GLOSSE: Hinterm Mond ist alles gut(-)…



Eine Glosse von BERTHOLD BLESENKEMPER

Jetzt ist es amtlich: Bocholt liegt – zumindest digital betrachtet – definitiv hinterm Mond! Laut einer gestern veröffentlichten IFH-Studie kaufen (das komplette Shopping bei Amazon, Ebay,  Zalando und Co. inklusive) lediglich 46 Prozent der Menschen in unserer Stadt online ein. Deutschlandweit sind es nach Erkenntnissen des statistischem Bundesamt derweil durchschnittlich 77 Prozent. Da sieht man einmal, wie rückständig  die Heimat  tatsächlich  ist. „Bocholter sehen Online-Handel skeptisch“, titelt denn auch die lokale Presse.

Damit nicht genug. Den Bocholtern fehlt es („nörgens bäter as in Bokelt“ hin oder her) statistisch betrachtet an Heimatverbundenheit. Nur 22 Prozent, so besagt die Studie, kauft bewusst in der Bocholter Innenstadt mehr ein, um die lokalen Anbieter hier zu stärken. In allen anderen Städten sind es doppelt so viele, nämlich 44 Prozent. Ein Schlag ins Gesicht für alle, die seit Jahren verzweifelt das „Heimatschoppen“ propagieren. Pfui, Bocholt.

Nur gut, dass wenigstens die Attraktivität der Innenstadt laut Studie in den vergangenen zwei Jahren von befriedigend(+) auf gut(-) spürbar besser bewertet wird und vor der vergleichbaren Konkurrenz liegt. Wenigstens in diesem Punkt also lugt Bocholt freundlich lächelnd hinterm Mond hervor. Prima so. Allerdings: Wenn trotz Großbaustellen, wachsender Leerstände und spürbar rückläufiger  Frequenz in den vergangenen Jahren laut Besucherumfrage noch immer alles gut(-) und damit spürbar besser geworden ist als vorher, warum sollen Stadt und damit der Steuerzahler dann demnächst Millionen in die Attraktivitätssteigerung der City  investieren? Wäre es nicht einfacher (und vor allem preiswerter), noch sechs Jahre zu warten, bis das IFH-Institut auch noch die letzten Besucher der City ausfindig macht, die dann wahrscheinlich ein sehr gut(-) attestieren?

Bei der Frage, wie man sich als Kunde über lokale Shopping-Angebote informiert, hat laut IFH-Studie die Suchmaschine Google die Nase deutlich vor der Tageszeitung. Weit abgeschlagen dahinter rangieren die lokalen Onlineportale. Und die sozialen Medien? Ja, die hat das Stadtmarketing in seiner Pressinfo leider vergessen zu erwähnen, auch wenn sie hinter Google und noch vor den Printmedien tatsächlich auf Platz zwei liegen. Kann ja so weit weg von der Erde mal passieren…

Vielleicht ist alles aber gefühlt auch völlig anders und man muss einfach nur diese Studie in die Tonne feuern. Denn wenn man mal genauer hinsieht, hat das renommierte Institut aus Köln an einem einzigen Wochen- und einem Samstag 600 Innenstadtbesucher befragt, um zu seinen Ergebnissen zu kommen. Auf diese Weise hat man jedoch vermutlich sehr viele von denjenigen Menschen nicht erwischen und befragen können, die exakt zu dieser Zeit gearbeitet haben, in der Schule waren, in Winterswijk flanierten oder vor dem Bildschirm saßen, um per Computer einzukaufen. Und einzig in der Innenstadt nach der Attraktivität einer Innenstadt zu fragen, kommt mir persönlich in etwa so repräsentativ vor, als würde man die Attraktivität von Fleisch  an einem Wochentag- und einem Samstagabend in einem Steakhouse benoten lassen. Wieviele Vegetarier und eingefischte Forellen-Fans würde man dabei wohl erwischen? Und vor allem: Was käme am Ende dabei heraus? Höchstwahrscheinlich ein gut(-)…

Lesen Sie dazu auch unser Interview Dieckhues zum Umfragehoch für die City: „Es gibt noch viel zu tun!“

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