Bewegende Verlegung von Stolpersteine für die Familie Stern & Herzfeld



Bocholt (EUBOH). Tief bewegt standen Irene Stern Frielich und ihr Bruder David Stern mit dem niederländischen Ehepaar Lansink vor den fünf Stolpersteinen, die am Donnerstag, 27. Juni 2019, im Beisein von Bürgermeister Peter Nebelo, Schülerinnen und Schülern der Bocholter Schulen sowie Bürgerinnen und Bürgern verlegt wurden. Sie erinnern an die Angehörigen der Familie Stern und Herzfeld, die bis zur Reichskristallnacht am 9. November 1938 in der Nordstraße wohnten und ein Bekleidungsgeschäft betrieben.
Die Familie Lansink hatte die drei geflohenen Familienmitglieder, den Vater von Irene Frielich, Walter Stern, seine Mutter Hilde und seine Oma Selma Sternberg, nach einer Odyssee durch das niederländische Grenzgebiet 900 Tage in der Nähe von Enschede versteckt. Der Großvater Moritz Stern und der Onkel Kurt Stern wurden bei dieser Flucht nach Frankreich verschleppt und letztendlich in Ausschwitz ermordet.
„Erinnerung ist eine Form der Begegnung“
Mit diesem Zitat des bekannten libanesisch-amerikanischen Malers und Dichters Kahlil Gibran, begann Bürgermister Peter Nebelo seine Ansprache zur Verlegung der Stolpersteine. „Wir begegnen durch die heutige Verlegung von Stolpersteinen fünf Menschen, die unter den grausamsten Umständen aus ihrer Heimat, ihrem Wohn- und Lebensmittelpunkt herausgerissen, erniedrigt, gedemütigt wurden. Zwei von ihnen wurden in Auschwitz ermordet“, so Nebelo.
Nebelo begrüßte zur Verlegung acht Nachfahren der Familie Stern und Herzfeld aus den USA sowie vier Freunde aus Israel. Sie waren am Abend zuvor von der 1. stellvertretenden Bürgermeisterin Elisabeth Kroesen bei ihrer Anreise offiziell empfangen worden. Die Familienmitglieder legten, genauso wie je ein Vertreter der Bocholter Parteien, weiße Rosen nieder. Erstmals nahmen auch niederländische Gäste offiziell an der Verlegung von Stolpersteinen in Bocholt teil.
49 Stolpersteine in Bocholt
Mit der Verlegung dieser Stolpersteine legt Bocholt historische Spuren, die das Gedenken an ehemalige Bocholter Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens wachhalten, die als Minderheiten und Verfolgte der Schreckensherrschaft des Nazi-Regimes im zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen sind. Im Februar 2007 wurde in Bocholt damit begonnen, Stolpersteine zu verlegen.
Mit den jetzt verlegten fünf Steinen erinnern in Bocholt 49 Stolpersteine an ehemalige Bocholter jüdischen Glaubens. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ – Mit diesem Zitat aus dem Talmud erinnert der Künstler Gunter Demnig mit den Stolpersteinen im Bürgersteig an die Opfer der NS-Zeit an ihrem letzten selbstgewählten Wohnort.
Schülerberichte zur Gedenkstättenfahrt nach Ausschwitz
Das St. Georg-Gymnasium Bocholt führte in den Osterferien eine Gedenkstättenfahrt nach Ausschwitz und Birkenau durch. Elisa Berger, Charlotte Boland und Luca Bölte sowie die Projektlehrerin Monika Wobben berichteten nach der Verlegung der Stolpersteine von ihren Eindrücken zur Fahrt. Unfassbar war für die jungen Menschen, wie so viele Menschen in einem vermeintlich kleinen Lager wie Birkenau ermordet werden konnten. „Die Menschen hatten keinen Bus für den Rückweg ins gemütliche Hotel und keine Familie, die nach der Rückfahrt auf sie wartet“, beschrieb Berger ihre Gefühle nach dem Besuch von Auschwitz. Luca Bölting sagte: „Für mich war die Fahrt absolut notwendig, da ich nun mehr über die Geschichte und die Bocholter Juden erfahren habe.“
Veranstaltung zur Familiengeschichte
Am gleichen Tag berichtete Irene Stern im Medienzentrum über das Leben und die Flucht ihres Vaters zum Thema „Walter Stern und seine Familie überleben während der Kriegsjahre 1938-45“. Erst im Jahr 2017 entdeckte sie ein Audio-Video, auf dem ihr Vater die Ereignisse in Bocholt und zur Flucht beschrieb. Seitdem beschäftigt sie sich mit der Geschichte ihrer Familie. Mit Originaltonausschnitten sowie zahlreiche Fotos und Bilder ergänzte sie ihren Vortrag. Auch Bilder von der ersten Reise nach Bocholt im Juni 2018 flossen in den Bericht ein. Es entstand ein authentisches Zeugnis, wie Nachfahren es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Erinnerungen an die Nachwelt weiterzugeben, damit so etwas nie mehr geschehen kann.

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