Archäologen finden in Gronau Gräber und tausende Gegenstände aus Feuerstein
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Im Jahr 2020 führten Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) Ausgrabungen auf dem Acker einer ehemaligen Hofstelle namens Markenfort im nördlichen Gronau (Kreis Borken) durch. Diese Untersuchungen erfolgten im Vorfeld eines geplanten Neubaugebiets. Während der ersten Untersuchung wurden bereits bedeutende Überreste aus früheren Epochen dokumentiert, sodass das Areal vor dem Baubeginn nochmals eingehend untersucht werden musste. Jetzt sind die Arbeiten abgeschlossen, und die neuen Funde umfassen Gräber, Karrenspuren und Tausende von Feuersteingegenständen. Diese Entdeckungen machen das Projekt zu einer der bemerkenswertesten mittelsteinzeitlichen Grabungen im Münsterland.
Die Fundstelle liegt ca. 350 Meter östlich der Dinkel über der Flussniederung, einem strategisch günstigen Standort, der vor rund 9.000 Jahren besiedelt war. Die Nähe zu Wasserläufen, die hochwassergeschützte Lage sowie diverse Biotope wie Wälder und Wiesen trugen zur Anziehung von Menschen dieser Epoche bei. Archäologe Gerard Aalbersberg von der durchführenden Fachfirma hebt hervor, dass mehr als 8.000 Feuerstein-Artefakte geborgen wurden, was eindeutige Beweise für die Besiedlung während der Mittelsteinzeit liefert. Nach dem Ende der letzten Eiszeit lebten Gruppen von Menschen in der bewaldeten Umgebung und lebten von Jagd, Fischfang sowie dem Sammeln von Früchten und Nüssen. Diese Lebensweise erforderte regelmäßige Umzüge, um die Nahrungsversorgung sicherzustellen. Erkenntnisse über Feuerstein-Pfeilspitzen deuten darauf hin, dass die Jäger und Sammler nicht isoliert waren, sondern Kontakte zu Gruppen in den Niederlanden und Belgien pflegten.
Dr. Sandra Peternek und Dr. Bernhard Stapel vom LWL betonen die Bedeutung dieser Funde, während Aalbersberg die Grablege erläutert. Unter der mittelalterlichen Bodenlage wurde eine Senke entdeckt, die Funde aus der Mittelsteinzeit enthielt. Solche Befunde sind äußerst selten. Wissenschaftliche Analysen datieren die Funde auf den Zeitraum von 8000 bis 7000 v. Chr. Darüber hinaus wurden auch Spuren aus der Jungsteinzeit und der Bronzezeit entdeckt, die menschliche Aktivitäten belegen. Eine Vielzahl an Siedlungsfundstücken aus der Eisenzeit und der römischen Kaiserzeit weist auf eine lange Geschichte der Besiedlung hin, unter anderem finden sich dort Gräber.
Das älteste Grab stammt aus der späten Jungsteinzeit oder der frühen Bronzezeit (ca. 2600 bis 1600 v. Chr.) und umfasste ein charakteristisches Keramikgefäß, von dem nur Reste erhalten blieben, sowie eine große Feuersteinklinge. Insgesamt wurden 14 Brandgräber entdeckt, die Überreste von verbrannten Menschen enthalten. Zudem gibt es drei kreisförmige Grabeinhegungen, die ursprünglich Gräber umgaben. Diese Überreste stammen laut bisheriger Analysen aus der Eisenzeit (ca. 800-25 v. Chr.).
Unter den vielen Siedlungsfunden fanden die Wissenschaftler auch zahlreiche Pfostenspurenelemente, die Hinweise auf einstige Gebäude liefern, sowie Vorratsgruben und Feuerstellen. Anzeichen für die Eisenverhüttung und die textile Verarbeitung sind ebenso vorzufinden, welche bis zur römischen Kaiserzeit (1. Jahrhundert v. Chr. bis 3. Jahrhundert n. Chr.) zurückreichen. Archäologe und Grabungsleiter Stephan Deiters erklärt, dass es sich wahrscheinlich um Überreste von Wandergehöften handelt – Bauernhöfen, die aufgrund der Holzbauweise oftmals umgesiedelt wurden.
Im Lauf der Jahrhunderte war das Gebiet vorübergehend bewaldet, bevor die Menschen im Mittelalter zurückkamen. Vermutlich wurde die Fläche als Ackerland genutzt, das zum Hof Markenfort gehörte, der erstmals 1188 erwähnt wurde. Aalbersberg ist überzeugt, dass ab dem 12. oder 13. Jahrhundert eine Düngung mit Plaggenesch praktiziert wurde, was zu einer Überhöhung des Oberbodens führte. Besonders bemerkenswert ist ein 13 Meter langes Stück mit dokumentierten Karrenspuren, die auf die Nutzung eines kleinen einachsigen Karrens hinweisen.
Deiters ergänzt, dass die Karrenspuren älter sind als die derzeitigen Bodenschichten und vermutlich mit der Urbarmachung des Gebiets in Zusammenhang stehen, als Bäume gerodet und Geländeunebenheiten ausgeglichen wurden. Die Archäologen werden nun weiterhin die Ergebnisse auswerten.
Foto : LWL