Die Arroganz der politischen Macht!



Ein Kommentar von BERTHOLD BLESENKEMPER

Die Junge Union Bocholts fordert die „Beerdigung“ des BürgerKulturHaus-Projektes. Dieses sei längst „gestorben“, schreibt der Vorsitzende Lukas Behrendt, der auch stellvertretender Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender der CDU ist, in einer Presseerklärung.  Weiter fallen Begriffe wie „Unverschämtheit“ und „Millionengrab“. Nun kann man in der Sache durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Aber um seinen Standpunkt deutlich zu machen, darf und kann man sich als gewählter Volksvertreter nicht derartig im Ton vergreifen. Es scheint, als ob dem Nachwuchspolitiker seine Ämter gewaltig zu Kopf gestiegen, wenn er die Meinung Andersdenker derartig abfällig bewertet und damit die Arroganz der politischen Macht demonstriert.

Zur Sache: Der BürgerKulturHaus-Plan ist zunächst einmal ein Bürgerprojekt einer Bürgerstiftung. In ihr engagieren sich mehr als zwei dutzend Bocholter Vereine, deren ehrenamtlichen Vorstände sich darauf gefreut hatten, endlich eine Heimat zu bekommen und mal wieder schönere Veranstaltungen organisieren zu können. Ihnen die Träume zu nehmen, ist eine Sache. Dann aber auch noch verbal nachzutreten, eine ganz andere. Lukas Behrendt hat natürlich Recht wenn er sagt, dass die Politik die Prioritäten neu und anders gesetzt hat. Das ist ihr gutes Recht. Aber er muss sich gefallen lassen, dass viele Bürger andere Prioritäten setzen. Das ist genauso ihr Recht – umso mehr, als einige Beschlüsse durchaus in Zweifel gezogen werden können.

Beispiel Rathaus. Er ist Bürgern nur schwer klar zu machen, dass für ihre Wünsche kein Geld da ist, für die Wünsche der Verwaltungsspitze jedoch jede Menge. Das ist genau die Verwaltungsspitze, die den Rat und damit die Vertreter der Bürgerschaft an der Nase herumgeführt und die Unterdenkmal-Stellung des umstrittenen Rathauses so lange verschwiegen hat, bis eine Abriss oder andere kostengünstige Lösungen nicht mehr möglich waren. Statt dieser Verwaltungsspitze klar und deutlich die Meinung zu geigen und einen Verweis zu erteilen, baut man ihr jetzt für 6,5 Millionen Euro auch noch ein viertes Staffelgeschoss aufs Dach, dessen Kosten-Nutzen-Verhältnis keiner darstellen kann.

Beispiel Citygestaltung: Jahrelang haben Rat und Verwaltung hier gepennt. Darum wollen sie jetzt mal eben eine zweistellige Millionen-Summe hineinpumpen, um zu retten, was zumindest so nicht mehr zu retten ist. Es nutzt nämlich nichts, neu zu pflastern, zusätzliche Blumenbeete, Bäume und Wippepferde aufzustellen und die Innenstadt in Altstadt umzubenennen, wenn nach wie vor samstags ab 13 Uhr der große ESB-Kehrwagen unter Getöse über den Markt fährt und mit dem Abfall auch gleich alle Besucher wegfegt. Was die City braucht, ist ein inhaltliches Konzept. Die erste autofreie City Deutschlands könnte sie sein oder auch die grünste und gemütlichste oder die modernste und digitalste. Hauptsache, es würde erst mal ein Ziel gesteckt und dann erst gebaut.

Beispiel Nordring: Hier versucht die CDU mit den Wahlversprechen von gestern und Bauplänen von vorvorgestern Verkehrspolitik von morgen zu machen. Dabei bedient sie sich eines dreisten Etikettenschwindels. Denn seitdem Daniel Zöhler Stadtbaurat ist, ist der Ring, der immer als Stadtring geplant wurde und auch noch immer so heißt, plötzlich kein Ring mehr, sondern vorrangig eine Erschließungsstraße für neue Baugebiete. Gegen neue Baugebiete und Erschließung kann schließlich keiner etwas haben, so der Gedanke. Für wie blöd halten Politik und Verwaltungsspitze den Bürger eigentlich?

Kurzum: Was Lukas Behrendt als „Unverschämtheit“ bezeichnet, nenne ich Basisdemokratie. Dass Bürger Entscheidungen des Rates in Zweifel ziehen, ist nicht nur ihr Recht, sondern in einer Stadt, in der es seit Jahren keine echte Opposition mehr gibt, sogar ihre Pflicht.

Ein Vorschlag zur Güte: Wenn die Stadtverordnetenversammlung sich derartig sicher ist, in der Priorisierung goldrichtig zu liegen, kann sie ja per Ratsbeschluss einen Bürgerentscheid anstrengen. Andernfalls werden es die Bürger selbst machen. Hans-Josef van Hüth (Freie Grüne/Die Linke) hat es bereits öffentlich angeregt.

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