Stadtgeschichte: Das Kaufhaus „Wekape“ in der Osterstraße



Im Sommer des Jahres 1931 – für Bocholt war es das schwierigste Jahr der Weltwirtschaftkrise – öffnete in der Osterstraße 27-29 das Kaufhaus „Wekape“ GmbH seine Pforten. Es handelte sich um ein Warenhaus des Wohlwert-Konzerns in Leipzig mit mehr als 4.000 Artikeln des täglichen Bedarfs, die zu Einheitspreisen angeboten wurden.
Das Bocholter Haus war eines von rund 240 Filialen in ganz Deutschland und konnte nach eigenen Angaben seine Produkte „durch Masseneinkauf und schärfste Rationalisierung verblüffend billig“ verkaufen. Das Foto gewährt einen Blick in die Osterstraße nach Osten und ist am Tag der Eröffnung, dem 29. August 1931, aufgenommen worden. Es zeigt das im neuzeitlichen Stil errichtete Kaufhaus „Wekape“, das zwischen den Altbauten der Gründerzeit gegenüber der Gaststätte „Zur Krone“ erbaut worden war. Menschentrauben versammeln sich vor der breiten Schaufensterfassade, betrachten neugierig die Auslagen und versuchen, Einlass in die Geschäftsräume zu finden. Die Straße ist voller Menschen, für Autos und Fahrräder gibt es kaum mehr ein Durchkommen.
Grund und Boden waren seit 1896 jüdischer Besitz. Darauf befanden sich zuvor im östlichen Teil das alte Kaufhaus Weyl und links daneben die einstige Wirtschaft „Zur Herberge“, deren jahrhundertealtes Haus schon 1929 niedergelegt worden war. Das nunmehrige Kaufhaus „Wekape“ bestand aus drei Stockwerken mit einer bebauten Fläche von rund 500 Quadratmetern mit diversen Lagerräumen im Keller und im Obergeschoss.
Als Geschäftsführer der Gesellschaft fungierten bis zum Herbst 1934 die jüdischen Kaufleute Hans und Georg Meyerhardt. Am 8. März 1933 kam es in der Osterstraße zu einer nächtlichen Schießerei. Am kommenden Tag wurden sämtliche Eingänge des „Wekape“ von SA-Leuten besetzt und eine Hakenkreuzfahne auf dem Dach gehisst. Das Warenhaus blieb zunächst geschlossen. Ein ähnlicher Vorfall wiederholte sich zwei Tage darauf. In der Nacht zum 14. Februar 1935 warfen Unbekannte einen Ziegelstein durch die Schaufensterscheibe. Antijüdische Kampagnen waren offenbar ursächlich für diese Ereignisse. Die Gebrüder Meyerhardt wurden schon zum 1. Oktober 1934 aus der Geschäftsführung verdrängt, blieben aber Inhaber des Kaufhauses.
Als neuer Filialleiter fungierte nunmehr der Kaufmann Willy Krusche. Ihn und den Leiter der Lebensmittelabteilung beschuldigte die Polizei Anfang 1937, preisgebundene Wurstwaren zu überhöhten Preisen verkauft zu haben. Infolgedessen kamen sie in Schutzhaft, und die Abteilung Lebensmittel wurde mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Drei Wochen darauf gab der Treuhänder für das Wirtschaftsgebiet Westfalen bekannt, „dass der Inhaber des ‚Wekape‘, der Nichtarier Georg Meyerhardt dieses Geschäft verkauft habe.“ Im Anschluss daran galt die Gesellschaft als aufgelöst und die Firma selbst als erloschen.
Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert