Biemenhorster Bürgerentscheid zur Flüchtlingsunterkunft war einer von sieben in NRW

In Deutschlands Städten und Gemeinden wird die direkte Demokratie gelebt: An jedem Sonntag stimmt die Bevölkerung statistisch gesehen in zwei bis drei Kommunen über eine lokalpolitische Frage ab. Oft geht es dabei um Wirtschaftsprojekte wie Hotels, Einkaufszentren oder Windparks, um öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Sportstätten, Bäder und um Verkehrsprojekte wie Umgehungsstraßen, Radverkehrsinfrastruktur und Fußgängerzonen. In den Jahren 2015 bis 2024 fanden allein in NRW zudem sieben Bürgerentscheide zu Flüchtlingsunterkünften statt. Drei davon hatten ein flüchtlings-freundliches Ergebnis, darunter unter anderem die Abstimmung über das Zentrum Am Takenkamp in Biemenhorst. Das geht aus dem Bürgerbegehrensbericht 2025 hervor, den der Fachverband Mehr Demokratie vorgestellt hat.

Eine überraschende Erkenntnis: Im Westen haben fast 70 Prozent aller Bürgerentscheide zu Flüchtlingsunterkünften in den Gemeinden ein flüchtlingsfreundliches Ergebnis. In den Jahren 2023/24 war es sogar in über 83 Prozent der Fälle so. „Fremdenfeindlichkeit und direkte Demokratie – die Vermählung gelingt nur selten“, so Ralf-Uwe Beck, Bundesvorstandssprecher von Mehr Demokratie. Insgesamt 27 einschlägige Bürgerentscheide gab es in den Jahren 2015 bis 2024. 16 davon endeten flüchtlingsfreundlich: Zwölfmal stimmte eine Mehrheit für einen geplanten, zweimal für einen besseren Standort. Zweimal scheiterte der Versuch, einen Standort zu verhindern, an zu geringer Beteiligung. Flüchtlingsunfreundlich, nämlich mit der rechtlich verbindlichen Ablehnung eines Standorts, endeten zehn Bürgerentscheide; darunter alle vier Bürgerentscheide in Ostdeutschland. Ein Bürgerentscheid behandelte die Frage, ob die Gemeinde mobile oder feste Unterkünfte einrichten sollte. Er wurde als neutral bewertet.

Seit 2007 erhebt Mehr Demokratie Daten zum direktdemokratischen Geschehen in den Gemeinden Deutschlands, zusammen mit seinen Partnern, dem Institut für Partizipations- und Demokratieforschung der Bergischen Universität Wuppertal (IDPF) und der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie an der Philipps-Universität Marburg, legt der Verein nun seinen achten Bürgerbegehrensbericht vor.

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    Na ja, wenn man mit „flüchtlingsfreundlich“ meint, dass heimatlosen Menschen eine Herberge bereitet werden soll, ist natürlich jeder humane Mensch dafür. Ob die Behausung dann auch freundlich ist, steht auf einem ganz anderen Blatt, Beispiel Takenkamp.

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    Der Bürgerentscheid zum Standort der Flüchtlingsunterkunft am Tatenkamp in Biemenhorst wurde maßgeblich durch eine gezielte Einflussnahme entschieden – und zwar nicht auf Basis von Überzeugung, sondern durch Angst und Verdrängungstaktik.

    Vor der Abstimmung wurde öffentlich erklärt: Wenn die Unterkunft in Biemenhorst abgelehnt wird, kommt sie woanders in Bocholt hin. Genau das hat viele Menschen außerhalb Biemenhorsts dazu gebracht, für den Standort in Biemenhorst zu stimmen – nicht, weil sie ihn für geeignet halten, sondern um zu verhindern, dass die Unterkunft bei ihnen gebaut wird. Das ist kein ehrliches Votum, sondern ein klassisches „Hauptsache nicht vor meiner Tür“.

    Die Menschen in Biemenhorst hingegen haben klar und mehrheitlich gegen den Standort gestimmt – und damit ein deutliches Zeichen gesetzt.

    Ein Bürgerentscheid sollte den tatsächlichen Willen der Betroffenen widerspiegeln. In diesem Fall wurde das Ergebnis verzerrt, weil mit Druck und Abschreckung gearbeitet wurde. Das ist kein fairer demokratischer Prozess.

    Die Ablehnung aus Biemenhorst war eindeutig – und sollte nicht durch Angstwahl von außen ausgehebelt werden.

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