Dieckhues zu City-Leerständen: „Vollvermietung ist heutzutage kaum machbar“



Ludger Dieckhues reagiert prompt. Der Stadtmarketingchef hat zum jüngsten Antrag der Sozialen Liste, die Stadt möge sich stärker um die Leerstände in der City kümmern (wir berichteten), jetzt eine umfangreiche Stellungnahme verfasst. Darin stellt er fest, dass Stadtplanung und Stadtmarketing in der Vergangenheit bereits mehrfach Konzepte erarbeitet und erarbeiten lassen haben. Weiter heißt es wörtlich:

Realistisch betrachtet muss man folgendes feststellen: Vollvermietung ist heutzutage kaum machbar, und das gilt nicht nur für Bocholt. Die Hauptgründe für Leerstände in einer Mittelstadt wie Bocholt sind vielschichtig und gehen laut einer Untersuchung der CIMA Beratung + Management GmbH, München von „mängelinduziert“ über „zu hohe Mietpreise“ bis hin zur „Nachfolgeproblematik“. Hinzu kommt, dass der Standortwettbewerb im Handel insgesamt zunimmt (besonders in den Zentren bzw. zugunsten der großen Zentren) und das Flächenangebot ist allgegenwärtig, denn alle kämpfen um die gleichen Filialisten und Zielgruppen.

Die CIMA erklärt auch, dass die Krise des Einzelhandels zu einer Krise der Immobilienwirtschaft und zu einer Krise der Stadtentwicklung führt – es handelt sich dabei um einen Teufelskreis, der durchbrochen werden muss (Krise des inhabergeführten Einzelhandels => vermehrte Leerstände =>Nutzungen mit geringer Frequenz => Fehlnutzungen => sinkende Mietpreise => keine Investitionen in den Bestand => keine Investitionen in den öffentlichen Raum => keine Projektentwicklungen => Krise des inhabergeführten Einzelhandels… etc.).

Hinweisen möchte Stadtmarketing Bocholt auf das Leerstandsmanagement in unserem Geschäftsbereich Citymanagement: Seit Anfang der 2000er Jahre werden systematisch Leerstände erfasst und es wird ein guter Kontakt zu vielen Eigentümern in der Innenstadt gepflegt, um vermittelnd zwischen potentiellen Gewerbetreibenden / Mietern sowie den Eigentümern der Innenstadtimmobilien tätig zu werden. Ein umfängliches Eigentümercoaching zur Sensibilisierung für alle Themen rund um die eigene Immobilie wäre wünschenswert, ist unsererseits jedoch nicht ohne weiteres leistbar.

Mit dem in 2018 erarbeiteten Innenstadtexposé haben wir ein Instrument an der Hand, mit dem wir z.B. an Expansionsleiter von größeren Filialisten herantreten, welches wir auf Messen präsentieren, welches wir Hauseigentümern an die Hand geben, um diese für den Standort Bocholt zu interessieren. Manche Leerstände werden schon heute vermittelt, um temporäre Zwischennutzungen (z.B. Smart Store Osterstraße, Ausstellungen in der Nordstraße, Pop up – Store in der Nordstraße, Vermietung an Dienstleister etc.) möglich zu machen und so ein attraktives Angebot bzw. ein ansprechendes Erscheinungsbild vorhalten zu können – auch hier ist das Leerstandsmanagement im Citymanagement des Stadtmarketing Bocholt aktiv, Leerstände wurden kartiert und werden kreativ einer Zwischennutzung überführt. Allerdings durch die Veränderungen im Handel / durch den starken Online-Handel wird schlicht weniger Fläche in der Innenstadt benötigt!

Informativ weisen wir nochmals auf Folgendes hin: „Einkaufsstraßen neu denken!“ ist der Titel einer Ausarbeitung von StadtBauKultur NRW, die in 05/2019 herausgegeben wurde. Szenarien für eine funktionale Umnutzung von bestehenden Geschäftslokalen werden in der Broschüre gut dargestellt und es wird eingeleitet mit den Worten: „Eine funktionale Neuausrichtung einer bislang von Einzelhandel dominierten, aber mittlerweile notleidenden Geschäftsstraße ist keine Kapitulation oder gar ein Schuldeingeständnis für die bisherige Stadtentwicklung, sondern eine realistische Anerkennung der realen Gegebenheiten.“ Es werden im weiteren Verlauf der Ausführungen vier Optionen erläutert: 1. Dienstleistungen, 2. Innerstädtisches Wohnen, 3. Urbane Produktion – Handwerk und Gewerbe im innerstädtischen Kontext, 4. Partielle Umnutzungsoptionen.

Das Ganze eventuell einhergehend mit der Änderung oder Aufstellung von Bebauungsplänen, das Ganze in Kooperation mit den Eigentümern / Mietern, das Ganze in Begleitung von Stadt und Stadtmarketing, das Ganze eingebunden in ISEK und Flächenmanagement, das Ganze einhergehend mit der Neukalkulation von Mieten oder der Überlegung zu Umbauten und Investitionen.

Die Stadtplanung hat begonnen, auf die veränderte Situation zu reagieren, indem veränderte Innenstadtnutzungen zukünftig in Bebauungsplänen Berücksichtigung finden. Hier stehen wir in Bocholt aber erst am Anfang von Veränderungen, die wir gemeinsam beschleunigt und viel deutlicher angehen müssen, um andere Nutzungen in der City zu ermöglichen. Nur durch einen veränderten, erweiterten Nutzungsmix werden wir die Attraktivität der Innenstadt erhalten können. Dabei müssen Dienstleistung, Gastronomie, Handwerk und Wohnen den Handel ergänzen, denn Einkaufen ist heutzutage nur ein (nicht unbedeutender) Teil des Innenstadterlebnisses.

Mit den vorgenannten Ausführungen möchten wir seitens Stadtmarketing aufzeigen, dass es – wie im Antrag der Sozialen Liste gefordert leider mit der Beauftragung für ein neuerliches Gutachten zur Ursachenforschung von Leerständen nicht getan ist. Vielmehr geht es um strukturelle Probleme (nicht nur) unserer Innenstadt, die viel weiter reichen. Erste Überlegungen und Änderungen wurden / werden vom Baudezernat der Stadt Bocholt und von Stadtmarketing Bocholt mit dem ISEK und dem Flächenmanagement 2.0 angestrebt und angepackt. Verändernde Entscheidungen zur Innenstadtstruktur stehen in den nächsten Jahren an bzw. sind aktuell zu treffen.

So kann man / muss man in einem sich verändernden Umfeld mit veränderten Innenstadtfunktionen und neuen Ansprüchen der Bürger bzw. Citybesucher auf vermutlich kleinerer Fläche mit der City einer Mittelstadt wie Bocholt erfolgreich sein. Und dann möchten wir nur noch möglichst wenige Leerstände ausweisen müssen.

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