Erdbebenkatastrophe Türkei –  Zorlu: „Praktisch jede Familie direkt betroffen“



Von BERTHOLD BLESENKEMPER

Geschätzt die Hälfte der türkischstämmigen Bocholter kommt aus dem Erdbebengebiet an der Grenze zu Syrien oder hat Verwandte dort. „Bei uns ist sogar praktisch jede Familie direkt betroffen“, schildert Mehmet Zorlu (Foto Mitte) vom Kulturverein Akdeniz-Aleviten. Die Region im Hinterland seiner Geburtsstadt İskenderun war früher vom Baumwollanbau geprägt. Entsprechend viele Landsleute wurden von den hiesigen Textilunternehmen in den 60er und 70er Jahren als Gastarbeiter hergeholt. Heute erleben sie und ihre Nachfahren das Elend der Eltern, Großeltern, Brüder oder Freunde am Fernseher und am Smartphone mit. „Es ist einfach unfassbar“, schildert Zorlu, der drei Tage vor dem Ausbruch des Bebens noch selbst vor Ort war.

Seit Wochen sind er und seine Vorstandskollegen Selma Zorlu (Foto rechts),  Abdullah Duran (Foto links) und Resit Yüksel sowie unzählige andere Vereinsmitglieder und Türken aus ganz Bocholt damit beschäftigt Sachspenden zu verschicken und Geld einzusammeln. „Zu Beginn waren vor allem Winterkleidung, Hygenieartikel und Babynahrung gefragt“, berichtet Abdullah Duran. Tonnenweise wurde sie am Vereinsgelände am Westend angenommen, sortiert und auf Lkw verfrachtet. 30 Generatoren, die ein Bocholter Unternehmen kostenlos bereitgestellt hatte, gingen zudem per Flugzeug in Richtung Türkei.

Dort verschlechtert sich die Situation indessen von Tag zu Tag. Unter den Schuttbergen werden noch zigtausende Menschen vermisst. Die Wasser, Gas- und Stromversorgung ist vielerorts zusammengebrochen. Duschen und Toiletten sind Mangelware. Es droht der Ausbruch von Seuchen. Hinzu kommt, dass die Menschen selbst scheinbar intakte Gebäude wegen der vielen Nachbeben meiden. Lieber schlafen sie bei eisiger Kälte draußen. „Selbst in den Dörfern haben die einstöckigen Gebäude Risse. Meine Mutter wagt sich schon nicht mehr herein“, berichtet der Zorlu. Der 49-Jährige, der gelernter Elektriker ist und bei Flender arbeitet, macht sich Sorgen um die 75-järhige Frau. Nun wollen seine in Indonesien lebenden Brüder die Mutter abholen abholen und vorübergehend mit nach Karataş nehmen.

Währenddessen fehlt es in dem Erdbebengebiet so gut wie an allem. „Zurzeit werden vor allem Zelte und Nottoiletten benötigt. Und die kann man besser in der Türkei selbst kaufen. Das spart Zeit und Transportkosten“, meint Mehmet Zorlu. Deswegen sammelt der Verein inzwischen vorwiegend Geld ein. Das wird mit anderen Helfern in Deutschland zusammengelegt, so dass größere Mengen günstiger eingekauft werden können.

Der Vorsitzende der Akdeniz-Aleviten unterbricht das Gespräch kurz. Gerade kommt schon wieder eine neue Nachricht per WhatsApp herein. Er muss schnell antworten. Tag und Nacht sind die Helfer so im Einsatz „Ich habe extra Urlaub genommen“, berichtet Zorlu. Andere türkischstämmige Bocholter sind spontan ins Katastrophengebiet geflogen, um persönlich bei den Bergungs- und Sucharbeiten. Andere haben Kleinbusse und Kombis vollgepackt und sind per Auto tagelang in die betroffenen Regionen gefahren. Viele kommen traumatisiert zurück. Zu tief haben sich die Bilder von Tod und Zerstörung in ihr Herz und Hirn eingebrannt.

So können Sie helfen

Am Sonntag, den 26. Februar, wird am Vereinsheim, Westend 50, für den guten Zweck gegrillt. Von 12 bis 18 Uhr gibt es dort Adana Kebab Spieße (Rind und Hähnchen) sowie Getränke. Der gesamte  Erlös wird an die Erdbebenopfer direkt vor Ort gespendet. Wer will, kann auch direkt spenden und Geld mit dem Verwendungshinweis „Spende Erdbeben Türkei“ auf das Konto DE47 4285 0035 0100 2675 41 überweisen.

Am Samstag und Sonntag, den 25. und 26 Februar, wird außerdem in der Sultan Ahmet Cami Blaue Moschee Bocholt für den guten Zweck gegrillt. Auch hier ist jeder willkommen.

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