Hätte, hätte, Fahrradkette – über die „kalkulatorischen Zinsen“ der Stadt
Eine Glosse von BERTHOLD BLESENKEMPER
Vor allem bei kommunalen Kämmerern war der so genannte „kalkulatorische Zinssatz“ stets sehr beliebt. Er wird alljährlich bilanziert für Geld, das die Stadt theoretisch am Kapitalmarkt hätte anlegen und erwirtschaften können, hätte sie es nicht dummerweise für Investitionen ausgeben müssen. Betroffen sind davon insbesondere die von den Bürgern zu tragenden Gebührenhaushalte. Wenn also die Stadt dem ESB beispielsweise 100.000 Euro für ein neues Müllfahrzeug leiht, dann berechnet sie der Tochter und damit am Ende dem Gebührenzahler das, was sie hätte verdienen können, hätte sie das Geld stattdessen behalten und aufs Sparbuch gelegt.
Na ja, so viel wird das ja nicht sein, denkt man sich angesichts der zurückliegenden Niedrigzinsphase. Doch weit gefehlt. Denn der „kalkulatorische Zinssatz“ für Städte und Gemeinden war ein Durchschnittszinssatz über einen Zeitraum von 50 Jahren und betrug zuletzt deshalb immer noch satte 5,242 Prozent. Im vergangenen Mai allerdings kippte das Oberverwaltungsgericht die Rechtssprechung. Es sieht nur noch einen zehnjährigen „Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten“ als gerechtfertigt an.
In der Folge sinkt jetzt „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“, wie es in einer Sitzungsvorlage für den Rat heißt, der kalkulatorische Zinssatz. Die Folge: Der Stadt fehlen in der Bilanz plötzlich 2,5 Millionen Euro, die sie eigentlich in Rechnung hätte stellen können, hätte es diese verflixte Änderung nicht gegeben. Und die Bürger hätte es freuen können, denn sie hätten weniger zahlen müssen. Doch das lässt sich verhindern: Die Mindereinnahmen der Stadt werden einfach durch die Gewinnausschüttung des ESB zum Teil wieder kompensiert. Gott sei Dank. Nicht auszudenken, was sonst noch alles kalkulatorisch hätte passieren können…