GLOSSE: Bocholt-Monopoly – oder beim Spiel mit Millionen fällt jede Schamgrenze



Eine Glosse von BERTHOLD BLESENKEMPER

Schlossallee und Parkstraße haben ausgedient. Ab sofort rückt man beim familiären Gesellschaftsspiel nach dem Würfeln bis zur Werther Straße vor. Oder man errichtet Hotels an den Ostwallterassen (Vorsicht: Baustelle!), an der Herzogstraße oder im Hammersenviertel. Möglich macht es eine Bocholt-Ausgabe des beliebten Monopoly. So etwas gab es 2008 schon einmal. Damals brachten zwei Bocholterinnen das Spiel heraus. Aber es wurde nach einiger Zeit wieder eingestellt. Jetzt aber hat der Milliardenkonzern Hasbro seine Finger im Spiel. Und schon rollt der Rubel und sieht die Welt in der Stadt an der Aa ganz anders aus. Denn der US-amerikanische Spielwarenhersteller mit Sitz in Pawtucket, Rhode Island, weiß nur zu gut, wie man an das Geld anderer Leute kommt. Das Rezept: Man suche sich Partner vor Ort, ein bekanntes Spiel, lokalisiere es, stopfe es voll mit Werbung und bringe es dann für 46,90 Euro kurz vor Weihnachten zum doppelten Preis des normalen Spiels auf den Markt.

Und siehe da: Schon sind sich Stadtmarketingchef Ludger Dieckhues und die Bürgermeister Peter Nebelo sowie Thomas Kerkhoff persönlich nicht zu schade, dieses Spiel immer wieder in den höchsten Tönen zu loben und werbewirksam wahlweise vor dem neuen sowie dem historischen Rathaus oder in der Touristinfo in die Fotokameras zu halten. Wir haben die aktuelle Verwaltungsspitze gefragt, warum sie sich für ausländische Konzerne kostenlos derartig stark macht, für Bocholter Unternehmen mit Bocholt-Produkten aber offensichtlich nicht in gleichem Maße? Die Antwort: Mit einer Bocholt-Edition des Spieleklassikers Monopoly dürfe auch die Marke Bocholt ein wenig profitieren. Das sei Standortmarketing.

Aha! Und was ist dann mit dem Gigaset-Telefonen, den Rose-Rädern, den Bocholter Stollen von Gildhuis, dem Bocholter PiepEi von Hungerkamp, der Bocholter Uhr von Hermeier, dem Bocholt-Ring von Juwelier Schönicke, dem Bocholt-Bier von Stobel und, und, und? Machen die kein Standortmarketing? Zahlen die etwa nicht in die Marke Bocholt ein und müsste der Bürgermeister und war allem der Stadtmarketingchef und oberste Wirtschaftsförderer diese Produkte eigentlich nicht viel eher und viel öfter werbewirksam in die Kamera halten?

Nein, so etwas geht auf keinen Fall. Gerne dürfe man Fotos von Thomas Kerkhoff bei Besuchen in Bocholter Unternehmen in den sozialen Medien posten, falls der diese besuche, schreibt das Presseamt Aber direkte, schamlose und auch noch kostenlose Produktwerbung wie im Fall Monopoly ist offenbar einzig und allein Unternehmen aus Pawtucket, Rhode Island, USA vorbehalten. Hasbro hat schließlich laut Wikepedia im Jahr 2018 rund 4,58 Milliarden Milliarden Umsatz gemacht und verspricht auf der Rückseite des Spiels: „Mache ein Vermögen in der atemlos schnellen Welt des Immobilienhandels in Bocholt“. Und wenn dann auch noch ein klein wenig davon für das Stadtmarketing abfällt, das das Spiel ja verkauft, dann kann man ruhig schon mal ein Auge zudrücken und sämtliche Neutralitäts-Grundsätze über den Haufen werfen, oder?

Übrigens: Es gibt noch ein weiteres Bocholt Spiel. „BOBO – Best of Bocholt“ heißt es und wurde von den Bocholter Agenturen Comunicum und deutz fotografie | werbung entwickelt. Leider erfährt es nicht die gleiche regelmäßige Unterstützung der Stadtoberen. Vielleicht liegt es es am Preis von nur 19,90 Euro. Oder es kommt einfach aus der falschen Stadt. Deswegen spielen die beiden Erfinder jetzt mit dem Gedanken, ihre Firmensitze nach Pawtucket, Rhode Island, USA zu verlegen…

  1. Annette Ebert says:

    Ein Kommentar, der mir aus dem Herzen spricht. Momentan wird gebetsmühlenartig den Bürgern empfohlen lokal zu kaufen. Aber wo sind denn die besonderen Produkte, die ich als Altbocholterin gerne als Geschenke für Nichten und Neffen kaufen kann. Bislang wusste ich lediglich vom Bocholt Monopoly, das ich nicht kaufen werde. Danke für die Tipps! Ich werde danach stöbern….

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