Innovativ, glaubwürdig, leidenschaftlich: Bocholt sucht den Super-Bürgermeister (männlich/weiblich/transgender)



Ein Glosse von BERTHOLD BLESENKEMPER

Unglaublich, aber wahr: Sie hat es tatsächlich geschafft! Die allseits beliebte, stets durch Sachkompetenz überzeugende und gänzlich zu Unrecht völlig bedeutungslose Soziale Liste Bocholt hat den Stein der Weisen gefunden. Sie schlägt vor, die Bürgermeisterwahl zu revolutionieren. Statt den Verwaltungschef und Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung nach Peter Nebelos angekündigtem Rückzug 2020 in Direktwahl vom Volk bestimmen zu lassen, wie es die Landesverfassung vorsieht, will der illoquente und höchst integrative Parteichef Rainer Sauer eine Art Casting ins Leben rufen. Unter dem Titel „Bocholt sucht eine/einen Bürgermeisterin/Bürgermeister“ soll zunächst zwölf Monate vor dem Wahltag per Anzeige in überregionalen Tageszeitungen, per Videoclip und mit Hilfe einer Plakataktion nach einer Person mit folgenden Fähigkeiten gesucht werden: mit Leidenschaft dabei sein, Umgang mit Menschen lieben, glaubwürdig sein, Führungskompetenz besitzen, gestalten können, guter Umgang mit Steuergeldern, innovativ sein, Netzwerke knüpfen, Türen öffnen, Wirtschaft beherrschen, verhandeln können.

Falls sich ein ausreichend qualifiziertes und womöglich sogar parteiloses menschliches Wesen finden sollte, läge es nahe, dass sich die Stadtverordneten fraktionsübergreifend auf dieses eine Individuum verständigten, so Sauer weiter. „Das wäre dann sicherlich auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger“, meint der Chef der Sozialen Liste. Ganz offenbar hat er in seinem Gedächtnis gekramt und sich an die glorreichen sozial(istisch)en Zeiten eines Stalin oder Honeckers erinnert, als die Parteien ebenfalls geschlossen einen einzigen Kandidaten aufstellten, um es dem Stimmvieh an der Urne so schmerzfrei wie möglich zu machen. Denn wer keine Wahl hat, hat bekanntlich auch keine Qual. Genial, oder?

Made in Bocholt ist ehrlich gesagt hin und weg. Wir haben spontan unsere hellsten Köpfe zusammengetrommelt und aus Sauers Idee in stundenlangen Sitzungen ein crossmediales Medienformat unter dem vielsagenden Titel „BsdS – Bocholt sucht den Superbürgermeister (männlich/weiblich/transgender)“ entwickelt. Demnach sollten sich alle Bewerberinnen und Bewerber zunächst in einer live auf Facebook übertragenden Vorrunde einer aus den Nebelo-„Opfern“ Klaus Ehling, Helga Grunewald und Heinrich Welsing bestehenden Jury stellen. Die Sieger der von dem TV-erfahrenen Winni Biermann („ick kun wal huelen!“) moderierten Sendungen kämen dann in den Recall und weiter in die Live-Shows. Im Finale schließlich könnte das Publikum ohne jeglichen Urnengang bequem vom Sofa aus per Telefon oder SMS abstimmen (50 Cent pro Anruf, vom Mobiltelefon womöglich teurer, Anrufe aus Rhede, Aalten oder Borken untersagt ). Das hätte zudem den Vorteil, dass 23 der 50 Cent in die Stadtkasse zurückfließen würden.

Ein solches Polit-Format ließe sich bequem auch bundesweit ausrollen. Schon basteln wir an weiteren Votings wie „Germany‘s next Topkanzler (männlich/weiblich/transgender)“ oder das Bundespräsidenten-Casting „The Greis of Germany“. Wir haben schon die entsprechenden Patente angemeldet und Markenzeichen gesichert. Danke Rainer!

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