Kämmerer Triphaus schlägt Sondervermögen „Zukunftsfonds Bocholt“ vor



Rede des Kämmerers Ludger Triphaus bei Einbringung des Haushaltes 2018

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrten Damen und Herren der Stadtverordnetenversammlung,
meine Damen und Herren,

Quidquid agis, prudenter agas et respice finem. Was auch immer du tust, handle klug und bedenke das Ende. Dieser Spruch des antiken griechischen Dichters und Fabelverfassers Aesop beinhaltet eine Aufforderung zu zielorientiertem Handeln.

Diesem Leitsatz sind wir, meine Damen und Herren, im Fachbereich Finanzen, gefolgt, aber er ist erfreulicherweise auch in einigen anderen Fachbereichen unseres Hauses beherzigt worden. Das hat neben anderen günstigen, nicht beeinflussbaren Faktoren dazu geführt, dass die Stadt Bocholt finanziell hervorragend aufgestellt ist, wie die Gemeindeprüfungsanstalt NordrheinWestfalen (GPA) uns vor wenigen Monaten als deren Prüfungsergebnis bescheinigt hat. Mit der Kennwertzahl 4 (als zweitbeste Kennwertzahl die beste ist 5) wurde durch die GPA deutlich gemacht, auf welchem hohen finanziellen Niveau die Stadt Bocholt im Vergleich zu den Vergleichskommunen in NRW agieren kann. Nun mag ja der ein oder andere, sehr geehrte Damen und Herren der Stadtverordnetenversammlung, Skepsis gegenüber der GPA haben und das Ergebnis als für Bocholt geschönt betrachten oder uninteressiert zur Kenntnis nehmen. Hätten wir jedoch eine schlechtere Bewertung durch Kennwertzahl 2 oder 3 erhalten, wäre mir sowohl in meiner Funktion als Kämmerer als auch als Person von interessierter Seite heftiger Wind ins Gesicht geblasen worden. Aus dem von mir gewählten Konjunktiv wäre dann ein Indikativ geworden.

Der heute vorgelegte Haushaltsentwurf 2018 mit einem Defizit von 1,5 Mio. Euro knüpft insgesamt an die positive Entwicklung der letzten Jahre an. Zwar weisen die Planjahre 2018 und 2019 noch Defizite von jeweils ca. 1,5 Mio. Euro aus, aber aufgrund der Erfahrungen und unseres zielorientierten Handelns kann der Haushalt als „gefühlt“ ausgeglichen betrachtet werden, wenngleich noch Änderungen (Festsetzung Kreisumlage, 2. Modellrechnung o. a.) das Ergebnis möglicherweise negativer werden lassen. Bei der Gelegenheit gilt mein Dank dem Kreis Borken für seine offene Darlegung ihrer finanziellen Eckdaten und Grundlagen. Dieser Dank gilt auch für die Übernahme des Berufskollegs BocholtWest, wodurch der Kreis Borken mehrere Millionen Euro für den Bildungsstandort Bocholt aufwendet.

Erfreulich bzw. höchst erfreulich ist die Tatsache, dass im Finanzplanungszeitraum (bis 2021) aufgrund des Wegfalls der Zuführungen zum Fonds „Deutsche Einheit“ seit Jahren erstmals Haushaltsüberschüsse in nicht geringer Größenordnung ausgewiesen werden können.

Auf der Einnahmenseite liegen bei der Gewerbesteuer (46 Mio. Euro) und bei den Einkommensteueranteilen (31,5 Mio. Euro) Größenordnungen vor, die die Wirtschaftskraft und die Leistungsfähigkeit unserer Stadt widerspiegeln. Während bei der Gewerbesteuer über den gesamten Finanzplanungszeitraum ein konstanter Ansatz von 46 Euro per anno eingeplant ist Veränderungen können durch die Stadt im Voraus nicht verlässlich kalkuliert werden , so kann aufgrund der Steuerprognosen von Bund und Ländern bei der Einkommensteuer ein Anwachsen auf fast 40 Mio. Euro am Ende des Finanzplanungszeitraums unterstellt werden. Damit stellen beide Steuern 45 % des Einnahmevolumens des städtischen Haushalts dar.

