Haushaltsrede 2018 – Peter Wiegel (SPD)



Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,

der Haushaltsplan enthält nicht nur Zahlen, hinter den Etatansätzen stehen auch und vor allem grundsätzliche politische Zielvorstellungen. Dabei werden Unterschiede zwischen den Fraktionen deutlich: Drei aktuelle Beispiele.

Beispiel 1: Führungsstruktur der Stadt Bocholt:

Mit dem Stellenplan 2018 wurde die dritte Dezernentenstelle gestrichen, die Aufgabengebiete auf die beiden verbliebenen Dezernenten und den Bürgermeister verteilt. Dies in einer Phase in der viele neue Aufgaben zu lösen und Projekte zu stemmen sind, die für die Zukunft unserer Stadt große Bedeutung haben.

Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger erwarten zudem mit gutem Recht ein hohes Maß an Kommunikationsbereitschaft seitens der Verwaltung. Dies alles bindet Ressourcen –auch in der Verwaltungsspitze.

Die gegenüber dem früheren Modell deutlich gestiegene Leitungsspanne, bestehende Arbeitsverdichtung und erhöhte Anforderungen – die Rückkehr zum früheren Modell wäre 1der richtige Weg.

In der letzten HFA – Sitzung wurde seitens der CDU sinngemäß die Auffassung vertreten, man könne ja irgendwann mal darüber reden, vor allem nach 2020. Diese Vorgehensweise ist halbherzig und nicht konsequent. Wir müssen den Mut haben Strukturen an reale und bereits jetzt aktuelle Situationen anzupassen, statt nur abzuwarten.

Ich zitiere da gerne die schöne alte Volksweisheit die da lautet: „Hoffen und Harren machen so manchen zum Narren“.

Beispiel 2: Gleichstellung von Frau und Mann

Unverständlich war die von der CDU initiierte Diskussion um die geringfügige Stellenaufstockung bei der Gleichstellung. Zunächst ein Antrag für den öffentlichen Teil, in der Antragsbegründung bereits ein Verweis auf das Protokoll einer nichtöffentlichen Sitzung, was einer Verhinderung von öffentlicher Diskussion schon sehr nah kommt und dann die Vertagung in den nichtöffentlichen Teil.

Politik muss sagen was sie will und was nicht und zwar ganz öffentlich. Dann kann sich jede und jeder eine Meinung bilden.

Ein Blick in den Stellenplan zeigt: die notwendige Stellenerhöhung wird Realität.

Beispiel 3: Förderung von Kindern und Jugendlichen

Ratlos gemacht hat uns der Antrag die Aktivitäten der jungen Uni mit einem Sperrvermerk zu bremsen. Auch hier erfolgte im HFA die halbherzige Einlassung „man wolle ja die Existenz nichtgefährden und das Engagement nicht in Frage stellen, aber …“

Was denn nun? Im Meer schwimmen ist toll, aber nass werden will ich nicht?

Die junge Uni ist ein eigenständiges Angebot an Kinder und Jugendliche. Sie selbst versteht sich selbst als Partnerin von Schule und Elternhaus, also weder Reparaturbetrieb noch Konkurrenzveranstaltung. Talente und Stärken fördern, Neugierde für Themen und eigene Interessen entwickeln und unterstützen und ganz praktisch ausprobieren, das ist die Idee.

Vor allem ist die junge Uni selbst „jung“. Das ganze Projekt läuft erst seit gut einem Jahr. Auch die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter räumen gerne ein, dass Erfahrungen gemacht werden müssen und sicher auch Verbesserungspotentiale vorhanden sind.

Es ist spricht nichts dagegen eine Zwischenbilanz zu ziehen und einen entsprechenden Bericht zu erstellen. Ein Sperrvermerk ist aber das falsche Signal.

Ich bin zuversichtlich, dass der nunmehr für Februar angekündigte Bericht alle überzeu2gen wird und es danach einvernehmlich heißen wird: keine Sperrung, sondern volle Fahrt
voraus für die Förderung von Kindern und Jugendlichen.

