1000 und 1 Webseite – über das Digitalchaos in der Stadt



Eine Analyse von BERTHOLD BLESENKEMPER (Teil 2)

Erfolgreiches Marketing setzt auf eine möglichst starke Marke. Bocholt könnte eine solche sein. Doch dazu müssten alle Verantwortlichen einer einheitlichen und langfristig angelegten Strategie folgen. „Der Erfolg einer Markenbildung hängt von der Konsequenz und der Durchsetzungsstärke der vermittelten Leistungen und Botschaften ab“, heißt es dazu bei Brand Trust. Im westlichen Zipfel des Münsterlandes jedoch scheint jeder zu machen was er will. Ein Paradebeispiel dafür ist das digitale Chaos, das in Stadtverwaltung und im Stadtmarketing vorherrscht.

Eigentlich sollte die Internetseite www.bocholt.de zentraler Markenbotschafter der Stadt sein. Sie hat zwei Zielgruppen. Das sind zum einen die Bürger, die dort Verwaltungsdienstleistungen suchen und sich informieren möchten. Mehr noch aber sollte die Bocholt.de erster Anlaufpunkt für Auswärtige sein, die Bocholt eventuell besuchen möchten, sich hier ansiedeln wollen oder eventuell sogar in der Stadt ein Unternehmen gründen werden. Deshalb sollte die Bocholt.de so stark wie nur eben möglich gemacht werden. Die Verantwortlichen in der Stadt gehen jedoch den exakt umgekehrten Weg. Sie verteilen die Reichweiten auf viele kleine Webseiten und Social-Media-Kanäle und nutzen dabei auch noch jede Menge unterschiedliche Designs sowie Logos. Die Folge ist ein (nicht nur optisch) heilloses Durcheinander.

Beispiel Neubürger. Wer aus beruflichen oder privaten Gründen nach Bocholt ziehen möchte oder muss, erkundigt sich in der Regel zunächst im Internet und landet irgendwann auf der Seite www.bocholt.de. So weit so gut. Was er nicht weiß: hier ist er falsch! Für Neubürger nämlich hat das Stadtmarketing eine eigene Webseite unter der Adresse www.neu-in-bocholt.de eingerichtet. 

Versuchen Fremde sich über Soziale Medien wie Facebook zu erkundigen, werden sie noch schwerer fündig. Denn der Facebookkanal der www.bocholt.deheißt nicht etwa Bocholt oder Bocholt.de sondern Bocholter City und wird von der Stadtverwaltung betrieben. Wo Bocholter City draufsteht, ist allerdings keine Bocholter City drin. Die eigentliche Seite der Bocholter City heißt nämlich Bocholt(er)leben und wird vom Stadtmarketing für den Einzelhandel betrieben. Um die Verwirrung perfekt zu machen, wirbt die Bocholt(er)leben, in der die Bocholter City drin ist, mit dem Logo und Slogan von „Besser nach Bocholt“.

Doch damit nicht genug. Wer Bocholter Höhepunkte wie die Kirmes oder den Citylauf virtuell erleben möchte, der wird größtenteils auf den Seiten www.bocholter-citylauf.de oder www.bocholter-kirmes.de oder www.bocholt-on-ice.de oder auch www.bocholter-halbmarathon.de fündig. Einzelne städtische Projekte findet man außerdem unter www.smarterhandelnbocholt.wordpress.com oder www.kubaai.de, unter www.wir-fuer-bocholt.de oder www.gute-geschaefte-bocholt.de – man muss halt nur lange genug googeln. 

Selbst die Verwaltungsdienstleistungen finden nicht mehr alle auf der eigenen Internetseite Platz und werden deshalb in Teilen virtuell ausgelagert. So findet man Infos über das umstrittene KuBAaI-Projekt auf der Seite www.kubaai.de, das Solarpotenzialkataster  auf der www.solare-stadt.de/bocholt/ und das Kitaportal unter der Domain www.kitaportal.bocholt.de, wobei letztere als einzige wenigstens noch zur bocholt.de gehört. 

Dafür ist anderes wiederum ausschließlich auf der www.ewibo.de zu finden – oder auf Seiten ausgegliederten Vereine wie www.freizeitanlage-aasee.de, www.jusa-bocholt.dewww.jusina.de und www.l-i-a.de.

Selbstverständlich müssen all diese Seiten einzeln registriert, entwickelt, gefüllt, suchmaschinenoptimiert und gewartet werden, was die Sache schließlich auch noch extrem teuer macht. Deutlich einfacher und wohl auch klüger wäre es gewesen, alle Unterseiten – wenn man überhaupt so viele Seiten braucht –  mit einer so genanntem Multisite-Lösung an die bocholt.de zu koppeln. Dann hätten die Seiten citylauf.bocholt.de, kirmes.bocholt.de, kubaai.bocholt.de oder auch neu-in.bocholt.de geheißen und am möglichst noch mit einem gemeinsamen Corporate Design alle auf die eine große Marke bocholt.de eingezahlt. Aber dazu hätte man vorher einen Plan haben und gemeinsam handeln müssen…

Lesen Sie auch Teil 1 unserer Analyse: „Statt Marketing – über zwei verschiedene Welten in Bocholt“

AKTUALISIERUNG 27.04.2020 : Zu den oben genannten Seiten gesellen sich seit der Corona-Pandemie auch noch die Seiten Zusammen in Bocholt und BOH liefert

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