Was mir hier besonders gefällt: Pferde



Im Orientierungskurs haben wir über das Bundesland gesprochen, in dem Bocholt liegt – Nordrhein-Westfalen (NRW). Ich wusste bereits, dass die Fahne von NRW ganz ähnlich aussieht wie die Fahne meines Heimatlandes Iran. Für Nordrhein-Westfalen gibt es außerdem ein Wappen, und darin ist unter anderem ein Pferd zu sehen. „Weil es in Bocholt so viele Pferde gibt“, sagte der Kursleiter. Er meinte es nicht ganz ernst, aber es stimmt: Wenn man sich umschaut, vor allem im nördlichen Teil Bocholts, sieht man eine ganze Menge Pferde. Einige von ihnen habe ich besucht.

Mein Neffe im Iran hat ein Pferd und reitet, ich selbst aber nicht. Einmal habe ich auf einem Pferd gesessen. Aber ich bin runtergefallen. Ich mag Pferde trotzdem. Beim Reit- und Fahrverein Barlo-Bocholt an der Winterswijker Straße gibt es viele davon. 44 leben dort wie in einer Pension. Sie haben es gut – in den Stallgebäuden, auf den großen Weiden, in den Reithallen und auf den Reitplätzen. Sie haben sogar einen „Duschraum“ und ein Karussell, in dem sie sich bewegen.
Auf der Anlage, die gerade einen ganz neuen Springplatz mit einer schön begrünten Tribüne erhalten hat, ist immer etwas los (die Fotos entstanden dort beim Training). Rund um das Vereinsgelände sind in den letzten Jahren immer mehr Reiterhöfe entstanden, deren Besitzer privat Pferde halten. Etwa 180 bis 200 dieser Pferde nutzen die Vereinseinrichtungen.

Turnen auf dem Pferd
Mit sechs oder sieben Jahren beginnen Kinder mit dem Reiten, sagt der Vereinsvorsitzende Carsten Telahr. Überwiegend sind es Mädchen – weil sie Tiere mögen und besonders eben auch Pferde. Oft kommen die Kinder aus „Reiterfamilien“, in denen auch die Eltern reiten. Sie beginnen häufig mit dem Voltigieren. Davon hatte ich noch nie etwas gehört. Im Iran gibt es das nicht. Beim Voltigieren turnen Kinder oder Jugendliche auf dem Rücken eines Pferdes, das an einer langen Leine (Longe) im Kreis läuft. Dafür gibt es sogar Wettbewerbe. Fünf Pferde werden vom Verein speziell für das Voltigieren eingesetzt und sind die einzigen Pferde, die ihm gehören.
Dem Verein ist eine Reitschule angeschlossen, in der man Reiten lernt. Drei oder vier Jahre alt ist ein Pferd, wenn es mit dem Reittraining beginnt. Dann oder etwas früher wird es an den Sattel gewöhnt. Bevor ein Pferd über Hindernisse springt, muss es die Dressur beherrschen. „Springen ohne Dressur geht nicht“, sagt Trainer Michael Erkner. Bei Reitturnieren starten einige Reiterinnen und Reiter in Dressur- und Springwettbewerben. Ab den Schwierigkeitsklassen L und M spezialisieren sie sich auf Springen oder Dressur. Außerdem gibt es im Reit- und Fahrverein Barlo-Bocholt auch Vielseitigkeits- und Westernreiter. Insgesamt starten fast 200 aktive Reiterinnen und Reiter für den Verein, der mehr als 600 Mitglieder hat.
Jede Reiterin und jeder Reiter im Verein ist verpflichtet, im Jahr 20 Stunden als Helferin oder Helfer tätig zu sein. Bei einem Reitturnier sind rund 100 Helfer im Einsatz. Aber auch sonst gibt es mit der Versorgung der Pferde, mit Füttern und Pflege der Tiere sowie der Anlage immer viel zu tun. Unter den Vereinsmitgliedern sind einige ganz besonders engagiert. „Ohne die geht es nicht“, sagt Carsten Telahr.
Die Gemeinschaft unter den Vereinsmitgliedern spielt eine große Rolle. Das genießen schon die Kinder, so der Vorsitzende. Der fachliche Austausch ist ebenso wichtig wie das gesellige Beisammensein im Reiterstübchen.

Ein Pferd als Coach
Einmal in der Woche geht es für die Pferde durch Wald und Feld – ohne Dressur und ohne Springen. Sie brauchen das als Ausgleich, sagt Carsten Telahr. Einfach mal ein Pferd für einen Ausritt mieten kann man bei seinem Verein aber nicht. „Das fehlt leider in Bocholt“, sagt Anja Schröer, die auf einem der Bocholter Pferdehöfe lebt. Zwölf Plätze für Pferde und Ponys gibt es dort. Die meisten davon gehören nicht ihr, sondern anderen Besitzern. Anja Schröer leitet eine Consulting-Firma und lädt Manager zu ganz besonderen Kursen ein. Sie erleben meistens zum ersten Mal die Begegnung mit Pferden. Das ist etwas ganz anderes als ihr Job, wo sie die Dinge als „Kopfmenschen“ planen und regeln – Inhalte ebenso wir ihr Auftreten, auch ihre Rhetorik. Ein Pferd ist kein Kollege und kein Geschäftspartner, und es reagiert anders. „Pferde sind sehr sensibel“, sagt Anja Schröer. Sie nehmen Stimmungen der Menschen wahr, „spiegeln unser Befinden“. Für den Menschen bedeutet das eine große Chance, sich selbst wahrzunehmen und zu öffnen, was oft ungewohnt und daher nicht leicht ist.

Ich habe bei meinen Begegnungen mit den Pferden immerhin schon mal eines von ihnen mit einer Möhre gefüttert und für ein Fotoshooting neben Frau Schröer mit der sechsjährigen Leila posiert (siehe Foto). Und ich habe viel gelernt. Ich weiß jetzt auch, warum das Pferd im NRW-Wappen steht, nämlich als Symbol für die eine Hälfte von NRW, Westfalen. „Westfalen ist Pferdeland“, hat Carsten Telahr mir gesagt. Mehr als 50 000 Pferde und annähernd 600 Reitvereine mit fast 100 000 Mitgliedern gibt es hier. Besonders viele Pferde und sehr gute Reitpferde gibt es in Warendorf, der „Stadt des Pferdes“ in der Nähe von Münster. Dort ist das NRW-Landgestüt und das Zentrum der deutschen Berufsreiter. Pferde aus Westfalen sind weltweit sehr gefragt. Im Iran, wo übrigens der Polo-Sport mit Pferden erfunden wurde, dürfen sie zurzeit nicht eingeführt werden. Das hängt mit den Wirtschaftssanktionen und deren Folgen zusammen. Die Einfuhr anderer Dinge, die für den Lebensunterhalt wesentlich sind, hat Vorrang.


…………………………………………………………………………………………………………..Raha

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