Meine Damen und Herren,
betrachten wir weitere Handlungsfelder:

Soziale Wohnungspolitik und bezahlbares Wohnen sind zentrale Anliegen der SPDFraktion. Soziale Wohnungspolitik muss schon aus rechtlichen Gründen mehr beinhalten, als die Forderung nach Quoten für den sozialen Wohnungsbau. Das zeigt ganz deutlich die Antwort der Verwaltung auf eine aktuelle Anfrage der Fraktion freie Grünen/Die Linke zum selben Thema. Dort ist zu lesen:

„Den Handlungsmöglichkeiten der Gemeinden in Bezug auf die Steuerung von Wohnraumangeboten sind enge Grenzen gesetzt.

Generelle Festlegungen von Quoten für den sozialen Wohnungsbau über das Planungsoder Satzungsrecht sind weder für das ganze Stadtgebiet noch für einzelne Baugebiete oder Grundstücke rechtlich möglich.“

Das ist eine Zustandsbeschreibung, sich damit abzufinden reicht sicher nicht.

Was also ist zu tun?

In einem gemeinsamen Plädoyer zur Wohnungspolitik haben „Deutsches Institut für Urbanistik (difu) und Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung (vhw) bereits im August 2016 gefordert:

„Kommunale Wohnungsunternehmen sollten in ihrer Bedeutung gestärkt bzw. neu gegründet werden, um für die Städte ein ständiges Korrektiv am Wohnungsmarkt, aber auch für den nachbarschaftlichen Zusammenhalt verfügbar zu haben ….

Und weiter:

„Auch wenn der (bezahlbare) Neubau viele Debatten dominiert, bleibt der Wohnungsbestand das Segment mit den preiswertesten Mieten – und diese müssen bewahrt werden. Deshalb ist es zwingend erforderlich, die Bestandspolitik konzeptionell mit der Neubaupolitik zu verzahnen. Ein Schritt in diese Richtung wäre ein klares Bekenntnis zum städtischen Mietwohnungsbestand und Mietwohnungsbau“.

Auf Basis dieser grundsätzlichen und richtigen Erkenntnisse haben wir uns in Bocholt auf
den Weg gemacht: Zum Jahreswechsel 2015/2016 konnte die EWIBO erste Wohnbestän-
de kaufen und ist und über den Aufbau einer leistungsfähigen Wohnungsabteilung auch
in der Schaffung neuen Wohnraums aktiv. 3

In wenigen Monaten wird auf dem ehemaligen Betriebshof des Grünflächenamtes Wohnraum entstehen, im geförderten und insgesamt bezahlbaren Bereich.

Der Aufsichtsrat der EWIBO sich fraktionsübergreifend eindeutig positioniert: „Die EWIBO wird sich langfristig als Wohnungsgesellschaft engagieren.“ … in den nächsten 6 bis 7 Jahren sollen ca. 400 Wohnungen im Eigentum unserer Gesellschaft neu hinzukommen, um der Steuerungsfunktion im kommunalen Wohnungsmarkt gerecht zu werden.

Das heißt dann auch: Das Wohnungsbauprogramm der Stadt muss die Voraussetzungen schaffen, damit wir über unsere Tochtergesellschaft eine soziale Wohnungspolitik in und für Bocholt sicherstellen können.

Meine Damen und Herren,

Handlungsfeld Bildung:

Niemand weiß was die Zukunft und wie sich Rahmenbedingungen entwickeln?

Prognosen sind schwierig und Zeitspannen für Reaktionen und Anpassungsprozesse werden immer kürzer. Eines jedoch ist sicher: Basis von allem ist eine gute schulische Bildung.

Die SPD-Fraktion hat daher gefordert, die ursprünglich gestrichenen Mittel für die planmäßige Fortschreibung des Digitalsierungsprozesses in Schulen doch bereitzustellen. Dieses Ziel wurde erreicht, das ist ein positives Signal.

