Zu teuer: Stadt gibt Stammgleis in den Industriepark Mussum auf



Von BERTHOLD BLESENKEMPER

Die Stadt schließt gegen den Willen der Wirtschaftsförderung und einiger Unternehmen das Stammgleis in den Industriepark Mussum. Das beschloss der Haupt- und Finanzausschuss gestern Abend im Rahmen der Haushaltsberatungen auf Vorschlag der Verwaltung mit den Stimmen der CDU und der FDP. Zuvor hatte die Pergan GmbH noch einen eindringlichen Appell an die Entscheider gerichtet, den Bahnanschluss zu erhalten. Die Chemiefirma hatte sogar einen finanziellen Zuschuss in Höhe von 25.000 Euro in Aussicht gestellt. Doch vergebens. Der Mehrheit im Rat war der Erhalt zu teuer. „Der Kostenrahmen steht in keinem Verhältnis zum Nutzen“, meinte Unions-Fraktionssprecher Burkhard Weber.

Auslöser der Diskussion ist der notwendige Erhalt einer Weiche. Die müsste nicht nur erneuert, sondern möglichst auch an ein elektronisches Stellwerk der Bahn angeschlossen werden. Daneben müsste das Schienenstück bis in den Industriepark saniert werden. Allein das dürfte eine insgesamt eine sechsstellige Summe kosten – spätere Ausbaukosten der Weiche nicht eingeschlossen. Weitere Argumente sprechen gegen das Stammgleis. So könnte dort nach Angaben von Bürgermeister Thomas Kerkhoff nur nachts für zwei Stunden rangiert werden, weil alles andere den Halbstunden-Takt auf der künftig elektrifizierten Bahnstrecke von Bocholt nach Wesel stören würde. Und der Rangierverkehr müsste über den Bahnhof in Bocholt erfolgen, was zu weiteren Störungen führen dürfte, hieß es.

Dem hielt Dr. Petra Schlüsener, Chefin der Chemiefirma Pergan entgegen, dass ohne besagte Weiche der Bestandsschutz verloren gehen würde. Eine Reaktivierung des Betriebserlaubnis scheine damit „sehr unwahrscheinlich, da nicht nur der Genehmigungsprozess geschätzt zehn Jahre betragen würde, sondern erhebliche finanzielle Mittel aufgewandt werden müssten“, so Schlüsener in einem schriftlichen Appell an die Stadtverordneten. Sie geht für den Fall einer jetzigen Aufgabe des Stammgleises und womöglich einer späteren gegensätzlichen Meinung von Wiederherstellungskosten in Höhe von mehreren Millionen Euro aus. Zudem sei die Stilllegung eines Gleises kontraproduktiv mit Blick auf den Masterplan Schiene und den Green Deal der EU, hieß es

Ähnlich argumentierten auch SPD, Grüne, Linke, Stadtpartei und Soziale Liste. Doch am Ende entschied sich der Ausschuss mit 8 gegen 6 Stimmen gegen das Gleis. Selbst das Angebot der Pergan Gmbh, für die Fortführung des Stammgleises einmalig 10.000 Euro und für weitere fünf Jahre einen Betriebskostenzuschuss in Höhe von jeweils 5000 Euro zur Verfügung, konnte sie nicht überzeugen.

  1. Andrea Schütte-Matschke says:

    Es ist unglaublich, was in Bocholt mit dem Schienenverkehr passiert.
    Namhafte Firmen bieten Unterstürzung an, die Entscheider interessiert es nicht.
    In den Autoverkehr fließt das Geld, der Schienenverkehr geht leer aus.
    An Enttäuschung ist das nicht mehr zu überbieten.

  2. Antonius Mayland says:

    Kurzsichtiger geht es wohl nicht! Wirtschaftsförderung und Nachhaltigkeit gehen anders! Man fragt sich, welche merkwürdigen Interessen da wohl hinterstecken mögen…….

  3. Brigitte Stein says:

    Sehr kurios, einen bestehenden Bahnanschluss stilllegen zu wollen. Auf der Website der Stadt Bochelt wird der Industriepark Mussum folgendermaßen beworben: „Dies ist einzigartig in NRW und bietet 300 Betrieben mit 7.200 Beschäftigten Raum. ▪Gleisanschluss vorhanden.“.

    Und nun soll das Gleisnetz dort stillgelegt werden. Welche veralterte Lobby forciert das? In anderen Gemeinden ist geplant bestehende Industriebahnstrecken, auch Privatbahnstrecken, in das öffentliche Netz verstärkt einzubinden, auch den Pesonenverkehr zu reaktivieren. Dafür gibt es EU- und Bundesfördermittel. Aber in Bocholt sollen die Gleise abgekoppelt und damit still gelegt werden. Was soll das, was denken die sich Entscheidungstäger dabei? Welche Interessen stecken dahinter?

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