Stadtgeschichte: Die „Schützenhaus-Lichtspiele“ des Theatervereins



Bocholt (PID). Jüngst ist immer wieder über das Schützenhaus an der Kaiser-Wilhelm-Straße berichtet worden, besonders im Zusammenhang mit seiner Geschichte und seiner Funktion, ferner auch über den aktuellen Zustand und die weitere Verwendung des Gebäudes. In früherer Zeit diente der Bau, wie schon sein Vorgänger, vornehmlich dem St.-Georgius-Schützenverein als Vereinsstätte und dem Theaterverein als Konzert- und Schauspielhaus. Vor 100 Jahren kam kurzzeitig noch die weitere Funktion als Filmtheater hinzu.
Der Theaterverein war während des Ersten Weltkrieges in finanzielle Schwierigkeiten geraten und verbuchte Ende 1918 einen größeren Schuldenbetrag. Um aus den roten Zahlen herauszukommen, beschloss der Vorstand im letzten Kriegsjahr die Anschaffung eines kinematographischen Apparates, um mit dem Betrieb eines Lichtspieltheaters kurzerhand die Vereinskasse aufzubessern.
Da im Schützenhaus ohnehin ein Saal mit ausreichender Bestuhlung vorhanden war, richtete der Theaterverein dort auch das Kino mit einer Investitionssumme von rund 10.000 Mk. ein. Dazu gab der Vorstand des St.-Georgius-Schützenvereins Bocholt als Hausherr seine Zustimmung. So konnte Anfang 1919 das Vorführgerät aufgestellt, die Bühne entsprechend umgebaut und mit einem transportablen Vorhang versehen werden. Der St.-Georgius-Schützenverein hatte das Recht, bei freiem Eintritt seiner Mitglieder den Vorführapparat zu benutzen. Der Theaterverein dagegen zahlte dem Hauseigentümer für die Tage, an denen Kinovorstellungen stattfanden, 50 Mark pro Abend.
„Schützenhaus-Lichtspiele“
Das neue Kino an der Kaiser-Wilhelm-Straße blieb zunächst noch namenlos und wurde am 8. Februar 1919 eröffnet. Auf dem Programm des besagten Abends stand zunächst der Film „Die Waffen nieder“, eine Produktion in fünf Akten nach dem Roman von Berta von Suttner. Für den Besuch seines Kinos verlangte der Theaterverein an Eintritt 2,25 Mk., 1,50 Mk. für den Sperrsitz, 1,25 Mk. bzw. eine Mk. für die erste bzw. zweite Reihe sowie 80 Pf. für alle weiteren Sitzplätze. Am 20. März 1919 warb der Theaterverein mit einer größeren Zeitungsanzeige für den 1918 entstandenen Film „Carmen“ von Ernst Lubitsch. Dabei firmierte das Kino erstmals unter der Bezeichnung „Schützenhaus-Lichtspiele“.
Für den Theaterverein war es zudem von Vorteil, dass das Vereinsmitglied Johannes Pelster im Besitz eines Vorführ-Prüfungsscheines war und daher als Geschäftsführer des Lichtspieltheaters eingesetzt wurde. Es gehörte aber nicht zu den Kernaufgaben eines Theatervereins, Filme vorzuführen. Daher waren die „Schützenhaus-Lichtspiele“ von vornherein wohl nur eine vorübergehende Erscheinung in der Bocholter Kinolandschaft. Vermutlich wird der wirtschaftliche Niedergang in Deutschland zu Beginn der zwanziger Jahre zur baldigen Schließung der „Schützenhaus-Lichtspiele“ geführt haben und der letzte Film wahrscheinlich schon 1920 über die Leinwand gelaufen sein.
Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

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