Die teilweise Wiedereinführung des Sozialismus auf kommunaler Ebene



Ein Kommentar von BERTHOLD BLESENKEMPER

Das ist der Gipfel der Klüngelei in Bocholt. Da hocken sich die Aufsichtsratsmitglieder der EWIBO – von mir spöttisch auch gerne „Fanclub“ genannt – mit dem Geschäftsführer und dem Kämmerer der Stadt zusammen und beschließen 30 Jahre nach dem Ende der DDR die teilweise Wiedereinführung des Sozialismus auf kommunaler Ebene. Denn künftig soll vorrangig die eigene Tochtergesellschaft, die bislang noch nie eine einzige Sozialwohnung gebaut hat und alle dementsprechenden Versprechen gebrochen hat, Zugriff auf sämtliche städtischen Grundstücke haben, die für große Bauprojekte geeignet sind.  Etablierte gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften oder erfahrene private Investoren, die ihre Kompetenz und  Leistungsbereitschaft tagtäglich unter Beweis stellen (und tatsächlich auch real bauen), dürfen sich hinten anstellen. 

Damit nicht genug: Verdiente Genossenschaften wie die Bocholter Heimbau eG müssten sich eigentlich angesichts der Dauerohrfeigen aus dem Rathaus vor Schmerzen winden. Während sie seit Jahrzehnten zeigen, dass eine „Konzentration ausschließlich auf den geförderten Wohnungsbau“ wirtschaftlich durchaus darstellbar ist, ist der neue Stern am kommunalen Immobilienfirmament offenbar trotz aller denkbaren Finanzspritzen aus dem Rathaus exakt dazu nicht in der Lage. Deshalb soll der EWIBO zusätzlich gewährt werden, neben sozialen auch frei finanzierten Wohnungsbau zu betreiben oder zumindest zu regeln. Unfassbar.

Selbst wenn man die von der Verwaltung gern zitierte Gemeinnützigkeit der EWIBO berücksichtigt und allen Beteiligten mit der angestrebten Schaffung sozialen Wohnraums gute Absichten unterstellt, ist die Vorlage Nummer 0218/2019 eine Katastrophe für die Stadt. Sie bindet derartig viel Geld, dass beispielsweise die Innenstadtsanierung wohl verschoben werden muss.  Die Prioriätenliste des Rates ist folglich nicht mehr das Papier wert, auf die sie erst vor wenigen Monaten geschrieben wurde.

Und damit nicht genug: Mit einem Plan, die ohne Beteiligung der Fachausschüsse, ja offensichtlich nicht mal  mit Wissen des Baudezernats sozusagen im Eilverfahren im Rat durchgedrückt werden soll, wird die politische Kultur in Bocholt nicht nur nach Ansicht der FDP endgültig zerstört.  Selbst innerhalb der CDU herrscht teilweises Entsetzen.  Spannend zu sehen, wie der Stadtverbandsvorsitzende und gleichzeitig EWIBO-Mitarbeiter Lukas Kwiatkowski diesen Spagat bewältigen wird.

Für die Union könnte die EWIBO nicht nur zur Zerreißprobe, sondern gleichzeitig zum Kommunalwahlkampf-GAU des kommenden Jahres werden. Denn sie muss dem Bürger klar machen, dass sie bereit ist, für die EWIBO sowie eine Luxusvariante der Rathaussanierung jede erdenkliche Summe freizuschaufeln , damit aber seine Wünsche leider nicht mehr berücksichtigen kann. Spätestens wenn der Urnengang verloren ist, wird die Union merken, dass die EWIBO nur vordergründig „mildtätig“ (Zitat Kämmerer Elsweier), politisch und gesellschaftlich jedoch hauptsächlich spaltend wirkt.

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