Häusliche Gewalt und Migration – Dilemma zwischen zwei Welten



Das Thema „Häusliche Gewalt und Migration“ stand im Mittelpunkt einer Informationsveranstaltung, die jetzt anlässlich des „Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen“ im Medienzentrum Bocholt stattgefand. Eingeladen dazu hatte die Arbeitgruppe Prävention des „Runden Tisches GewAlternativen“. Als Referentin beleuchtete Sandra de Vries, Ethnologin und Trainerin für Interkulturelle Kompetenz, aus Münster die Moralvorstellungen in islamisch geprägten Gesellschaften mit Blick auf das daraus resultierende Bild der Frau und das damit einhergehende Rollenverhalten in den Familien – ein Bild, das vom europäischen Verständnis deutlich abweicht. „Viele Frauen mit Migrationshintergrund geraten so in ein „Dilemma zwischen zwei Welten“, konstatierte sie.

Ute Schulte, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Rhede und Mitglied der Arbeitsgruppe, hieß zuvor die über 30 Gäste der Veranstaltung willkommen. Sandra de Vries räumte dann zu Beginn ihres Vortrags mit der Vorstellung auf, „der“ Islam sei eine einheitliche Religion. „DEN Islam gibt es nicht“, betonte sie. Vielmehr hätten sich zahlreiche Richtungen bzw. Rechtsschulen im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet. Konfliktpotential entstehe im Wesentlichen durch die Vielzahl der Interpretationen in der sunnitischen oder schiitischen Ausrichtung des Islam. Vorherrschend sei oft eine Kollektivgesellschaft, in der nicht der Einzelne, sondern das „Wir“, vor allem „die Familie“ entscheidend sei. Dabei habe eine Frau zu ihrem Ehemann und deren Eltern zu ziehen. Männer übernähmen oft die Repräsentation der Familie nach außen, während die Frauen für den Haushalt verantwortlich seien. „Laut der Auslegung im Koran sind Männer und Frauen im Islam gleich, aber dies bezieht sich vor allem auf die Stellung vor Allah“, erläuterte die Referentin.
Unterschiede würden hingegen auf sozialem Gebiet, vor allem bei den Interessen, Aufgaben und Pflichten gemacht. Ein wichtiger Aspekt sei dabei der Moralkodex: Eine Frau werde „mit Ehre geboren“, die sie beschützen müsse. Sie dürfe sich daher nicht mit anderen Männern einlassen. Ein Mann müsse sich „Ehre erwerben“, in dem er sich seiner Rolle entsprechend verhalte. Wenn eine Frau beispielsweise ihren Mann bzw. ihre Familie verlässt, verletze sie gleichzeitig die Ehre ihrer gesamten Familie. Diesen soziokulturellen Hintergrund müsse man kennen, um Verhaltensweisen nachvollziehen zu können. Toleranz sei wichtig, allerdings gelte es auch, ganz deutlich Grenzen – zum Beispiel mit Blick auf die Ausübung von Gewalt gegen Frauen und Kinder – zu ziehen. „Wir sollten offen aufeinander zugehen, um gemeinsame Lösungen für das Zusammenleben zu finden“, appelierte Sandra de Vries. Maßstab dabei sei der Respekt vor der Unantastbarkeit und der Würde eines jeden Menschen.
Anschließend wurde der preisgekrönte Film „Die Fremde“ gezeigt, der mitfühlsam das schlimme Schicksal einer jungen Frau zwischen unterschiedlichen Kulturen, Traditionen und Familienbanden vermittelt.

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