Stadtgeschichte: Zur Eröffnung des neuen Postamtes 1927



Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges entsprach das bisherige, 1882 auf dem Grund und Boden der einstigen Diepenbrock’schen Besitzung errichtete Postamt in der Osterstraße nicht mehr den Anforderungen des modernen Postverkehrs. Die Unterredungen über einen Neubau zwischen Stadtverwaltung, Oberpostdirektion Münster und Grundstückseignern hatten schon 1920 begonnen, jedoch konnte das Projekt in der Zeit der Inflation angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs noch nicht verwirklicht werden.
Als 1924 bekannt wurde, dass die Postverwaltung ein Gelände an der Hohenstaufenstraße gegenüber dem Bahnhof anzukaufen beabsichtigte, regte sich im Hinblick auf den Standort der Widerspruch in Teilen der Bürgerschaft. Gegenstand der Kritik war vor allem der Weggang der Post aus der Altstadt und die Verlegung an eine dezentralere Stelle.
Schließlich begann man mit den Bauarbeiten im Herbst 1925, die mit der Einweihung der Dienststelle am 5. Februar 1927 ihren Abschluss fanden. Durch das Hauptportal an der Straße „Am Bahnhof“ kommend betraten die Kunden den Schaltervorraum, an dessen Ende sich Schließfachschränke befanden. Dem Publikum standen dort zehn Schalter zur Abwicklung des Brief-, Telegramm- und Paketverkehrs sowie rechts im Schalterraum drei Fernsprechzellen der öffentlichen Sprechstelle zur Verfügung. Im ersten Stockwerk wurden u. a. mehrere Dienstzimmer, die Postamts-Hauptkasse und der Briefträgersaal mit Briefabfertigung eingerichtet. Der Postdirektor erhielt im obersten Geschoss seine Dienstwohnung.
Bei der Übergabe des neuen Postgebäudes stellten sich die geladenen Gäste mit Stolz und Selbstbewusstsein dem Fotografen. Auf der untersten Stufe stehend erkennt man rechts den Fabrikanten Dr. Josef Schwartz. In einer schräg nach links oben verlaufenden Linie positionieren sich Gymnasialdirektor Peter Broichmann, Zweiter Bürgermeister und Stadtbaumeister Wilhelm Brockhoff und der Fabrikant Ludwig Beckmann. Vorne neben Dr. Schwartz steht Oberbürgermeister Dr. Otto Schmitz, und als sechster von rechts reiht sich Gewerkschaftssekretär Gustav Krüger zwischen den Beteiligten ein. Zu den weiteren Gästen zählten u. a. der Beigeordnete Dr. Josef Kaut, Amtsdirektor Bernhard Blume vom Amt Liedern-Werth und der Bocholter Postdirektor Bernhard Lensing.
Die auf Anregung der Stadtverwaltung von unbekannter Künstlerhand geschaffenen vier 1,70 Meter großen allegorischen Sandsteinfiguren sind erst zwei Monate nach der Eröffnung des Postamtes über dem monumentalen Muschelkalkportal angebracht worden. Sie bilden den Abschluss der vier Pfeiler und symbolisieren verschiedene Wirtschaftszweige, und zwar den Postverkehr, den Handel, die Textil- und die Eisenindustrie.
Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

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