An den positiv bemerkenswerten Finanzdaten in Bocholt lässt sich die Richtigkeit der Standortpolitik von Politik und Verwaltung erkennen, die u. a. folgende Maßnahmen getroffen haben:
die stetige Erweiterung von Wohn und Gewerbeflächen
die weitere Entwicklung der Verkehrs und Kommunikationsinfrastruktur
das ständige Bemühen, die Attraktivität der Innenstadt zu erhöhen sowie
die Investitionen in Kindergärten und Schulen in nicht geringer zweistelliger Millionenhöhe
waren wesentlicher Beitrag dafür, Bocholt Strahlkraft und Anziehungswirkung zu verleihen, so wie es aus den vorgenannten Zahlen ablesbar ist.

Wir dürfen, meine sehr geehrten Damen und Herren, allerdings nicht ruhen und verkennen, dass gesellschaftliche Strukturen rasanten Veränderungen unterliegen. Diese erfordern eine geänderte Herangehensweise von Verwaltung und Politik zur Bewältigung zukünftiger Aufgaben. Klassisches Verwaltungshandeln ist zwar unerlässlich und bildet die Grundlage eines geordneten Zusammenlebens, aber für die innovative Fortentwicklung und die Zukunftsgestaltung Bocholts durch Verwaltung und Politik sind innovative und flexible Herangehensweisen geboten. Wir können mit traditionellen Strukturen den Anforderungen, die an das Gemeinwesen Bocholt durch den gesellschaftlich schnellen Wandel gestellt werden nur mit zukunftsfähigen Strukturen gerecht werden. Das sind auch Erfahrungen aus der Flüchtlingskrise.

Vor diesem Hintergrund hat Bocholt nach der Entwicklung strategischer Ziele den logischen Schritt getan und sich mit dem Projekt „Atmendes Bocholt 2030+“ aktiv an die Zukunftsgestaltung herangemacht. Mittlerweile in der 2. Phase dieses Förderprojektes angekommen, stehen nun erste experimentelle Reallabore und eine deutlich intensivere Kommunikation zwischen Bevölkerung, Politik und Verwaltung im Vordergrund. Diese Verzahnung soll mit Hilfe von Planungszellen im weiteren Verlauf durch die Bildung von Zukunftsräten hieraus erreicht werden. Diese Zukunftsräte ersetzen aber keineswegs die demokratisch legitimierten Gremien und Organe, sondern haben vielmehr die Aufgabe, Politik und Verwaltung bei der Zukunftsgestaltung unserer Stadt aktiv zu unterstützen. Damit diese neuen Prozesse wissenschaftlich abgesichert sind, haben wir es für nötig erachtet und es ist auch gelungen, Wissenschaftler verschiedener Universitäten/Hochschulen in Deutschland an diesem Prozess zu beteiligen. Somit erfolgen unsere Handlungen und Maßnahmen wissenschaftsbasiert.

Der Fonds „Deutsche Einheit“, der dazu diente, eine sachgerechte Infrastruktur in den ostdeutschen Bundesländern nach der Wiedervereinigung aufbauen zu können, wird auslaufen und den Haushalt der Stadt Bocholt ab dem Jahr 2020 um jährlich etwa 3,3 Mio. Euro entlasten. Um zu verhindern, dass diese frei werdenden zusätzlichen Mittel im allgemeinen Haushalt untergehen, erlaube ich mir vorzuschlagen, ein städtisches Sondervermögen „Zukunftsfonds Bocholt“ zu bilden, dem jährlich ein großer Teil dieser Mittel zugeführt wird, die nach dem Berechnungsverfahren in den Fonds „Deutsche Einheit“ geflossen sind. Aus diesem Sondervermögen sollten Zukunftsprojekte finanziert oder mitfinanziert werden. Damit ist eine Realisierung von Projekten aus dem Projekt Zukunftsstadt Atmendes Bocholt 2030+ gewährleistet und Nachhaltigkeit sichergestellt.