Ein drittes wichtiges Handlungsfeld neben Wohnen und Bildung ist die Kultur, das macht auch in ökonomischer Hinsicht Sinn. Die positive Entwicklung bei den städtischen Finanzen ist geprägt von zwei Komponenten: steigende Gewerbesteuereinnahmen und steigende Anteile an der Einkommensteuer.

Bocholt ist ein attraktiver Standort für Unternehmen und für Bürgerinnen und Bürger, diejenigen die schon da sind und solche die darüber nachdenken nach Bocholt zu ziehen.

Ich weiß um die Probleme bei der Bereitstellung von Gewerbeflächen, wir werden da kre4ative Lösungen finden müssen, denn Boden ist nicht beliebig vermehrbar.

Wirtschaftsförderung umfasst auch weiche Standortfaktoren.

In der Kulturausschusssitzung Mitte November wurden die Ergebnisse des Gutachtens zur Sanierung der Theatertechnik vorgestellt. Die SPD – Fraktion ist davon überzeugt, dass ein attraktives kulturelles Angebot für Bocholterinnen und Bocholter unabdingbar und die Theatersanierung damit absolut notwendig ist.

Der für die Sanierung erforderliche Betrag konnte bisher nicht im Haushalt berücksichtigt werden und stand auf der „Warteliste“. Schuld an dieser misslichen Lage war der Schuldendeckel.

Aus dem als Steuerungsinstrument gedachten und geplanten Schuldendeckel drohte ein Verhinderungsinstrument zu werden. Nicht Entwicklung und Zukunftsfähigkeit, sondern Stagnation und marode Infrastruktur in Bocholt wäre die Folge gewesen, hätten wir nicht endlich gehandelt.

Über dieses Thema wurde lange diskutiert, die SPD – Fraktion übrigens Erfinder des Schuldendeckels hat eine konsequente Weiterentwicklung dieses Instrumentes seit Jahren eingefordert.

Es ist eine wirklich gute Nachricht für Bocholt, dass eine Einigung zustande gekommen ist und wir uns einstimmig auf eine Kompromisslösung geeinigt haben, die jetzt auch in der Hauptsatzung verankert ist.

Das Ziel ist klar:

Wir werden schnellstmöglich ein Schuldentragfähigkeitskonzept erarbeiten und damit den Schuldendeckel in seiner bisherigen nicht mehr zeitgemäßen Version ablösen. Damit ist die zentrale finanzwirtschaftliche Forderung der SPD – Fraktion erfüllt.

Wir konnten in den Haushaltsberatungen nicht all unsere für Bocholt wichtigen Ziele realisieren, gleichwohl überwiegt das Positive:

Die SPD – Fraktion wird dem Haushalt zustimmen. Meine Damen und Herren,

Gestatten Sie mir abschließend einen kurzen Rück- und Ausblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

