Jule Wanders: Kulturarbeit mit einer Spur Chaos im Kopf



Jule Wanders

Jule Wanders im Gespräch mit Berthold Blesenkemper. PAN-Foto: Kirsten Enk

Von BERTHOLD BLESENKEMPER

Ihr Schreibtisch ist tiptop aufgeräumt. Nirgends angestaubte Aktenberge. Keine mäandernden Papiere. Kaum umherstreunende Stifte. Womöglich liegt es daran, dass Jule Wanders ihr Büro im Dachgeschoss des Volkshochschulgebäudes im Südwall bald räumen muss. Die 44-Jährige zieht im neuen Jahr als frisch gebackene Leiterin Kultur und Bildung des Bocholter Stadtverwaltung eine Etage tiefer, um in der Behördenhierarchie eine Stufe höher zu steigen. „Vielleicht ist die Ordnung im Büro ja auch nur der Gegenpol zu dem kreativen Chaos im meinem Kopf“, erklärt die gelernte Musikpädagogin, schaut sich kurz um und lacht.

Eine Steilvorlage für jeden Fragensteller. Musische Veranlagung, Experimentierfreudigkeit und im Gegensatz dazu eine vergleichsweise trockene Verwaltungsaufgabe als Leiterin eines städtischen Fachbereichs – wie passt das zusammen? Jule Wanders überlegt ein paar Sekunden und antwortet: „Ich bin sozusagen zweigleisig aufgewachsen. Ich habe immer viel Musik gemacht, aber immer auch viel organisiert. Insofern glaube ich, dass das pari-pari bleibt.“

Die 44-jährige präsentiert sich locker und wortgewandt. Nur ein leicht nervöses Fingerspiel scheint auf Spuren von Unsicherheit hinzudeuten. Doch Jule Wanders winkt ab. Sie spiele die Melodien in ihrem Kopf auf einer Art virtuellen Tatstatur mit, erklärt sie und ergänzt, „klingt komisch, ist aber so!“. Für Nervosität gibt es ohnehin keinen Grund. Denn Jule Wanders ist im Umgang mit Medien ein Profi. Oft genug hat Jule Wanders selbst Pressekonferenzen organisiert, Mitteilungen verfasst, Videos gedreht und die sozialen Netzwerke genutzt, um ihre Botschaften an den den Mann beziehungsweise die Frau zu bringen. Öffentlichkeitsarbeit gehört halt zum Geschäft. Das gilt auch oder gerade für die Kulturarbeit.

Letztere hat die gebürtige Bocholterin von der Pike auf gelernt. Mit Musik wurde sie am Windmühlenplatz Anfang der 70er Jahre groß. Ihr Ur-Ur-Ur-Großvater hatte die erste Bocholter Band gegründet. Jules Mutter wiederum war Klavierlehrerin. Die Tochter lernt Querflöte, erwies sich schnell als künstlerisches Talent und studierte nach dem Abitur am St.-Georg-Gymnasium an den Universitäten in Münster und Detmold.

Ab dem dritten Semester gab Jule Wanders Unterricht an der hiesigen Musikschule. Später übernahm sie nebenberuflich die Leitung des Kirchenchores in Suderwick und damit erste Verantwortung. Lokale Prominenz erlangte die heute 44-Jährige als Íntendantin von neunzehn aufwändig inszenierten Kinder-Musicals. Vier davon komponierte sie selbst. „Ballzauber“, „Die Lichtfalle“, „Compukids“ und vor allem „Holla die Waldfee“ eroberten die Herzen der Miitwirkenden wie auch der Zuschauer im Sturm.

Jule Wanders hat das Genre Kindermusical in Bocholt 1996 mit 26 Mädchen und Jungen geboren und dann „groß gezogen“. Bis zu 90 Mädchen und Jungen sowie 35 Musiker wirkten teilweise mit. Unglaubliche 4500 Zuschauer wurden gezählt.

Später wurde Jule Wanders Leiterin der Musikschule, ehe sie zu VHS wechselte. Nun folgt 2016 der nächste Schritt zur Fachbereichsleiterin. Mit ihr wird König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte umziehen, der einst von Marlies Deing für ein Musical auf Leinwand gebannt wurde und seitdem die Bürowand von Jule Wanders ziert.

Die künftige Kulturchefin, die sich in Ihrer Freizeit mit Jazzmusik, Sport und Lesen entspannt, profitierte bei ihrer Bewerbung von ihrer großen Erfahrung und einem riesigen Netzwerk, das sie sich in den vergangenen Jahre aufgebaut hat. „85 Prozent der Künstler in Bocholt, die ihre Kunst öffentlich ausüben, kenne ich persönlich“, erklärt sie. Doch das allein reicht heutzutage nicht aus. Jule Wanders setzte sich auch fachlich gegen 125 Bewerberinnen und Bewerben aus der gesamten Bundesrepublik durch. In dem so genannten Assessment-Center waren letztlich 10 Personen. Für sie selbst kam das durchaus überraschend,. „Ich habe mal meinen Hut in den Ring geworfen. Aber tatsächlich gerechnet habe ich nicht damit.“

Viel Zeit, um sich in die neue Aufgabe einzuarbeiten, wird ihr vermutlich nicht bleiben. Die Regionale 2016 steht im Terminkalender. Geplant ist ein umfangreiches Kulturprogramm. „Das wird toll“, ist Jule Wanders überzeugt. Mehr verrät sie aber nicht. Nur so viel ist sicher. Sollte es einmal allzu stressig werden, greift die Bocholterin zur Querflöte … oder zur Schokolade. Die soll ja bekanntlich glücklich machen. „Ich bin ein Schokoladen-Junkie“, gesteht Jule Wanders. Viele kleine, ordentlich aufgereihte Kühlschrankmagneten mit Schokomotiven im Büro sind der Beweis. Und König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte lächelt dazu verräterisch von der Wand.

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Der Bericht ist auch erschienen in der aktuellen Ausgabe des Magazins PAN.

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