250 Paar Schuhe erinnern in Suderwick eindrucksvoll an die Zwangsarbeiter aus Rotterdam
Von JACQUELINE REUVERS und BERTHOLD BLESENKEMPER (Fotos)
250 Paar Schuhe standen in Reih und Glied vor der St.-Michael-Kirche in Suderwick und irritierten zunächst die Besucher des Gedenkgottesdienstes. War hier heute etwa Barfuß- oder Pantoffelpflicht? Nein! Die Schuhe erinnerten an die 250 von insgesamt 52.000 Zwangsarbeitern, die vor genau 80 Jahren aus Rotterdam im Rahmen einer Großrazzia verschleppt und in Suderwick sowie dem benachbarten Dinxperlo untergebracht worden waren. Über sie und ihre Leidensgenossen sprach im voll besetzten Gotteshaus eindrucksvoll Aaltens Bürgermeister Anton Stapelkamp (r.). „Tiefe Wunden muss man säubern, damit sie verheilen. Aber Narben bleiben und erinnern immer wieder an den Schmerz“, meinte der Niederländer zum Dilemma zwischen Verzeihen und Vergessen.
Stapelkamps Vater und Onkel waren – wenn auch zunächst nur indirekt – Teil des Kriegsverbrechens der Nazis während des Überfalls auf die Nachbarn. Zunächst zerbombte die deutsche Luftwaffe Mitte Mai 1940 Rotterdam und erzwang so die Kapitulation des Königreichs. Am 10. November 1944 schließlich trieb die Wehrmacht 52.000 überlebende Männer zusammen und zwang sie, in Deutschland zu arbeiten. „Rotterdam war danach wie leergefegt“, so der Bürgermeister.
Viele Rotterdamer flohen, um der Razzia zu entkommen. Sie tauchten unter. So auch Stapelkamps Verwandte, die in Aalten und in der Nähe von Hemden Zuflucht fanden. Nach dem Krieg war es für die Zwangsarbeiter schwer, über das Erlebte zu berichten. In den Niederlanden wurden sie nur wenig wahrgenommen. Das lag zum einen daran, dass es ihnen auf den deutschen Bauernhöfen meist besser ergangen war als vielen hungernden Landleuten in der Heimat. Zum anderen hatten sie aber auch für den Feind gearbeitet, was den falschen Anschein von Kollaboration erweckte. Erst sehr spät wurden die Opfer auch als solche anerkannt.
Anton Stapelkamp berichtete, wie er 2004 in seiner Heimatstadt Rotterdam eine Gedenktafel initiiert und enthüllt hatte. Mit dabei war auch damals schon der Liedermacher Johan Meijer aus Amersfoort. Er hat spezielle Lieder über die Razzia und das Schicksal der Zwangsarbeiter komponiert und trug heute zwei davon vor. Für weitere musikalische Untermalung des Gedenkgottesdienstes sorgte der Chor Vision.
Zum Abschluss wurde eine verkürzte Form der Dokumentation „Zwangsarbeit in Suderwick und Dinxperlo“ von Willem Geven gezeigt. In ihr wird berichtet, wie die Räumlichkeiten Stolte und ter Stegge am Heelweg zur Unterbringung von 250 Betroffenen genutzt worden waren, wie diese meist auf den Bauernhöfen der Umgebung arbeiten mussten und unter welchen Umständen sie lebten.