Nur noch der Waffenhandel floriert…



Eine Reportage von BERTHOLD BLESENKEMPER

Es ist Frühling. Die Sonne lacht vom Himmel. Eigentlich schönstes Shopping-Wetter. Aber nur eigentlich. Die Corona-Epidemie hat auch die Bocholter Innenstadt fest im Würgegriff. Die Einkaufsmeilen sind wie leergefegt. Nur hier und da trifft man Menschen. Meist sind es Ältere. Ich wundere mich: Sollten nicht gerade die jetzt zu Hause sein? Ein Händler grüßt. Er macht gute Miene zum bösen Spiel. „80 Prozent Umsatzverlust“, ruft er mir zu. Andere Kollegen sind zufrieden. Ihr Geschäft läuft prima. Sie handeln mit Waffen.

Ich muss zum Arzt und zur Apotheke. Für meine Eltern. Denen habe ich strikt verboten das Haus zu verlassen. Das Risiko ist einfach zu groß. In der Praxis muss ich mir erst die Hände desinfizieren. Drinnen gähnende Leere. Ich bekomme die erforderlichen Unterlagen und gehe – nach erneuter Desinfektion – in die benachbarte Apotheke. Der Chef fordert mich auf, Abstand zum Vordermann zu halten. Hier bin ich richtig. „Ich bin echt wütend“, verrät mir der Mann. Er kann nicht verstehen, dass die Behörden nicht konsequenter handeln und auch hierzulande strikte Ausgehverbote verhängen und alle Läden schließen.

Tatsächlich haben die meisten Geschäfte in der Bocholter City (noch) geöffnet. Entsprechend voll sind der Parkplatz und der Fahrradständer am Liebfrauenplatz. Es ist Markttag. Die Menschen stehen in Gruppen an der Verkaufstheken ­– nicht so dicht wie sonst, aber längst nicht die zwei Meter voneinander getrennt, wie es Experten empfehlen.

Vor dem historischen Rathaus treffe ich drei Bekannte. Sie sitzen um einen Tisch und genießen einen Kaffee. Bevor sie den bekommen haben, mussten sie sich in eine Liste eintragen. „Damit die später wissen, mit wem wir hier zusammengesessen haben“, meint einer der drei. Ganz schön makaber. Aber wenigstens funktioniert die deutsche Bürokratie noch.

In einem anderen Kaffee herrscht Totenstille. „Ein Cappuccino in zwei Stunden“, verrät mir die Bedienung den morgendlichen Umsatz. Währenddessen läuft draußen ein Ehepaar mit Eiswaffeln auf der Hand vorbei. Das finde ich mutig. Übrigens: Schutzmasken sehe ich nicht. Nur die Angestellten einen Nagelstudios in den Shopping-Arkaden tragen welche. Aber das hat ganz sicher nichts mit Corona zu tun.

Ich überquere die Aa. Trostlos dümpelt die Schwimmplattform auf dem zum x-ten Mal tiefergelegten Fluss dahin. Alle Jahre wieder, denke ich. Aber irgendwie passt das zur derzeitigen Stimmung. Dabei kommt mir das Video des jungen Bocholters in den Sinn, das ich gestern gesehen habe. Der 23-Jährige studiert in Mailand und berichtete von der totalen Quarantäne dort. „Wartet bloß nicht so lange wie die Italiener“, so seine eindringliche Warnung. Ich fürchte nur, dafür ist es zu spät…

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