Diese Maßnahme ist umso wichtiger, als der Haushalt auch in den kommenden Jahren durch verschiedene, insbesondere von extern herangetragene zusätzliche Kosten belastet werden wird. Fortlaufend steigende Sozialausgaben führen zu einer ständigen Ausweitung der Zuschussbedarfe in den Fachbereichen Soziales und Jugend, Familie, Schule und Sport. Indirekt wirken sich auch Kostensteigerungen des Landschaftsverbandes und in diesen Bereichen über die Kreisumlage haushaltsbelastend aus. Hier ist auch zu beachten, dass die Umlageverbände über steigende Steuereinnahmen auf kommunaler Ebene Mitnahmeeffekte in nicht unbedeutender Größenordnung erzielen und so an einer positiven Standortpolitik vor Ort partizipieren. Ich möchte aber auf die steigenden Personalausgaben besonders hinweisen. Neben zusätzlichen Stellen in den vorgenannten Bereichen und drei Stellen im Baubereich zur Beschleunigung von Verfahren mussten bei der Feuerwehr neun weitere Stellen aufgrund des neuen Rettungsbedarfsplans ausgewiesen werden. Allein seit 2013 beträgt damit der Personalzuwachs verwaltungsweit rund 45 Stellen, wobei hier alleine 21,5 Stellen auf die Feuerwehr und 18,5 Stellen auf die sozialen Bereiche 22 und 23 entfallen. Da die Ausweitung von Personal in der Regel erhebliche finanzielle Ressourcen bindet, sollte unbedingt wie in der Vergangenheit geschehen in jedem Einzelfall sehr ausführlich die organisatorische Unabdingbarkeit überprüft und Alternativen ausgelotet werden. Hierzu gehören auch eine mögliche Refinanzierbarkeit einerseits, aber auch Prozessoptimierungen oder das Generieren von Synergien andererseits. Allein diese 45 Stellen erfordern einen finanziellen Aufwand von ca. 3,6 Mio. Euro; hochgerechnet über 25 Jahre Berufstätigkeit ist das ein Betrag von 90 Mio. Euro, den die Stadt auffangen muss. In diesem Zusammenhang schreit es förmlich danach, auf die Digitalisierung von Verwaltungsarbeit Stichwort: Verwaltung 4.0 besonders hinweisen. Meines Erachtens muss der Digitalisierung in der Verwaltung unter Zukunftsaspekten eine viel stärkere Aufmerksamkeit zukommen als es bisher geschehen ist. Die Digitalisierung muss in der Bocholter Verwaltung zu einem strategischen Ziel erklärt werden. Bei dieser Zielvorgabe geht es nicht darum, die strategischen Ziele zu erweitern, sondern zu prüfen, inwieweit bestehende, seit Jahren ausgewiesene strategische Ziele insofern verändert werden können, als diese sich bereits auf der operativen Ebene befinden.

Meine Damen und Herren, in den vergangenen Jahren konnte trotz der zwischenzeitlich kritischen Haushaltsprognosen durch intensive Sparanstrengungen der Verantwortlichen in den Fachbereichen und Prioritätensetzung einerseits und eingetretene Verbesserungen andererseits verschiedene bisher nicht abbildbare Investitionen realisiert werden. Auch die Förderprogramme des Bundes und des Landes Kommunalinvestitionsförderungsgesetz und Gute Schule helfen, notwendige Schulinvestitionsmaßnahmen zu realisieren. Durch die Herausnahme des ESB aus dem Schuldendeckel konnte erreicht werden, dass notwendige Investitionen in die Entwässerungsinfrastruktur, die letztlich durch Entwässerungsgebühren refinanziert werden, durchführbar geworden sind. Einige zentrale Investitionsmaßnahmen bleiben jedoch für die Zukunft auf der Agenda und ihre Finanzierung ist noch zu klären. Zunächst sind das die notwendigen Investitionen in das Parkhaus am Nähkasten und die Tiefgarage am Europaplatz. Für beide sind in naher Zukunft die Fragen des weiteren Verbleibs und des angestrebten Ausbaustandards zu klären. Finanzielle Mittel sind derzeit im Haushaltsplan 2018 noch nicht veranschlagt, um die Richtung nicht zu präjudizieren. Im Rahmen einer weiteren separaten Beschlussvorlage, die parallel zu den Haushaltsplanberatungen vorgelegt wird, sollen die Rahmenbedingungen erläutert, beraten und politisch festgelegt werden.

