Historisches Foto des Monats: Der Güterschuppen an der Kaiser-Wilhelm-Straße



Um einen Güterschuppen an der Kaiser-Wilhelm-Straße geht es diesmal in der Reihe des historischen Fotos, das allmonatlich vom Stadtarchiv präsentiert wird. Hintergrund war ein Rechtsstreit, den die Stadt damals gegen die Reichsbahngesellschaft führte.
„Von dieser historischen Fotografie, die seit mehr als 90 Jahren Bestandteil einer städtischen Straßenbauakte ist, kennen wir nicht nur das Motiv und den Zeitpunkt ihrer Entstehung, sondern auch den besonderen Grund ihrer Aufnahme. Gäbe es diesen Anlass nicht, so läge uns heute kein vergleichbares Bild des ehemaligen Güterschuppens an der Kaiser-Wilhelm-Straße vor“, berichtet Stadtarchivar Wolfgang Tembrink.

Die Aufnahme entstand im März 1929 im Zusammenhang mit einer Verwaltungsstreitsache zwischen der Stadt Bocholt und der Deutschen Reichsbahngesellschaft (Reichsbahndirektion Münster). In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts hatte das städtische Tiefbauamt den Fahrdamm der Kaiser-Wilhelm-Straße von der Bahnhofstraße bis zur südlichen Eisenbahnüberführung mit Bordsteinen, Rinnen, Bürgersteigen und Straßenbeleuchtungen herrichten lassen.

Nun sollte die Reichsbahn als Eigentümerin des nebenliegenden Grundstückes der Stadtgemeinde Anliegerkosten von 9.090 Reichsmark für die Herstellung der Straße erstatten. Die Stadt begründete dies mit der Errichtung eines Anbaus an den an der Kaiser-Wilhelm-Straße liegenden Güterschuppen im Jahre 1927. Die Bahndirektion wies die Forderung zurück und stellte sich quer. Sie bestritt in ihrer Klage vor dem Bezirksausschuss in Münster, dass der Hauptverkehr von der ausgebauten Straße zu den Güteranlagen aus abgewickelt würde. Man argumentierte u. a., der Güterschuppen läge gar nicht an der Kaiser-Wilhelm-Straße, sondern sei längs eines Eisenbahnprivatweges mit der Bezeichnung „Zum Bahnhof“ gebaut worden, welcher außerdem Hauptzugangsweg sei.

Zum Gegenbeweis legte die Stadt dem Bezirksausschuss dieses Foto vor. Der Betrachter befindet sich auf der westlichen Seite der Kaiser-Wilhelm-Straße, am heutigen Verwaltungssitz der Stadt Bocholt (ehemals Siemens) und schaut auf den 15 Meter von der Straße entfernten Güterschuppen. Zwei Schienenstränge führen an der Abfertigung vorbei, deren Gebäude im Ganzen 205 Meter lang war. Hinter der Baumgruppe rechts erkennt man das Dach der Fildekenschule. Im Vordergrund ist der Zaun durch ein Eisentor unterbrochen, das von der Straße aus den Zugang zu den Bahnanlagen ermöglichte.

Die Stadt beharrte in dem Rechtsstreit darauf, dass der Güterschuppen hinsichtlich seiner Zugänglichkeit, seiner Verkehrsbeziehungen und auf Grund der örtlichen Stelle, die er auf dem Grundstück einnahm, als an der Kaiser-Wilhelm-Straße liegend anzusehen war. Der IV. Senat des Oberverwaltungsgerichts in Berlin-Charlottenburg gab der städtischen Behörde 1931 schließlich Recht, und die Bahn musste die Anliegerkosten inklusive Verzugszinsen an die Stadtkasse entrichten.

Foto (Stadtarchiv Bocholt): Güterschuppen an der Kaiser-Wilhelm-Straße aus dem Jahr 1929

Quelle: Stadt Bocholt

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