Stadtgeschichte Bocholt: Bei „Moder Beckmann“ um 1910



Bocholt (PID). Ein paar Jahre vor Beginn des Ersten Weltkrieges wird diese Aufnahme entstanden sein, die dem Betrachter einen Einblick in die Ostmauer mit ihrem südlichen Straßenverlauf eröffnet. Auf dem Bild ist noch das alte, grobe Steinpflaster zu sehen, das 1913 durch einen neuen Straßenbelag ersetzt wurde. Die Bewohner aus der Nachbarschaft schauen dem Fotografen zu, der ein Bild für ein Postkartenmotiv anfertigt.
„Gruß aus dem Restaurant v. A. Beckmann“ wird der Titel der späteren Ansichtskarte lauten, gleichwohl die eigentliche Gaststätte auf diesem Foto gar nicht vollständig zu sehen ist.
Inhaber dieser Restauration war zunächst Bernard Tielkes (1816-1882), der an der Straßenecke zum Schonenberg seit 1867 Kleinhandel mit Getränken betreiben und zwei Jahre später dort den Betrieb der Schenkwirtschaft eröffnen durfte. Am 17. Juni 1890 übertrug seine Witwe aus gesundheitlichen Gründen das Geschäft an ihren Neffen Aloys Beckmann (1857-1926) aus Barlo. Er hatte als Brauereiknecht angefangen und wurde im Juni 1888 Kastellan des Katholischen Arbeitervereins St. Paulus in der Waisenhausstraße (heute Wesemannstraße).
Beckmann ließ 1891 das bisherige Eckhaus abbrechen und ein neues Gasthaus erbauen, das auf dem Foto ganz links, mit jeweils zwei Fenstern im Erd- und Obergeschoss zu sehen ist. Das daran anschließende, vom Gastwirt errichtete Gebäude sprang in der Fluchtlinie etwas zurück. Es handelte sich um ein spiegelsymmetrisches Doppelhaus mit großen Frontfenstern, zwei Balkonen sowie mit typischen Dachgauben im Stil der damaligen Zeit.
Witwe führte Betrieb fort
Die Gastwirtschaft hieß eigentlich „Restauration Beckmann“, wie man im Fenster ganz links soeben noch erfassen kann. Im Volksmund war die Gaststätte dagegen unter der Bezeichnung „Moder Beckmann“ bekannt. Hinter dieser Titulierung verbarg sich der Name der Wirtin Anna Söte (*1868), zweite Ehefrau von Aloys Beckmann, die er 1910 geheiratet hatte. Sie führte als Witwe den Betrieb fort und übergab das Geschäft später an Bernhard Rosing.
Als sie 1953 verstarb, hieß es in ihrem Nachruf u. a., dass sie „in allen Bevölkerungskreisen ob ihrer Sauberkeit und biederen Art wirklich aufrichtige Freunde gewonnen hat.“ Sie führte „Jahrzehnte allein zur Zufriedenheit aller Gäste das Regiment in ihrem Lokale, und sie wusste sich durch ihre zielbewusste Art auch Respekt beim ‚stärkeren Geschlecht‘ zu verschaffen.“ Ferner besaß Moder Beckmann „eine hohe Auffassung von ihrem Beruf, und Dienst am Kunden war ihr höchstes Gebot.“

Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

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