„Kubaai“-Viertel: Zwischen alten „Sägezähnen“ soll Kunst und Kultur blühen



Bocholt (PID) . 30 Interessierte ließen sich am Wochenende von Bocholts Stadtplanerin Andrea Döring über die geplanten Maßnahmen auf dem 23 Hektar großen Gelände zwischen Innenstadt und Aasee informieren, auf dem in den kommenden zehn Jahren ein neues Stadviertel mit den Schwerpunkten Kultur und Bildung entstehen soll, besser bekannt unter dem Kürzel „Kubaai“-Viertel. Das Kunstwort steht für das „Kulturquartier Bocholter Aa und Industriestraße“.
Die Fläche sei so groß wie „23 Fußballfelder – und die sind fast zu 100 Prozent versiegelt“, berichtete Stadtplanerin Döring. Der Fluss „Aa“ sei an dieser Stelle mit Spundwänden versehen oder eingedeicht. Anlass für die Planungen habe das Textilmuseum gegeben, so Döring. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Träger des Textilmuseums und des Textilwerks, wollte sich weiter entwickeln und ein zentrales Depot für alle Dinge des Museums in der Nähe haben, um die Museumsarbeit strukturieren zu können.
Lernwerk als Ort der Bildung, Kunst und Kultur

„Wir stehen hier im zukünftigen ‚Lernwerk'“, berichtete Döring, als die Gruppe auf der Industriestraße 1 in der alten Herding-Spinnerei stand. „Hier wollen wir künftig städtische Einrichtungen wie die Kulturverwaltung, Musikschule, Volkshochschule und das Archiv unterbringen. Darüber hinaus stehen die Räume für weitere Zwecke zur Verfügung, wie z.B. für das Jugendsinfonieorchester der Musikschule, für Veranstaltungen der VHS oder für freie Kulturschaffende. Das bringt Synergieeffekte.“
Bis zur Fertigstellung würden die Räume zwischenzeitlich genutzt. Döring erinnerte an Ausstellungen wie „Altes Stroh zu neuem Gold“ oder an Veranstaltungen wie „Open Spaces“.
Fördermittelantrag beim Land gestellt
Die Verwaltung hat für den Umbau des Gebäudes zu einem Lernwerk Fördermittel beim Land beantragt. Auf dem Lernwerk werde noch eine Etage „draufgesattelt“ – das erläuterte Döring direkt auf dem Dach des alten Gebäudes. Der Ausblick über das gesamte Gelände entschädigte für die Aufstiegsmühen. In dieser Etage soll es Platz für die Kunst geben, so Döring: „Künstler sollen künftig zusammenarbeiten, sich vernetzen und ich finde es klasse, wenn sich hier Künstler der unterschiedlichsten Couleur zusammenfinden, etwa Maler, Bildhauer, Fotografen.“ Der Blick ging dann über die Aa Richtung Osten zum Wolbo-Gelände. Dort soll sich ein Wohnquartier entwickeln.
Podiumbrücke als Veranstaltungsort

Verbindendes Element des gesamten Kubaai-Geländes soll eine Podiumbrücke werden, die sich über die Aa spannt. „Die Brücke ist nicht nur die Verbindung zwischen Textilwerk und Textilmuseum“, erläuterte Döring, „sie ist zugleich Veranstaltungsfläche und wird ein außergewöhnliches Objekt.“
Historische „Sägezähne“ und alter Staubturm bleiben stehen

Historische Teile erhalten, für Kultur nutzen und künftig in die neuen baulichen Konzepte als „alte Spuren“ einfließen lassen: So wollen die Planer mit den derzeit noch vorhandenen alten Gebäuden und Mauern verfahren. „Die ´Sägezähne´ und den Staubturm könnte man baulich sicherlich integrieren“, erläuterte die Stadtplanerin, warum auf der ehemaligen Ibena-Fläche, die inzwischen komplett geräumt und planiert ist, eine Mauer mit den typischen Zacken der industriellen Sheddächer ebenso stehen bleibt wie der ehemalige Staubturm.
Regio-Velo Radweg durchs Kubaai-Gebiet

Nach den Vorstellungen der Planer soll künftig eine regionale Radwegroute, der sog. „Regio Velo“, durch das Kubaai-Gebiet führen und Touristen anlocken. Derzeit, so Planerin Döring, werde eine Machbarkeitsstudie für den vier Meter breiten Rad- und zwei Meter breiten Gehweg erstellt. „Darin ist nicht nur die alte Eisenbahnbrücke über die Aa enthalten, sondern auch die Knackpunkte bei der Querung Münsterstraße und der Querung am Ring.“ Nicht nur die Eisenbahnbrücke werde Teil des Kubaai-Projektes sein. „Es wird auch noch Quartiersbrücken geben zu den einzelnen Bereichen des gesamten Gebietes“, erläuterte Döring. „Auf der anderen Seite der Aa (Anmerkung: gemeint ist der östliche Bereich) soll es Ateliers geben für Handwerker, die dort ihre hergestellten Produkte verkaufen. Wir erhoffen uns auch in dem Bereich Synergieeffekte in der Nachbarschaft.“
Alte Hallen als Garage?

