Barlo – ein Dorf im Ausnahmezustand



Ein Kommentar von BERTHOLD BLESENKEMPER

Strahlender Sonnenschein über Barlo. Kleine weiße Wolken durchziehen den tiefblauen Himmel. Ein Sommeridyll, sollte man meinen. Doch das Dorf im Norden Bocholts befindet sich im Ausnahmezustand. Ein kollektiver Schock hat die rund 2000 Menschen dort erfasst. Grund: Der vor acht Jahren verstorbene, im Ort auch schon zu Lebzeiten als Idol verehrte Pfarrer Theo Wehren war ein rechtmäßig verurteilter Kinderschänder. Und ausgerechnet an dessen Grab fand sich jetzt ein anonymes Schreiben mit weiteren Vorwürfen. Seitdem wird in Barlo über kaum etwas anderes diskutiert.

Theo Wehren (Spitzname: Kapi) war mehr als nur ein Seelsorger. „In den drei Jahrzehnten als Pfarrer in Barlo ist er vielen Menschen als Mensch und Priester ein vertrauter und treuer Weggefährte gewesen. Neben seinem priesterlichen Dienst hat er sich auch für zahlreiche Belange im Ort Barlo eingesetzt. Durch seine menschlich zugewandte und lebensfrohe Art sowie durch seinen priesterlichen Dienst hat er vielen Menschen Freude am Leben, Kraft und Trost aus dem Glauben gegeben“, heißt es in einem 2011 online veröffentlichten Nachruf der Gemeinde Liebfrauen. Genau deshalb haben sie auch den großen Spielplatz im Zentrum des Ortes nach „Kapi“ benannt. Und jetzt das. Unfassbar!

Es ist schon schlimm genug, dass das Urvertrauen, das die Barloer ihrem Pfarrer entgegengebracht haben, von einer Sekunde zu anderen zerstört wurde. Jetzt nähren zusätzlich Zweifel die Ungewissheit. Hat der Nachbar, der jahrelang im Kirchenvorstand gearbeitet hat, wirklich nichts gewusst? Und gibt es im Dorf eventuell ebenfalls Opfer? Fragen über Fragen, auf die es zunächst keine Antworten gibt.

Soviel steht fest: „Kapi“ war zweifelsfrei Täter. Er war wegen mehrerer sexueller Handlungen an Minderjährigen im November 1976 vom Amtsgericht Bocholt rechtmäßig zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Da ist es kein Trost, dass die bislang bekannten Taten und auch die Vorwürfe danach sich bislang ausnahmslos auf Wehrens vorherige Amtszeit in Selm/Recklinghausen bezogen. Rein rechtlich gelten auch Priester nach Ablauf seiner Bewährungsfrist als rehabilitiert. Aber für Idole gelten nun mal die Ansprüche, die sich an sich und ihre Mitmenschen gestellt haben. Und die sind im Zweifel deutlich größer

Entsprechend kocht die Gläubigenseele. Von „Kapi“ getäuscht und von der Kirche, die alles gewusst und geschwiegen hat, schändlich verraten – das ist der seelsorgerische GAU. Keine leichte Aufgabe für den amtierenden Pfarrer Rafael von Straelen, wenn er heute Abend im Rahmen einer Gemeindeversammlung vor die Barloer treten wird. Aber wer ihn kennt, weiß, dass er offen sein wird, ruhig, besonnen und klar. Und genau das ist es, was die tief verletzte Seele Barlos jetzt braucht.

Danach muss entschieden gehandelt werden. Chroniken müssen umgeschrieben, Nachrufe gelöscht, der Spielplatz umbenannt und das Plakat am Kindergarten, das noch heute auf das Jubiläum des „Kapi“-Spielplatzes hinweist, schnellstmöglich geändert oder entfernt werden. Das ist man den Opfern schuldig.

Die unter Folgen des sexuellen Missbrauchs bis heute leidenden Kinder, aber auch die Menschen im Ort brauchen jetzt Mut. Deshalb: Ihr schafft das!

  1. Günter Efing says:

    Guten Morgen ohne Sorgen,
    das wäre meine Botschaft normal:
    aber die Fakten sind grausam und schreien zum Himmel!!!
    Als Bremer…meine Verwandten wohnen teilweise in Barlo…ich war wiederholt vor Ort, bin ich wiederholt enttäuscht!!
    Das Bodenpersonal meiner katholische Kirche hat die Kirche an die Wand gefahren!!!
    Amen…noch habe ich Hoffnung…
    Grüße… Günter Efing aus Bremen
    P.S.: Ahnenforschung Haus Efing Anno 1323 lt. Urkunde Anholt.

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