Arbeitsgruppe Industriestammgleis – denn geheim tagt sich’s bekanntlich besser



Ein Analyse von BERTHOLD BLESENKEMPER

Erst ging alles nicht schnell genug. Nach nur zehn Minuten Beratung während einer Sitzungsunterbrechung fasste der Haupt- und Finanzausschuss Anfang Dezember mit den Stimmen von CDU und FDP auf Drängen von Thomas Kerkhoff den Beschluss, auf die Sanierung einer Weiche zu verzichten und damit das Industriestammgleis nach Mussum faktisch stillzulegen. Die Bahn erwarte bis morgen eine verbindliche Antwort, hatte der Bürgermeister damals gemeint und Druck gemacht. Inzwischen jedoch bleibt jede Menge Zeit. Möglich macht es ein Entgegenkommen der Bahn und ein so genanntes „Moratorium“ von zwei Jahren, in denen jetzt plötzlich die Realisierbarkeit einer Wiederinbetriebnahme und des wirtschaftlichen Betriebes des Industriestammgleises geprüft werden soll. Der Rat hat dafür gestern eigens einen Arbeitskreis gegründet, der (hinter verschlossenen Türen) beraten und bis zu fünf externe Experten mit hinzuziehen soll.

Es wurde Zeit gewonnen, da die DB-Netz AG auf nochmalige Nachfrage der Stadt mitteilte, dass ein Ausbau der Weiche zeitnah ohnehin nicht geplant sei. Dies bot Gelegenheit zu einer nochmaligen Diskussion des Themas und eine breitere und intensivere Debatte, heißt es in der Sitzungsvorlage. Warum nicht schon vorher bei der Bahn nachgefragt wurde, bleibt offen. Gleiches gilt für die Frage, warum nicht schon vorher auf den Rat von Experten gehört wurde. Die machten später umso mehr Druck, woraufhin CDU, FDP und Verwaltungsspitze offenbar kalte Füße bekamen.

Gut ist, dass sich jetzt eine Arbeitsgruppe intensiv um die Sache kümmert. Schlecht ist, dass die – wie immer – hinter verschlossenen Türen tagt. Viele Menschen sind misstrauisch, wenn etwas in privelegierten Zirkeln vermeintlich ausgekungelt wird. Und von denen hat oder hatte Bocholt schon jede Menge: die Lenkungsgruppe KubAaI, die Lenkungsgruppe Rathaussanierung, die Lenkungsgruppe Mobilitätskonzept, die Lenkungsgruppe Quartiersmanagement, die Lenkungsgruppe Digitalisierung (seit einem Jahr in Gründung), die Arbeitsgruppe Schützenhaus (seit einem Jahr in Gründung) und jetzt die Arbeitsgruppe Industriestammgleis. Die Öffentlichkeit erfährt aus deren Sitzungen meist nichts. Die politische Fachausschüsse des Rates, die ganz offensichtlich nicht genügend eigene Fachkompetenz besitzen, um selbst Lösungen zu erarbeiten, dürfen am Ende meist nur noch abnicken. Demokratieförderlich und vertrauensbildend ist das nicht gerade.

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