Bocholt für viele Migranten längst Heimat und Zuhause



120 geladene Gäste begrüßte Bürgermeister Thomas Kerkhoff  in der Skylounge des TextilWerks zum interkulturellen Frühstück. Das hatten die Stadt Bocholt, der Integrationsrat und die Deutsch-Türkische Gesellschaft aus Anlass des 60jährigen Jubiläums des Anwerbeabkommens Deutschland-Türkei veranstaltet. Ursprünglich war die Veranstaltung schon für November des vergangenen Jahres vorgesehen, musste aber wegen der Corona-Situation abgesagt werden.

Musikalisch begleiteten Aida Ramaj und Letizia Lopez sowie Benjamin und Paula Knapp und Turabi und Damla Alici die Veranstaltung. Moderator Raimund Stroick interviewte zunächst den Generalkonsul der Türkei, Ahmet Faik Davaz gemeinsam mit Bürgermeister Thomas Kerkhoff.

Bocholt lebt Verständigung

„Die Gastarbeiter aus der Türkei aber auch aus den vielen anderen Ländern haben maßgeblich zum Wiederaufbau Deutschlands beigetragen“, berichtete der Generalkonsul. Im Laufe der Zeit hätten sich diese Menschen integriert und multikulturelles Leben in Deutschland entstehen lassen. „Dabei ist Integration keine Einbahnstraße. Beide Seiten, der Zugewanderte, der Mensch mit internationaler Familiengeschichte muss sich ebenso bemühen, wie auch das Aufnahmeland selber“, betonte Davaz.

Besonders am Herzen liege ihm die Zweisprachigkeit: „Um eine Kultur des Miteinanders zu entwickeln, sollten wir die Zweisprachigkeit, der Herkunftssprachliche Unterricht beginnend vom Kindergarten an gefördert werden“, forderte Davaz.

Bocholt ist Heimat und Zuhause

„Sie haben die deutsche Kultur bereichert“, betonte Bürgermeister Thomas Kerkhoff. Für die jetzige und künftige Entwicklung sei der Dialog wichtig. Bocholt habe da schon eine Vorreiterstellung. „Wir leben hier in Bocholt die Verständigung. Wir haben eine gute Basis durch die Partnerschafts- und Kulturvereine“, so Kerkhoff.

Memet Cinar und Idris Durgut erzählten im Gespräch mit Moderator Stroick ihre Geschichten. Cinars Vater Necati sei über den Umweg Frankreich nach Deutschland gekommen und habe in den späten 70er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts am Bau des neuen Rathauses mitgewirkt. „Für mich war es zunächst schwierig, aber jetzt ist Bocholt für mich Heimat geworden“, sagt Memet Cinar. Das trifft auch für Idris Durgut zu, der mit bald 80 Jahren immer noch als selbständiger Schneidermeister in der Osterstraße im Laden aktiv ist.

Abdlukadir Kis, Vorsitzender der Deutsch-Türkischen Gesellschaft Bocholt und stellvertretender Vorsitzender des Integrationsrates der Stadt Bocholt, zeigte sich stolz, dass „wir heute hier gemeinsam mit allen Nationen feiern können“. Juan Lopez Casanava, Vorsitzender des Integrationsrates, hob hervor, dass Integration viele Facetten habe. „Heimat ist da, wo ich zu Hause bin. Und für die Menschen mit internationaler Familiengeschichte gibt es zwei ‚Zuhause‘, einmal im Herkunftsland und einmal hier in Bocholt.“

Sprechstunde des Konsulats in Bocholt

Auf die Frage nach Wünschen hatte Abdulkadir Kis gleich zwei: Zum einen wünsche er sich, angesichts des Alters der Bocholter und Bocholterinnen mit türkischen Wurzeln eine monatliche Sprechstunde des türkischen Generalkonsulats in Bocholt.

„Aufgrund der geringer werdenden Mobilität ist es vielen nicht möglich, einen Termin im Konsulat in Münster wahrzunehmen. Da wäre es toll, wenn Vertreter des Konsulats einmal im Monat in Bocholt wären“, so Kis. Auch ein interkulturelles Zentrum für die Menschen mit internationaler Familiengeschichte wünsche er sich für Bocholt.

Aufeinander zugehen und einander zuhören

„Ich würde mich freuen, wenn wir den beschrittenen Weg gemeinsam weitergehen, aufeinander zugehen und aufeinander hören“, wünschte sich Juan Lopez Casanava, dass alle weiter im Gespräch bleiben.

Auch für die Schwestern Ana Finkenberg, Nevenka Pavlic und Mira Wilken, die schon seit über 65 Jahren in Bocholt leben, ist Bocholt zur Heimat geworden. „Wir sind unter schwierigsten Bedingungen aus Kroatien ausgewandert und haben in Bocholt eine neue Heimat gefunden. Und wir lieben das deutsche Sauerkraut“, sagte Ana Finkenberg.

Auch für Yavuz Topal, dessen Vater Seilm Topal einer der Gastarbeiter der ersten Stunde war, sei der Anfang schwierig gewesen. „Es gab die Sprachprobleme, es gab keinen Kindergarten, aber zurück in die Türkei gehen wir nicht mehr, Bocholt ist unsere Heimat, ich fühle mich als Bocholter“, so Topal.

Stellvertretend für die vielen Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen aus den vielen Ländern hatten der Integrationsrat und die Deutsch-Türkische Gesellschaft Menschen ausgewählt, die schon lange hier leben, die gesondert von Bürgermeister Kerkhoff und Konsul Davaz geehrt wurden.

Ein besonderes Wiedersehen

Ein besonderes Wiedersehen gab es für Tülay Sahin, die im Arbeitskreis „Kultursensible Pflege“ des Integrationsrates ehrenamtlich mitarbeitet, als Fatih Cevikollu, der bekannte Kabarettist, Schauspieler und Buchautor in der Skylounge auftrat. Tülay Sahin war in der Schule in Köln ein Jahr über Cevikollu und spielte mit diesem gemeinsam in der Schul-Basketball-Mannschaft.

„Wir sind sogar gemeinsam Stadtmeister geworden“, berichtete Sahin. „Ich habe mich riesig gefreut, ihn nach 15 Jahren wiederzusehen. Damals habe ich gedacht, er wird der kommende ‚Deutsch-Rapper‘. Das ist er zum Glück nicht geworden. Er ist ein toller Typ“. Das zeigte Cevikollu, der nicht nur mit seinen offenen Schuhen für Aufsehen sorgte, dann auch mit seinem Programm „Fatihmorgana“.

„Die Schuhe sehe ich als Kommunikationsangebot für das Fußvolk“, begann Cevikollu und hatte die Gäste gleich auf seiner Seite. Was so alles auf einer Rückbank eines voll beladenen Ford Taunus auf der 3.000 Kilometer langen Reise in die Türkei passieren kann sorgte für einen Lacher nach dem anderen. „Wir haben Yoga gemacht und wussten das gar nicht“, sagt Cevikollu der mit seinen beiden Brüdern im Schneidersitz auf der Rückbank sitzen musste, weil alles hoch vollgepackt war.

Im Anschluss an das Programm nutzten die Gäste die Möglichkeit zum Kennenlernen und gegenseitigen Austausch.

Quelle: Stadt Bocholt

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