  Bocholt gehört zu Gewinnern des Wettbewerbs „Zukunftsstadt“. Der Wettbewerb wurde 2015 gestartet bestand aus drei Phasen. Von zunächst rund 50 Städten schafften 22 den Sprung in die zweite Förderphase. In der dritten und letzten Runde wurden die 7 Gewinnerstädte ausgewählt.
  Wir bekommen nun 1,8 Millionen Euro Fördergeld vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und können damit Ideen umsetzen, die zuvor gemeinsam mit Bocholter Bürgerinnen und Bürgern entwickelt wurden.
  Ich erinnere an das sehr große Interesse für die Teilnahme an den sogenannten 5Planungszellen im November des vergangenen Jahres.
  Wir freuen uns über die erreichte gute Lösung für die Feuerwehrund Rettungsakademie.
  Abfallentsorgungs-, Straßenreinigungsund Entwässerungsgebühren bleiben auch in diesem Jahr konstant. Das ist nicht überall so, hier zeigt sich die gute und vorausschauende Arbeit der Verantwortlichen beim ESB.
  Wir profitieren von hohen Beschäftigungszahlen, hier ist die Arbeit im FB Soziales zu loben. Es wurde erreicht, dass es weniger Bedarfsgemeinschaften gibt. Hier greifen erkennbar die Unterstützungsangebote des Job Centers.
  Wir freuen uns, dass es mit der Quartiersentwicklung Fildeken nun endlich losgeht. Wir wünschen uns eine frühzeitige Beteiligung der Menschen in diesem Viertel wohnen. Eine Identifikation mit dem Fildeken geht nur mit Partizipation.
  Essbare Stadt, gemeinsame Treffpunkte, DFB-Platz sind nur einige Themen, die hier von großer Bedeutung sind – wir stehen ein für lebenswerte Viertel.
  Letztes öffentlich wirksames Ereignis des Jahres war die offizielle Einweihung der Podiumsbrücke auf dem KuBAai – Gelände am vergangenen Samstag. Das ist fast schon symbolisch – Brücken zu bauen ist die vielleicht wichtigste Aufgabe in Zeiten in denen der gesellschaftliche Zusammenhalt von kleinen und großen Brandstiftern bedroht wird.
  Zum Glück gibt es in Bocholt viele die mithelfen diese Spaltung zu verhindern. Vielen Dank an alle Ehrenamtlichen. Ohne Sie wäre Bocholt nicht so wie es ist.

Uns liegen nicht nur – wie eingangs angesprochen die Arbeitsbedingungen der Führungsspitze der Stadt am Herzen, sondern wir sorgen uns besonders um diejenigen die sich am unteren Ende der Einkommensskala bewegen und dennoch tagtäglich eine wirklich unverzichtbare Arbeit machen – die städtischen Reinigungskräfte.

Wir werden das Thema „Rekommunalisierung der städtischen Gebäudereinigung“ erneutauf die Tagesordnung bringen.

Es geht in diesem Zusammenhang nicht nur um die Reinigungskräfte, es geht auch darum, die Meinung derjenigen ernst zu nehmen, die mit den Konsequenzen politischer Entscheidungen leben müssen.

Ich rede von Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern. Deren eindeutiges Votum darf nicht unberücksichtigt bleiben: Rückkehr zur Reinigung durch städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wir sollten ernsthaft prüfen, ob nicht durch Einbindung städtischer Betriebe eine Lösung möglich ist, die qualitative Aspekte, Substanzerhalt und betriebswirtschaftliche Kennzahlen in Einklang bringt. Ich darf hier an die Erfolgsgeschichte des ESB erinnern.

Es gab in Bocholt jahrelang Überlegungen die eigene Leistungserstellung aufzugeben und 6die Müllabfuhr komplett zu privatisieren, bis eine vergleichende Wirtschaftlichkeitsberechnung überzeugte und die Mehrheit der Stadtverordneten für die stadteigene Abwick-
lung stimmte.

Dies alles ist nachzulesen in einer Broschüre anlässlich des 100jährigen Jubiläums der Müllabfuhr in Bocholt. Der Text beginnt übrigens mit folgendem Hinweis: „Die Namen der Pferde, die vor den ersten Müllkarren im Jahre 1911 gespannt wurden, sind leider nicht überliefert“.

Wer einen so originellen und launigen Einstieg in eine an sich ja eher trockene Materie findet, der wird womöglich auch an anderer Stelle kreative und gleichzeitig betriebswirtschaftlich überzeugende Lösungsansätze finden.

Warum kann sich Erfolgsgeschichte nicht wiederholen? Wir sollten das ernsthaft prüfen.

In diesem Sinne blicken wir optimistisch in das neue Jahr und hoffen, dass sich auch andere anstecken und bewegen lassen.

Die SPD – Fraktion bedankt sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit in den zurückliegenden Monaten.

Ich wünsche allen Anwesenden schöne Weihnachtstage und einen guten Start in das Jahr 2019.

Danke fürs Zuhören.

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