ANALYSE: Das „Berti“-Prinzip – ein selbst verschuldetes Dilemma der Stadt
Eine Analyse von BERTHOLD BLESENKEMPER
Die Stadt Bocholt will dem ehemaligen, im September geschassten EWIBO-Geschäftsführer Berthold Klein-Schmeink jetzt auch seine Nebentätigkeiten als Vorsitzender der ausgegründeten Vereine Jusina und LIA sowie als Geschäftsführer von deren Tochterfirma PSA GmbH untersagen. Das berichtet das BBV in dieser Woche. Klein-Schmeink will sich laut Tageszeitung jedoch juristisch gegen eine entsprechende Anweisung wehren. Damit eskaliert der Streit zwischen den Parteien. Die Stadt hat dabei zunächst schlechte Karten. Denn in den Vereinen wie auch in der darunter angesiedelten Firma haben ausgewiesene „Berti“-Unterstützer das Sagen. Das Dilemma: Exakt das alles war von der Politik und der Verwaltung in den vergangenen Jahren so immer gewollt und beschlossen worden.
Im Verein Leben im Alter (LIA) ist gemäß aktuellem Vereinsregisterauszug Berthold Klein-Schmeink Vorsitzender. Sein Stellvertreter dort ist deren Geschäftsführungs-Büroleiter und Prokurist Christoph Hollmann. Der ist gleichzeitig Prokurist bei der PSA GmbH, deren Geschäfte wiederum Klein-Schmeink führt (Quelle: handelsregisterbekanntmachungen.de <handelsregisterbekanntmachungen.de/>). Die Geschäftsführung im Verein Leben im Alter hat Andrea Unland. LIA-Projektcontroller wiederum ist Dirk Unland (Quelle: xing.com <xing.com/>), der gleichzeitig Leiter der allgemeinen Verwaltung sowie der Bilanz- und Finanzbuchhaltung bei der EWIBO und Prokurist bei der PSA GmbH ist.
Im Verein Jusina ist Berthold Klein-Schmeink ebenfalls Vorsitzender. Sein Stellvertreter ist hier Dirk Unland, der Leiter der allgemeine Verwaltung sowie der Bilanz- und Finanzbuchhaltung bei der EWIBO, der gleichzeitig Projektcontroller bei der LIA und Prokurist bei der PSA GmbH ist (siehe oben). Eine weitere stellvertretende Vorsitzende ist Maria Messing. Die übt dieselbe Funktion auch im Verein LIA aus. Geschäftsführer ist Sebastian Schröer.
Christoph Hollmann, Maria Messing, und Andrea Unland wiederum haben neben anderen führenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der EWIBO (darunter zwei weiteren Prokuristen) noch im März diesen Jahres eine halbseitige Zeitungsanzeige geschaltet, in der sie ihrem „lieben Berti“ den Rücken stärken und das Vertrauen aussprechen. Und nur sie sowie die weiteren (Vorstands-)Mitglieder der von der Stadt rechtlich gewollt entkoppelten Vereine Jusina und Lia können bestimmen, wer ihr Vorsitzender ist. Und auch nur sie können als Eigentümer den Geschäftsführer der Tochtergesellschaft PSA GmbH abberufen.
Die Sache ist heikel: Denn in der Personal- und Serviceagentur schlummert zuletzt noch jede Menge Geld. Laut northdata.de <northdata.de/> wies das Unternehmen dank satter Gewinne in den Jahren zuvor zum 31.12.2019 einen Kassenbestand von fast 1,5 Millionen Euro aus. Zudem scheinen dem städtischerseits offiziell noch unkontrollierbaren Geflecht aus Vereinen und Firmen mehrere Immobilien sowie weitere Sachwerte zu gehören.
Die Stadt will jetzt offenbar den Umweg über das Arbeitsrecht gehen, um die Kontrolle zurückzuerlangen. Da die meisten der Beteiligten (einschließlich Klein-Schmeink) nach wie vor Beschäftigte der EWIBO sind, kann die Stadt als Gesellschafter und damit Arbeitgeber Nebentätigkeiten untersagen, wenn die exponierte Tätigkeit in einem Verein Auswirkungen auf die Geschäfte ihrer GmbH hat (Quelle: haufe.de <haufe.de/>). Inwieweit das jedoch rückwirkend geschehen und einen Geschäftsführer betreffen kann, der seit Monaten kein Geschäftsführer und zudem freigestellt ist, müssen jetzt wohl die Gerichte klären.