Wut und Fassungslosigkeit dominieren Barloer Gemeindeversammlung



Wut und Fassungslosigkeit über die Taten des verstorbenen Pfarrers Theo Wehren, aber auch die Forderung nach sorgfältiger Aufarbeitung und nach Antworten auf viele offene Fragen bestimmten am 2. Juli die Gemeindeversammlung der Bocholter Pfarrei Liebfrauen in der Gaststätte Wissing-Flinzenberg. Das Interesse war groß. Mehr als 200 Barloer wollten wissen, wie es dazu kommen konnte, dass der verstorbene Pfarrer nachweislich Kinder sexuell missbraucht hat, heißt es in einer Pressemitteilung des Bistums Münster.

Weiter wird darin wie folgt berichtet: Pfarrer Rafael van Straelen fasste die Gefühle vieler Gemeindemitglieder gleich zu Beginn in Worte: „Wir sind irritiert, tief getroffen. Seit der Veröffentlichung am zurückliegenden Wochenende hat sich einiges verändert.“ Das zeigten auch die anschließenden Fragen. Der Interventionsbeauftragte des Bistums, Peter Frings, sowie Moderator Michael Sandkamp aus dem Bischöflichen Generalvikariat in Münster waren dazu nach Barlo gekommen, um so weit wie zum jetzigen Zeitpunkt möglich, zu informieren.

In einem anonymen Schreiben, das am Grab des 2011 verstorbenen Priesters des Bistums Münster angebracht wurde, waren in der vergangenen Woche Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs erhoben worden. Bereits Anfang 2013 hatte sich ein Betroffener beim Bistum gemeldet. Ein weiterer wandte sich im März 2019 an eine Ansprechperson. Beide gaben an, mindestens einmal von dem Priester missbraucht worden zu sein. Die Vorwürfe beziehen sich in einem Fall auf die Zeit, als der beschuldigte Priester in Selm/Recklinghausen tätig war. In dem anderen Fall wurde bislang kein Ort benannt. „Warum hat man darauf nicht reagiert?“, wollte ein Gemeindemitglied wissen.

Frings, der erst seit April im Amt ist, musste die Anwesenden bei vielen Antworten um Geduld bitten und verwies immer wieder auf die externe Expertenkommission, die noch vor den Sommerferien ihre Arbeit aufnehmen soll. Das Bistum werde auch die im Fall Pfarrer Wehren erhobenen Vorwürfe und die sich daraus ergebenden Fragen klären und aufarbeiten lassen: „Dazu wird die Kommission Zugriff auf alle Akten haben.“

In der Personalakte von Pfarrer Wehren findet sich die Abschrift eines rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Bocholt vom November 1976. Darin war der Pfarrer wegen wiederholter sexueller Handlungen an Minderjährigen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Dass er danach weiter als Pfarrer Kontakt zu Kindern und Jugendlichen hatte, Ferienfreizeiten organisierte, Religionsunterricht geben durfte, für die Barloer unverständlich: „Warum wurde er nicht suspendiert?“ Immer wieder tauchte in diesem Zusammenhang die Frage nach den Verantwortlichen auf. Nach Einschätzung von Michael Sandkamp bestehen keine Zweifel daran, dass damals in der Bistumsleitung fatale Personalentscheidungen getroffen worden sind.

Das Bistum hatte Pfarrer Wehren, so geht es aus den Akten hervor, eine Therapie empfohlen. Inwieweit er dieser Empfehlung folgte und mit welchem Ergebnis sei nicht bekannt. Die Unterlagen einschließlich der Personalakte waren der Staatsanwaltschaft Münster im Rahmen der MHG-Studie 2018 vorgelegt worden.

Um Haupt- und Ehrenamtliche für das Thema sexualisierte Gewalt zu sensibilisieren und möglicher Gefahr entgegenzuwirken, habe das Bistum Münster in der Vergangenheit einiges getan, versicherten Rafael van Straelen und Michael Sandkamp. Jede Pfarrei müsse ein Institutionelles Schutzkonzept (ISK) erstellen. Zudem seien Präventionsschulungen für alle, die mit Kindern und Jugendlichen haupt- oder ehrenamtlich arbeiten, verpflichtend.

Pfarrer Wehren war 1966 zum Priester geweiht worden. Bis 1969 war er Kaplan in der Pfarrei St. Joseph in Selm und bis 1975 in St. Antonius in Recklinghausen. Von 1975 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2006 war er Pfarrer in der Pfarrei St. Helena in Bocholt-Barlo. Bis zu seinem Tod lebte er in Bocholt.

Sollte es weitere Betroffene geben, bittet das Bistum Münster diese, sich bei den Ansprechpersonen für Verfahren bei Fällen sexuellen Missbrauchs zu melden: Bernadette Böcker-Kock, Telefon 0151/63404738, und Bardo Schaffner, Telefon 0151/43816695.

Foto: Der Interventionsbeauftragte des Bistums, Peter Frings (links), und Pfarrer Rafael van Straelen informierten die Gemeindemitglieder in Barlo über die Missbrauchsvorwürfe gegen Pfarrer Wehren. Foto: Bistum Münster
© Bistum Münster

  1. Schade, dass auch in diesem Bericht der Hinweis auf weitere nicht kirchliche Hilfsmöglichkeiten (Selbsthilfegruppe Rhede, WEISSER RING, Hilfeportal sexueller Missbrauch…) für Betroffene fehlt. Bis jetzt ist dieser Hinweis nur im BBV erschienen, leider ohne Kontaktangeben. Für Menschen, die Opfer von Missbrauch in der Kirche geworden sind, ist nicht nur der Pfarrer oder kirchliche Mitarbeiter Täter, sondern sehr oft auch die Kirche selber, die diese Straftaten u.a. lange Zeit geheim gehalten hat und Täter sogar an Stellen versetzt hat, wo sie weiter Straftaten begangen haben. Somit hat die Kirche Straftaten sogar erst ermöglicht bzw.begünstigt. Viele Opfer werden ein großes Problem haben sich dann genau an diese kirchlichen Kontaktstellen zu wenden.
    Selbsthilfegruppe Rhede: http://www.selbsthilfe-rhede.de
    WEISSER RING Kreis Borken: 02542-954119 / Opfertelefon Bundesweit 116006 / http://www.weisser-ring.de
    Hilfeportal Sexueller Missbrauch: 0800-22 55 530 / http://www.hilfeportal-missbrauch.de

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