Bocholter Schüler entwickeln Themenrundgänge für Aaltener „Onderduikmuseum“

Von JACQUELINE REUVERS und BERTHOLD BLESENKEMPER

Das Porträt von Adolf Hitler, ein alter Volksempfänger und ein Schreibtisch mit gefälschten Ausweispapieren – alles  markiert Miriam Pietzka mit kleinen farbigen PostIts. Die Lehrerin des Weiterbildungskollegs Westmünsterland in Bocholt verschafft sich so einen Überblick über die Ausstellungsstücke des nationalen „Onderduikmuseums“ in Aalten. Gemeinsam mit dem Niederländisch-Kurs der Jahrgangsstufe 13  will die Pädagogin im Rahmen eines grenzübergreifenden Projektes Themenrundgänge für den Besuch deutscher Schulklassen erarbeiten. Letztere sind in den beeindruckenden Ausstellungen gerne, aber nur selten gesehen. Vor allem Schülerinnen und Schüler aus der unmittelbaren Nachbarschaft im Kreis Borken würden sich leider eher rar machen, berichtet Geschäftsführerin Marijke Verschoor-Boele.

Das „Onderduikmuseum“ erzählt eindrucksvoll die Geschichte von Widerstandskämpfern und untergetauchten Flüchtlingen während des Zweiten Weltkrieges. Alles spielt sich mitten im Dorf ab, im ehemaligen Haus der Familie Kempink. Dort hatte sich während der Nazi-Besetzung der deutsche Ortskommandant eingenistet. Ausgerechnet auf dem Dachboden unmittelbare über seinem Büro versteckten sich derweil bis zu acht Menschen.

Das Museum macht sichtbar, wie gefährlich die Untergetauchten damals lebten. Der Gewölbekeller des Hauses diente der gesamten Nachbarschaft als Zuflucht bei Fliegeralarm. Nur die illegalen Bewohner mussten trotz der Gefahr oben bleiben. Den beiden Kindern der Familie war es zudem ausdrücklich untersagt, auf dem Dachboden zu steigen und dort zu spielen. Jedes leise Poltern dort hätte Verdacht erregen können.

„Wichtig ist uns, dass es nicht um die Darstellung deutscher Verbrechen geht. Für uns ist vielmehr wichtig, durch den krassen Gegensatz darzustellen, wie es damals war und was es heute bedeutet, frei zu sein und alle Freiheiten genießen zu können“, erklärt Marijke Verschoor-Boele. Auf diese Weise gelingt nahtlos der Sprung in die Gegenwart und bis hinein in die Museumspädagogik. „Wir sprechen deshalb auch nie von Befreiung, sondern immer nur von Freiheit“ so die Geschäftsführerin des Museums.

Lehrerin Miriam Pietzka hat diese Art der einfühlsamen Geschichtsdarstellung bei einem privaten Besuch in Aalten nach eigenen Angaben schwer  beeindruckt. Und so entstand die Idee zu dem Projekt. Ziel ist es, für unterschiedliche Altersgruppen jeweils eine Art deutschsprachige Rallye durch das Museum zu erarbeiten. Möglich auch, dass die Biparcours-App genutzt wird, die es ermöglicht, interaktive Schnitzeljagden und Quizanwendungen zu entwickeln.  Dank der Unterstützung des Büros EUROPE direct in Bocholt gab es dafür noch ein paar hundert Euro Fördermittel der EU. 

Heute zum Auftakt stand erst einmal eine Besichtigung des Museums auf dem Programm. Interessiert untersuchen die Schülerin und Schüler das altertümlich anmutende Telefon des Orts-Kommandanten. Oder sie probieren selbst das zu einer Art Hometrainer umfunktionierte Fahrrad aus, mit dessen Hilfe es möglich war, auch während der Zeit totaler Verdunkelung Strom für zumindest ein kleines Leselicht zu erzeugen. Das ist Geschichte zum Anfassen.

 

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