Beruf Bürgervater – und was Stapelkamp (NL) sonst noch von Kerkhoff (D) unterscheidet

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Bürgermeister stehen in den Niederlanden „auf der roten Liste der aussterbenden Arten“, scherzte Anton Stapelkamp. Grund: In den vergangenen 60 Jahren wurde die Zahl der Gemeinden durch Zusammenlegung von 600 auf 342 reduziert. Schnell machte der Aaltener Bürgermeister den 15 Gästen der VHS Bocholt im Rahmen der deutsch-niederländischen Grenzgespräche (Foto) zudem klar, dass die Unterschiede zwischen ihm und seinem Amtskollegen Kerkhoff in Bocholt nicht größer sein können. „Bei uns ist der Bürgermeister eher ein Bürgervater“, so der Gastgeber.

Bürgermeister werden jenseits der Grenze nicht gewählt, sondern vom König ernannt. Tatsächlich reichen die Gemeinden zuvor dem Provinzvertreter der Krone ihr Wunschprofil ein. Der schreibt die Stelle landesweit entsprechend aus. Eine Handvoll Bewerber und Bewerberinnen präsentiert sich schließlich einem Gremium mit Vertretern der suchenden Kommune – und schließlich bekommt der Auswahlsieger den Job.

Vor Ort und im Amt steht der neue Bürgermeister dem Verwaltungsvorstand vor. Er hat in diesem Kreis aber nur eine Stimme und kein Vetorecht. Außerdem ist er – anders als in Deutschland –  nicht der Chef der Verwaltung. Diese Aufgabe übernimmt in den Niederlanden ein Gemeindesekretär, vergleichbar mit dem Stadtdirektor früherer Tage in Nordrhein-Westfalen.

Im Stadtrat darf Anton Stapelkamp sogar nicht einmal mitentscheiden. Er soll die Sitzung des höchsten politischen Gremiums nur möglichst neutral leiten. Alleinige Entscheidungsbefugnis hat der Bürgermeister allerdings in Polizeiangelegenheiten und im Bereich der öffentlichen Ordnung. „Aber auch nicht so richtig, weil die Beamten natürlich alle beim Staat angestellt sind“, erläuterte Stapelkamp. Immerhin erleichtert die auch in Sachen Daten- und Wissensaustausch enge Zusammenarbeit der Behörden die Kontrollfunktion, wenn es um Genehmigungen  für Ladeneröffnungen oder Grundstücksvergabe geht. 

Freiwillig hat der 63-Jährige in Aalten zusätzlich in enger Ansprache mit seinen Beigeordneten die Verantwortung für die Bereiche Personal, Kommunikation, Tourismus, Kultur und Koordination mit den deutschen Nachbarn übernommen. Apropos: Beigeordnete heißen in den Niederlanden „Wethouder“. Sie werden – wie in Bocholt auch – vom Rat gewählt und übernehmen die Verantwortung für eigenständig Dezernate. Anders als hierzulande wird allerdings keine hohe berufliche Qualifikationen wie Studium oder Staatsexamen von ihnen verlangt. Wichtiger sind den Niederländern Bürgernähe, Erfahrung und Führungsqualitäten. 

Zudem wird bei der Besetzung der Wethouder auf politische Ausgewogenheit geachtet. Die vier Beigeordneten in Aalten gehören drei verschiedenen Parteien an. In Bocholt versuchen die CDU und ihr Bürgermeister währenddessen, ihre favorisierten Kandidaten und damit auch in der Verwaltung eine gewisse politische Richtung durchzudrücken. 

Selbst im Rat ist die Aufgabe des Bürgermeisters von Aalten eher die eines vorsitzenden Koordinators. Antons Stapelkamp hat dabei seinen eigenen Weg gefunden. „Ich habe den Mitgliedern die Erstellung eine gemeinsamen Ratsprogrammes vorgeschlagen, und das hat funktioniert“ berichtet er. Dafür schlossen sich die Vertreter der sieben Faktionen und des Verwaltungsvorstandes an zwei Tagen für insgesamt 20 Stunden ein und erarbeiten gemeinsame Ziele. „So etwas nimmt die negative Energie und macht die Stimmung besser“, meint der Aaltener.

Überhaupt legt Stapelkamp viel Wert auf gute Laune. „Das strahlt dann auch bis in die Verwaltung aus. Wir sind eine der ganz wenigen Gemeinden, die keine Nachwuchsprobleme hat und nicht über Fachkräftemangel klagen muss“, berichtet der Bürgermeister. Ob er sich denn auch vorstellen könne, in Deutschland, womöglich sogar in Bocholt Bürgermeister zu sein. „Nein – es es ist nirgendwo so schön wie in Aalten“, antwortet Anton Stapelkamp wie aus der Pistole geschossen und hat damit auch zum Abschluss der Gesprächsrunde die Lacher wieder auf seiner Seite.

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