„Die Einkreisung“ – ein Bocholter Kriminalfall aus der Zeit der Gebietsreform

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Im Jahr 1975 führte eine umstrittene Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen zu einer Überarbeitung der Verwaltungsgrenzen von Städten, Gemeinden und Landkreisen. Eine der Änderungen betraf die Eingemeindung der bis dahin kreisfreien Stadt Bocholt in den Kreis Borken. Genauer damit will sich die Kriminalgeschichte „Die Einkreisung – Ein fiktionalisierter True-Crime-Podcast aus dem Münsterland“ von den Münsteraner Künstlern Sarah Giese (*1981), Christoph Tiemann (*1977) und Johannes Kraas (*1985) befassen. In der Verwaltung geschieht ein Verbrechen – und die Borkener Polizei muss dort ermitteln, wo gerade noch die Bocholter Kollegen zuständig waren.

Giese, Tiemann und Kraas wollen einen  Plot und die Figuren aus echten Geschichten entwickeln, die ihnen unter anderem in Gesprächen im Kreis Borken begegnen werden. Daraus sollen ein vierteiliger Podcast und ein Live-Hörspiel entstehen, die ab April nächsten Jahres zu hören sein werden. Alles zusammen ist Teil des Projektes „Schilderwechsel – 50 Jahre Gebietsreform im Münsterland“. Von 50 Ideen-Einreichungen, die von Künstlerinnen, Künstlern und Kollektiven dazu  eingereicht wurden, wählte eine externe Fachjury die vielversprechendsten Konzepte aus. Laura Säumenicht, die Projektleiterin von „Schilderwechsel“, hebt hervor: „Die Gebietsreform hat sich tief in die Identität des Münsterlandes eingebrannt. Die Künstlerinnen und Künstler knüpfen an Themen an, die seit 50 Jahren in den Archiven und Köpfen der Menschen schlummern.“

In einem kreativen Ansatz befasst sich zum Beispiel die Theaterpädagogin und Regisseurin Stefanie Bockermann aus Münster mit den Begriffen Heimat und Grenze. In Workshops mit Jugendlichen untersucht sie an drei noch zu benennenden Standorten im Münsterland, welche Schutzmechanismen wir aufbauen und warum. Texte und Ideen, die während dieser Erkundungen entstehen, fließen in die Erstellung von drei Minidramen ein, deren Inszenierung gemeinsam mit den Jugendlichen in weiteren Workshops entwickelt wird.

Einen anderen Zugang verfolgt die Künstlerin Nikola Dicke aus Osnabrück mit ihrem Projekt „Mapping Stories – Karten, Gebiete und Geschichten“. Sie verwendet archivierte Kreiskarten, die ihr Vater als Vermessungsingenieur im Altkreis Lüdinghausen zeichnete. Dicke befragt Zeitzeug:innen aus fünf Orten im Kreis Coesfeld zur Gebietsreform, kombiniert diese Interviews mit den Karten und produziert Mixed-Media-Trickfilme. Diese Filme werden in den beteiligten Städten präsentiert, und die daraus resultierenden Geschichten fließen ebenfalls in ihr Projekt ein, das in einer fünfteiligen Filmprojektion mündet.

Die Auswirkungen der Gebietsreform auf persönliche Lebensgeschichten beleuchten die Medienkünstler David Loscher und Regisseurin Sina Ebell. Sie konzentrieren sich auf betroffene Individuen und durchforsten Archive nach Dokumenten und Erinnerungen, die den Kontext der Reform beleuchten. Dieses Material wird für einen Essayfilm aufbereitet.

Die Performancekünstlerin Chryssa Tsampazi aus Berlin orientiert sich mit ihrem Projekt „Aktion Bürgerwille neu“ an einem Volksbegehren gegen die Gebietsreform von 1974. In Gesprächen mit Zeitzeugen in Rheine, Ibbenbüren und Münster reflektiert sie damals stattgefundene Aktionen und persönliche Erlebnisse, die sie anschließend in Form von Reenactments im öffentlichen Raum inszeniert.

Foto: Nikola Dicke in Aktion (Copyright: Münsterland e.V./Philipp Fölting)

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