Melanchthonschüler boykottieren aus Angst erneut Unterricht im alten Gebäude



Naphtalin-Funde an der MelanchthonschuleFortsetzung des Skandals um die Bocholter Melanchthonschule. Zwar hat sich die Stadtverwaltung inzwischen bereit erklärt, auf dem Gelände Container aufstellen zu lassen und danach das alte Gebäude komplett schließen zu lassen (wir berichteten). Doch bis die neuen, mobilen Räume in rund vier Wochen zur Verfügung stehen, soll wohl weiter in den alten, von Naphtalin-Ausdünstungen und dem Ausgasen weiterer Schadstoffe betroffenen Klassen unterrichtet werden. Davor haben einige Schüler Angst und boykottieren heute zum Schuljahresbeginn erneut  den Unterricht. Stattdessen setzen sie sich – zumindest bis zum großen Regen – auf den Schulhof. Viele Eltern sind verunsichert. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt.

Ein Grund für diese Situation ist nach Einschätzung der Schulpflegschaftsvorsitzenden Alexandra Wildenheim die Diskrepanz zwischen den Aussagen der Stadtverwaltung und von Experten in einem Fernsehbeitrag des Westdeutschen Rundfunks. Während im Rathaus offenbar nach wie vor davon ausgegangen wird, dass keinerlei Gefahr besteht und ein Sperrung eigentlich gar nicht notwendig ist, äußern Umweltanalytiker und -mediziner große Bedenken und raten dringend zu einer umgehenden Schließung des mehr als 100 Jahre alten Gebäudes am Mühlenweg.

Eine weitere Ursache für das tief sitzende Mißtrauen einiger Eltern ist die Informationspolitik der Verwaltung. Erst im vergangenen April hatte Kämmerer Ludger Triphaus noch öffentlich betont, „das Verfahren wird von uns sehr, sehr offen gehandhabt.“ Dem widerspricht die Schulpflegschaftsvorsitzende. „Die meisten Eltern haben von dem ersten Gutachten erst erfahren, als in der Schule zufällig etwas davon durchgesickert ist“, berichtet sie. Bis heute habe noch keine einzige Elternversammlung zu dem Thema stattgefunden oder habe es ein Informationsschreiben gegeben.

Nach Informationen vom Made in Bocholt war nach Erstellung des ersten Gutachtens lediglich ein ausgewählten Kreis von Personen Einblick in das Gutachten gewährt worden. Dabei soll diese Gruppe nachdringlich zum Stillschweigen aufgefordert worden sein. „Einigen wenigen etwas mitzuteilen und denen dann einen Maulkorb zu verpassen, damit die anderen nichts erfahren, ist für mich keine adäquate Elterninformation“, kommentiert die jetzige Schulpflegschaftsvorsitzende. Auch spätere Versuche ihrerseits, aus dem Rathaus direkt Zahlen und Fakten zu bekommen, seien mehrfach gescheitert, betont sie.

Selbst die Bocholter Politik wurde ganz offenbar nur mit Verzögerung informiert. Obwohl die Probleme mit den nach Teer und Mottenkugeln stinkenden bicyklischen Kohlenwasserstoffen seit Oktober 2015 der Verwaltung bekannt sind, erfuhren die Mitglieder des Umweltausschusses erst im März 2016 ebenfalls eher zufällig davon, weil SPD-Politikerin Ruth Rümping unter dem Punkt Verschiedenes nachfragte. Sie hatte damals von den über Kopfschmerzen klagenden Kindern an der Melanchthonschule gehört und wollte mehr darüber wissen.

Kurze Zeit zuvor hatten sich die Eltern mit beinahe schon konspirativ wirkenden Methoden selbst einen Überblick verschafft. Sie hatten ein zeitweise im Schulgebäude aufgetauchtes Exemplar des Gutachtens mit der Kamera ihres Smartphones seitenweise abfotografiert und weitgehend untereinander verteilt.

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