30 Jahre „Deutsch-Niederländischer Stammtisch“



Bocholt (PID). Bocholt (VHS). Freiheit spielt in der hiesigen Grenzregion zu den Niederlanden damals wie heute eine große Rolle. Im Jahre 1989 gründete sich dazu ein „Deutsch-Niederländischer Stammtisch“, der seither ein besonderes Augenmerk auf das Leben und die Menschen an der Grenze legt. Der Historiker Dominik Schendzielorz hat zum 30-jährigen Jubiläum einen Text über den Deutsch-Niederländischen verfasst.
„Seit ihrer Gründung hat sich die Volkshochschule Bocholt um den zwischenstaatlichen Austausch mit anderen Ländern verdient gemacht. Dies sollte sich nicht nur in Bildungsreisen zeigen, sondern auch an einer anderen Aktivität: Dem Deutsch-Niederländischen Stammtisch“, schreibt Schendzielorz. Dieser wurde unter Leitung des damaligen Leiters der VHS, Hans Kieliszek, gegründet und seit 1989 abwechselnd in Bocholt und Dinxperlo abgehalten. In einer Retrospektive aus dem Jahr 2008 wird der Sinn folgendermaßen beschrieben:
„Ziel dieser Veranstaltung ist: interessierte Bürgerinnen und Bürger sollen Gelegenheit haben, in lockerer Atmosphäre andere Menschen aus dem Grenzbereich kennenzulernen, zu interessanten Themen über Land, Leute, Leben, Geschichte und Politik in beiden Ländern zu plaudern, zu diskutieren oder einfach zuzuhören.“
Den Alltag der anderen kennenlernen
Eine Besonderheit der Veranstaltung ist, dass keine Kenntnisse in der jeweils anderen Sprache erforderlich sind. Jeder beteiligt sich in seiner Muttersprache an den Diskussionen. Primär geht es bei diesem Stammtisch um das Kennenlernen der Mentalitäten und der Lebensgewohnheiten des jeweils anderen Volkes. Gleich bei der ersten Veranstaltung am 17. März 1989 traten einige Unterschiede zutage, etwa als von deutscher Seite darauf aufmerksam gemacht wurde, dass in Deutschland ein Stammtisch mit einem Bier beginnen würde, während die Niederländer diesen erst mal mit einer Tasse Kaffee beginnen würden. Der damalige Bürgermeister Dinxperlos, Lendert van As, drückte seine Gedanken zur Veranstaltung so aus: „Was wissen wir eigentlich über die Nachbarn jenseits der Grenze? Wir kaufen da ein, aber den Alltag kennen wir so gut wie gar nicht.“
Im Laufe der Zeit war die Spannbreite der verschiedenen Themen groß. Den Großteil nahmen alltägliche Themen ein, von denen Deutsche und Niederländer gleichermaßen betroffen waren. Das Geld war zum Beispiel über die Jahre immer wieder ein gern genommenes Thema, nicht zuletzt seitdem Deutsche und Niederländer mit der gleichen Währung bezahlen.
Als aktuelleres Thema ist hier die Einführung der Buslinie zwischen Bocholt und Aalten zu nennen, welche schon lange Gegenstand von Diskussionen in diesem Gesprächskreis war. Nicht nur Buslinien überschreiten mittlerweile die Deutsch-Niederländische Grenze, sondern auch Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen. Auch dies wurde im Rahmen dieses Stammtisches über die Jahre immer wieder besprochen.
Dass diese Zusammenarbeit nicht neu ist, sollte eine Sitzung des Stammtisches aus dem Jahr 2002 zeigen, wo auch schon über jenes Thema gesprochen wurde. Dort bezeichnete man die Zusammenarbeit zwischen der Feuerwehr in Bocholt und der Brandweer in Dinxperlo als „nachbarschaftlicher Hilfe auf dem so genannten kleinen Dienstweg“.
Neben den Themen des Alltags gab es auch ernstere Themen, wie die sich abzeichnende Deutsche Einheit 1990 oder der 50. Jahrestag des Kriegsendes 1995. Beide Themen wurden durchaus kontrovers, aber trotzdem fair, diskutiert. So drückten zu ersterem einige niederländische Teilnehmer ihre „Bauchschmerzen“ angesichts des sich abzeichnenden wiedervereinten Deutschlands aus. Doch spätestens nachdem ein Trabant in Dinxperlo gesichtet wurde, war der niederländischen Seite klar, dass den Menschen in der ehemaligen DDR geholfen werden müsse.
Zusätzlich konnten unsere Nachbarn auch gleich ihre Erfahrungen mit dem damaligen Flüchtlingsstrom aus Surinam in die Diskussion einbringen – auch wenn der Vergleich nicht zu 100 Prozent akkurat war. Auch der damals nahende 50. Jahrestag des Kriegsendes wurde kontrovers diskutiert und auch dort brachte die Niederländische Seite ihre negativen Empfindungen der deutschen Besatzung auf eine sachliche Art und Weise hervor. Und doch dürfte es für diese Veranstaltung gesprochen haben, dass auch ein solches Thema offen diskutiert werden konnte.
Hans Kieliszek drückte es damals so aus: „Ich bin froh, daß dies hier auf eine so ehrliche Art und Weise geschehen konnte. Denn auch wenn man anderer Meinung ist und auch mal gegenseitige Kritik übt, kann man einander doch akzeptieren und sogar Freunde sein.“
Nächste Treffen im Herbst / Winter 2020
Die Veranstaltungen finden in Kooperation mit der Gemeinde Aalten, der Koppelkerk und dem Europe-Direct Informationszentrum statt. Aufgrund der Corona-Krise mussten jüngst zwei Treffen abgesagt werden. Sie sollen im Herbst/Winter nachgeholt werden.
Sow ist im Grenzlandmuseum Dinxperlo im Herbst eine Ausstellung geplant mit dem Titel „Spuren der Freiheit“. Passend dazu wird es am 19. November in Bredevoort eine öffentliche Diskussion geben mit Ingo Piepers, einem ehemaligen Offizier der Marineinfanterie in der niederländischen Eliteeinheit. Hier geht es um die Frage „75 Jahre Freiheit, wie lange noch?“
Mitmachen beim „Deutsch-Niederländischen Stammtisch“? So geht es!
Es gibt die Möglichkeit, als Gast am Stammtisch teilzunehmen oder sich bei regelmäßiger Teilnahme in eine Adressliste der Volkshochschule eintragen zu lassen. So werden die Mitglieder schon drei Wochen im Vorfeld mit einer Einladung per Post über die Termine informiert. Interessierte können sich in der VHS-Geschäftsstelle Bocholt, Südwall 4a, Tel. 02871 2522-0, unter dem Stichwort Deutsch-Niederländischer Stammtisch melden.

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