Bei dem Rundgang ging es auch in die Hallen der Textilfirma Ibena, die noch nicht abgerissen wurden. „Wir haben diese stehen lassen, um Zwischennutzungen nicht ausschließen zu müssen“, betonte Döring. „Das Textilwerk könnte sie für größere Veranstaltungen nutzen, vielleicht auch sogar als Quartiersgarage, sodass wir den Charakter eines autofreien Quartiers hätten. Da wollen wir viele Möglichkeiten offen lassen.“
Material gesammelt
Alte Ziegel und Schindeln, die beim Abbruch noch heil geblieben sind, wurden gesammelt und werden derzeit gelagert. „Wir können uns vorstellen, das Material an verschiedenen Stellen wiederzuverwenden, um Identität ins Quartier zu bringen und der Vergangenheit Respekt zu zollen“, so Stadtplanerin Döring.
Zum Ende der Führung wies sie darauf hin, dass sich alles im Rahmen der Entwicklung in Bewegung befinde. Die Sheddachstruktur solle im Quartier aufgenommen werden, so Döring: „Wir wollen differenzierte Dachlandschaften, die Dachneigung etwa soll bis 30 Grad gehen.“ Hierzu werde derzeit ein Gestaltungshandbuch erarbeitet, das mit den politischen Entscheidungsträgern abgestimmt werde. Auch bei der Klinkerfarbe soll nach den Vorstellungen der Stadtplanerin differenziert werden. „Der dunkle rote Klinker soll sich ebenso wiederfinden, wie der gelbe, der zurzeit an der Fassade an der Industriestraße noch zu sehen ist.“ Döring will den Menschen, die das Quartier künftig bewohnen, viele Möglichkeiten offen lassen: „Wir wollen sie mitnehmen.“
„UmbauBar“
Zum Abschluss der Führung ging es in die so genannte „UmbauBar“ im Gebäude an der Industriestraße 1. Jule Wanders, Leiterin des Fachbereichs Kultur und Bildung, hatte sich dafür eingesetzt, einen Raum direkt im Quartier zu finden, in dem Kultur stattfinden kann. Den gibt es jetzt mit der „UmbauBar“. Die ersten „BOHJazz“-Abende etwa wurden hier bereits durchgeführt – mit steigender Resonanz.
Kubaai-Führungen an jedem ersten Samstag im Monat
Die Führung findet an jedem ersten Samstag im Monat ab 12 Uhr statt. Die nächsten Termine sind am 1. April, 6. Mai, 3. Juni, 1. Juli und 2. September. Treffpunkt ist der Eingang des alten Herding-Gebäudes an der Industriestraße 1. Interessierte können sich über die Internetseite kubaai.de anmelden. Teilnehmer sollten festes Schuhwerk mitbringen. Die Führung dauert etwa anderthalb bis zwei Stunden und ist kostenlos.
Bericht zur Spezialführung am 19. Januar 2017
Bauprojekt „Kubaai“ – Was ist das?
Das „Kubaai“-Areal bildet die Verbindungsspange zwischen der Bocholter Innenstadt und dem Freizeit- und Erholungsschwerpunkt am Aasee. Die Stadt will auf der rund 25 ha großen Industriebrache neue Wohn-, Bildungs-, Kultur- und Dienstleistungsangebote schaffen – quasi ein neues Stadtquartier bauen. Neben der Ansiedlung von klassischen Kultur- und Bildungseinrichtungen wie Musikschule, VHS und Stadtarchiv soll sich die freie Kunst- und Kulturszene entfalten können. Dafür soll eine alte Spinnereihalle zu einem „Lernwerk“ umgebaut werden. Eine Podiumbrücke soll die Aa-Ufer zwischen den Museumsteilen Weberei und Spinnerei verbinden. Der Fluss selbst wird an verschiedenen Stellen aufgewertet, etwa mit einer Auenlandschaft.
Millionenprojekt
Bezuschusst wird das Millionenprojekt vom Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Strukturförderprogramms Regionale 2016 mit über 10 Mio Euro; es die höchste Fördersumme, die jemals in die Bocholter Stadtentwicklung geflossen ist. Die Stadt Bocholt wird 12,7 Mio Euro investieren. Die Realisierungen der gesamten „Kubaai“-Ideen erstrecken sich über einen geschätzten Zeitraum von 10 bis 15 Jahren.
Internet
www.kubaai.de
www.zukunftsland-verbindet.de
www.regionale2016.de

Quelle. Stadt Bocholt

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