst sind. Von den Experten und Führungskräften sind folgende Optionen genannt worden: Einrichtung von Schonarbeitsplätzen und ergonomisch gestalteten Arbeitsplätzen, Versetzungen, Schulungen und Umschulungen, bis hin zur Freistellung von der Arbeit. Deutlich wird aber, dass ein Wechsel der Tätigkeit oder des Bereiches durchaus befürwortet wird. Ein Großteil der Befragten kann sich im Falle eines Falles eine „Bürotätigkeit“ vorstellen.

Welche Möglichkeiten zukünftig eventuell in einer Verbundlösung im Industriepark angeboten werden könnten, sei es für die Prävention, um Leistungswandlungen zu verhindern, oder sei es Perspektiven aufzuzeigen für bereits von einer solchen Wandlung Betroffenen, wird im weiteren Projektverlauf ausgearbeitet. „Die empirischen Erhebungen haben uns aussagekräftige fundierten Ergebnisse geliefert. Daraus werden wir nun gemeinsam die nächsten Schritte ableiten,“ resümiert Annette Essingholt von der EWIBO als Projektleiterin. „Denn fest steht: Das Projekt „AlterNsgerechte Arbeitsbedingungen im Industriepark Bocholt“ ist ein Thema, das für die Unternehmen und deren Mitarbeiter in der Region immer mehr an Bedeutung gewinnt.“

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