MIT KOMMENTAR: Bocholter Handel fordert erneute Gutscheinaktion



 

Die Verlängerung des „Lockdowns“ ist aus Sicht der Werbe- und Straßengemeinschaften der Bocholter Innenstadt „eine Katastrophe“. Viele private Handelsunternehmen kämpften aufgrund des weggefallenen Weihnachtsgeschäftes und aufgrund von vollen Lägern um ihre Existenz, heißt es jetzt in einem gemeinsamen Brief an Bürgermeister Thomas Kerkhoff.

„Die derzeit bestehenden Maßnahmen der temporären Geschäftsschließungen der Bundesregierung und der Länderchefs werden in naher Zukunft zu Insolvenzen, dauerhaften Schließungen und zu einer Verödung der Innenstädte führen – auch in Bocholt. Die schwierigen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Onlinehandel werden durch Corona beschleunigt. Ohne den stationären (Fach-)einzelhandel wird die Bocholter Innenstadt verwaisen und somit ein Stück unserer Kultur verloren gehen, Arbeitsplätze werden wegbrechen, der Online-Handel wird boomen (letzterer ist ein großer Profiteur aus der gesamten Krise).“, meinen Mechtild Hoffs, Maren Weitauer, Martina Unterberg, Matthias Funke, Dirk Schönicke und Reinhold Kampshoff. Sie plädieren dafür, dass eine verbindliche politische Zusicherung gegeben wird, um die Unternehmen, die in Folge der Schließungen in diesem zweiten “harten Lockdown” in ihrer Existenz bedroht sind, durch entsprechende Unterstützungen/ Entschädigungen/ Hilfen abzusichern.

„Für den Bocholter Einzelhandel wäre – neben bundes- und landesweiten Hilfen – eine erneute kommunale Gutscheinaktion mit finanzieller Bezuschussung durch die Stadt Bocholt nach dem Ende der Lockdown-Phase eine aus unserer Sicht dringend überlegenswerte, äußerst wichtige Maßnahme“, heißt es in dem Schreiben weiter.

KOMMENTAR

Von BERTHOLD BLESENKEMPER

Ja, der Lockdown trifft den Bocholter Handel (und nicht nur den) extrem hart. Die Stadt täte gut daran ihm zu helfen. Aber jammern allein hilft leider nichts. Es war doch klar, dass die Onlinekonkurrenz von der Situation massiv profitieren würde. Warum haben Werbegemeinschaft und Stadtmarketing dem bis heute immer noch nichts entgegengesetzt? In Bad Honnef und anderen Städten haben die Verantwortlichen gehandelt. In Bocholt hat man stattdessen eine bessere Online-Telefonliste veröffentlicht und die Kundinnen und Kunden aufgefordert, sich mühsam durchzuwühlen, sich dann beim Händlern der Vertrauens fernmündlich nach Ware zu erkundigen und zu bestellen sowie die Ware teilweise noch persönlich abzuholen. Und das nennen sie dann auch noch hochtrabend „smarter handeln“.

Der Kunde hat in der Zwischenzeit längst per One-Click-Option bei Amazon bestellt und sich das Gewünschte bequem und schnell nach Hause liefern lassen. Denn der Kunde ist nun mal König. Und entsprechend will er behandelt werden – auch und vor allem online.

Was also sollte die Stadt tun? Dauernde Subventionen sind meines Erachtens keine Lösung. Die müssen vom Staat kommen. Die Stadt sollte lieber Geld in die Hand nehmen und in digitale Infrastruktur investieren. Andernfalls kann sie spätestens im Sommer, wenn die Corona-Nachwirkungen erst so richtig durchschlagen, die nächste Million in die Hand nehmen. Es gilt: Hilft dir selbst, sonst hilft dir keiner. Die Stadt könnte und sollte dabei Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Für die gibt es im übrigen sogar bis zu 75 Prozent Zuschüsse der Staates…

  1. Seit mehreren Jahren wird um eine gemeinsame Onlinestrategie gerungen. Leider sind nur Insellösungen entstanden. Die Verantwortlichen der Werbegemeinschaft haben alles unterlassen, um ein Onlinekonzept für den Bocholter Handel zu entwickeln oder zu unterstützen. Wer nicht will – der hat schon! Die Innenstadt wird sich verändern, weil der Handel nicht mitmacht. Enttäuscht sind nicht nur bisherige Förderer und Unterstützer, sondern vor allem die Kunden. Diese wünschen sich zum stationären Einkauf auch die Möglichkeit, online zu bestellen und eine Lieferung bis zur Haustür. Wer das nicht erfüllt, wird verlieren und AMAZON und Co. freuen sich.

