Lesung und Diskussion mit Frankreich-Expertin Tanja Kuchenbecker



Bocholt (PID). Die Journalistin und Frankreich-Expertin Tanja Kuchenbecker äußerte sich jetzt im Rahmen einer Lesung in Bocholt zur politischen Lage in Frankreich. Sie beschäftigte sich mit dem Thema „Marine Le Pen erobert Frankreich – was wird aus Europa? Lesung zum Thema „Rechtspopulismus“.
Die Diskussion fand statt im Rahmen der „Wahlverwandtschaften“, einer Reihe gemeinsam organisiert von der Familienbildungsstätte, der VHS, der Europa-Union und dem Europe Direct Informationszentrum Bocholt.
Vor der Präsidentschaftswahl ging in Frankreich und im ganzen demokratischen Europa die Angst um vor Marine Le Pen und ihrem Front National, so Kuchenbecker, die Le Pen provokant als „Tochter des Teufels“ bezeichnete. Mit populistischen Parolen eilte Marine Le Pen seit 2014 von Erfolg zu Erfolg. Seit der Präsidentschaftswahl sei allerdings viel passiert. Kuchenbecker: „Statt triumphal Präsidentin zu werden, verlor sie entscheidend im TV-Duell und anschießend die Wahl.“
Die Lesung blieb daher nicht auf Marine Le Pen und den FN beschränkt. Bei der Bundestagswahl in Deutschland erzielte dafür die AfD überraschend gute Wahlergebnisse. Kuchenbecker schlug einen Bogen nach Deutschland und den Umgang mit der AfD. Auch die hohen Erwartungen in Frankreich an das neue Duo Macron-Merkel („Die M und M’s“) und die Gründe für den Wahlsieg Macrons wurden angesprochen. Die Frankreich-Kennerin blieb dabei nicht bei einer reinen Lesung, sondern initiierte einen Dialog, an dem sich Zuhörer interessiert und rege beteiligten.
„Familiendynastie Front National“
Tanja Kuchenbecker erläuterte die Hintergründe der Partei und die enge Bande, die zwischen der Familie Le Pen und dem Front National herrschen. Neben Marine Le Pen, ihren prominenten Eltern und ihrer Nichte Marion Maréchal engagieren sich weitere Verwandte in der Partei. Selbst nach Rücktritten oder Parteiausschlüssen blieben sie z.B. in der Parteienfinanzierung aktiv.
Als Juristin „gescheitert“, so Kuchenbecker, sei Marine Len Pen in der Partei unter ihrem Vater schnell aufgestiegen. 2014 folgte der sog. „Vatermord“, eine Abkehr vom offen antisemitischen und rassistischen Vokabular und eine Modernisierung der Partei.
Dabei, so Kuchenbecker, bedient der Front National ganz unterschiedliche Klientel, von rechtsextremen über national-konservative bis zu linken Positionen reiche das Spektrum. Fast jeder könne sich in einigen Punkten im Wahlprogramm wiederfinden, so Kuchenbecker. Die gegensätzlichen Positionen würden von Wählerinnen und Wählern kaum beachtet, solange „sie ihre 2-3 Sätze“ fänden.
„Macron eine Mischung aus Mitterand und Obama“
Macron hingegen trat mit klarem Programm als pro-europäischer Erneuerer an. Innerhalb kürzester Zeit sei das bekannte Parteiensystem zerbrochen, das Land geradezu umgekippt. Nun setze er äußerst schnell unliebsame Reformen durch. Ein geschickter Einsatz von Symbolik helfe ihm dabei. Eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik, höhere Investitionen, eine digitale Revolution und eine Aufteilung von Geflüchteten nach Prozentpunkten in Europa seien seine Agenda.
Merkel ist für Macron laut Kuchenbecker dabei ein wichtiger Partner. Vor seiner Europa-Rede, zwei Tage nach der Bundestagswahl, habe er sie vorher informiert. Macron habe eine Fortsetzung der großen Koalition erwartet, die Zukunft der Deutsch-Französischen Kooperation mit einer möglichen Jamaika-Regierung sei ungewiss.
Interessant seien die Lehren aus dem Wahlkampf in Frankreich. Macron habe drei mögliche Reaktionen auf den Populismus des FN beschrieben: Ignorieren, Hinterherlaufen oder den Kampf ansagen. Macron habe Erfolg gehabt, indem er dem FN argumentativ entschieden entgegengetreten sei, jedoch die eigene, positive Agenda stets propagiert habe.
In Deutschland seien die Themen der AfD bis zuletzt im Wahlkampf bestimmend gewesen. Die Lehre für den Umgang mit der AfD sei, diese in die Parlamentsarbeit einzubinden und immer wieder nach konkreten Zahlen und Konzepten zu fragen. Slogans sollten vereinfachen und ein starkes, positives Bild zeichnen, empfahl Kuchenbecker. Es sollte die Frage behandelt werden, was es für uns bedeute, in einem offenen Europa zu leben. Welche Vor- und Nachteile finden wir in der offenen Welt und überwiegen für uns die Vorteile?

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