Auch in Bezug auf die Rathaussanierung stehen maßgebliche Weichenstellungen noch aus. Ausweislich der erstellten Machbarkeitsstudie ist hier mit einem Volumen von rund 37,5 Mio. Euro zu rechnen. Dabei ist zu bedenken, dass ein erheblicher Teil des Investitionsvolumens ohnehin für den Austausch der technischen Ausstattung anfallen wird, unabhängig von der Frage der Gebäudeoptimierung und der damit verbundenen zukunftsfähigen Gestaltung des multifunktionalen Gebäudes.

Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass die GPA NordrheinWestfalen der Stadt Bocholt mit einem KIWIWert von 4 eine insgesamt gute Haushaltswirtschaft testiert hat. Das ist letztendlich ein Ergebnis der insgesamt guten Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung und der gemeinsamen Konsolidierungsanstrengungen der vergangenen Jahre. Hieran gilt es auch in Zukunft anzuknüpfen und den Weg konsequent weiterzugehen. Insofern ist es folgerichtig, bei den Ausgaben stringent auf ihre Erforderlichkeit und dahinterliegende Strukturen zu achten. Insbesondere gilt es, Doppelstrukturen nicht nur zu vermeiden, sondern auch Synergien zu heben. Ein starrer Schuldendeckel ist wie ich bereits mehrfach festgestellt habe bei der Umsetzung von Investitionen wenig hilfreich oder deutlicher gesagt: ein falsches Instrument.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass es durchaus Aufweichtendenzen zu beobachten gibt, die die 12,7 Mio. Euro Eigenkapitalbegrenzung für das zukunftsweisende und hochspannende Projekt Kubaai in Bocholt in Frage stellen. Natürlich stammen die Kostenschätzungen aus früheren Jahren und somit ist es nicht verwunderlich, dass Kostensteigerungen bei Baurealisierungen eintreten. Dennoch ist es unsere Aufgabe als Politik und Verwaltung, darauf zu achten, die Kostenobergrenze nicht grundsätzlich zu ignorieren. Vielleicht könnte die Orientierung am Baupreisindex eine Hilfe sein.

Wichtig und zwingend geboten ist aber unter dem Gesichtspunkt der anstehenden Großinvestitionen, Prioritäten zu bilden. Dass das Lernwerk Kubaai/Landschaftsverband WestfalenLippe höchste Priorität hat, ist unstreitig; ebenso wie die Innenstadt und Quartiersentwicklung Fildeken, da hier klare Landesförderungshinweise gegeben sind. Des Weiteren sind das Rathaus und die Parkhäuser in diesem Zusammenhang prioritätsmäßig hoch einzuordnen. Dies muss insbesondere im Lichte der eingangs gemachten Ausführungen zur Standortstärkung und damit Generierung von Multiplikatoreneffekten gesehen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hoffe, dass wir über den Haushalt 2018 respektvoll und durchaus streitig diskutieren, damit wir unterm Strich eine von vielen getragene gute Lösung für die Entwicklung unserer Stadt erarbeiten.

Mein Dank gilt auch an dieser Stelle Herrn Fachbereichsleiter Kai Elsweier und dem stellvertretenden Fachbereichsleiter Reinhard Heidemann sowie den Kolleginnen und Kollegen im Fachbereich Finanzen für die hervorragende Arbeit bei der Erstellung des Haushaltsplanes 2018. Es ist der letzte Haushaltsplan, der von mir aufgestellt wurde.
Ich möchte mich auch bei Monika Harmeling bedanken.

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