  2. „In Bad Honnef und anderen Städten haben die Verantwortlichen gehandelt.“

    Ist das Realsatire oder was? Gucken Sie sich doch mal die Online-Plattform von Bad Honnef an. Das Angebot dort ist doch ein Witz. Die Seite sieht nur schick aus, hat aber Null-Substanz. Im Non-Food-Bereich gerade mal 4 Händler, die überhaupt Produkte über die Plattform zum Kauf anbietet. Das Produktangebot ist dabei „sehr übersichtlich“. Die meisten Händler sind da nur als digitale Visitenkarte (bessere Telefonliste) vertreten. Das soll ein nachahmenwertes Beispiel für Bocholt sein?

    • Made in Bocholt says:

      Es geht uns hier um den systemischen Ansatz und die mehrfach ausgezeichnete Konzeptidee mit dem angegeliederten Lieferservice und so weiter. Wenn die Einzelhändler allerdings nicht mitmachen, ist das ein tatsächlich Problem. Und das haben momemtan alle Anbieter solcher Lösungen. Ein Großteil des Handels will sich einfach nicht digitalisieren.

      • Wie im Fußbball gilt auch hier: Entscheidend ist auffem Platz. Und es gibt keine einzige lokale Plattform in Deutschland, die funktioniert. KEINE EINZIGE.

        Anderes Beispiel, welches aufzeigt, wie absurd das ganze Thema ist:

        https://www.mainpost.de/regional/main-spessart/was-der-online-marktplatz-haendler-aus-lohr-und-karlstadt-bringt-art-10500638?

        Der Artikel liest sich sogar recht positiv, woran man aber nur erkennt, wie naiv die Beteiligten an das Thema rangegangen sind.

        Der entlarvende Passus ist: „Laut Sebastian Tröster (…), sind im Mainlokalshop aktuell 112 Einzelhändler mit zusammen 3500 Produkten vertreten. Sie erzielten seinen Worten nach seit Ende März einen Gesamtumsatz von 45 000 Euro, der auf 1900 Bestellungen zurückgehe.“

        In 6 Monaten (Der Artikel ist vom 23.9.20) wurden von 112 Händlern 45.000 € Umsatz gemacht. D.h. jeder beteiligte Händler hat pro Monat im Schnitt 60 € Umsatz gemacht.

        • Made in Bocholt says:

          Ja, entscheidend ist auf dem Platz. Das Problem aber sind die nur halbherzig oder gar widerwillig digital agierenden Händler selbst. Wenn 112 Händler einer Stadt „sage und schreibe“ 3500 Produkte einpflegen, dann ist das so, als würde ein Fußballer nur seinen linken Schuh auf den Platz stellen und meinen, das würde zum Sieg schon reichen. Jeder gut sortierte Haushalstwarenladen hat mehr als 10.000 Produkte, Schuhläden nicht selten 20.000 Produkte im Sortiment – von lokalen Baumärkten und Supermärkten ganz zu schweigen. Zusammengezählt müssten in einer Stadt also Millionen kaufbarer Produkte zusammenkommen. Wenn auf dem Bocholter Wochenmarkt jeder Händler nur eine Handvoll Produkte im Portfolio hätte, wäre der Markt auch innerhalb weniger Wochen tot.

          • Ich bin selber Online-Händler und kann deshalb sehr gut abschätzen, welcher Aufwand betrieben werden muss um ein Produkt Online zu bekommen:

            – Bilder machen
            – Artikelbeschreibung schreiben
            – Produktattribute (Marke, Maße, Gewicht, Materialien etc.) einpflegen.
            – Kategorisierung
            – Suchbegriffe
            – etc. pp.

            Ich brauch pro Produkt rund 20 Minuten, und das nur weil ich sehr gut organisiert bin (eigenes, für meine Produkte optimiertes Fotostudio, ausgeklügelte Warenwirtschaft inkl. Produkt-Informations-System)

            Jetzt nehmen wir mal Ihren Haushaltswarenladen mit 10.000 Produkten = 3300 Stunden = 400 Mann-Tage Investition in die Produktanlage – 2 Mitarbeiter wären somit ein Jahr damit beschäftigt, die 10.000 Artikel online zu bekommen. Das wäre für den Haushaltswarenladen, überhaupt nicht leistbar und wird sich auch für einen doch relativ überschaubaren Markt von vielleicht 100.000 Einwohner auch gar nicht rechnen.

            Wie man das bei 20.000 Paar Schuhen leisten will, kann ich mir angesichts der dann halbjährlich wechselnden Kollektionen überhaupt nicht vorstellen. Das kann sich nur rechnen, wenn man Zalando heißt und das ganze entsprechend skalieren kann. Für den lokalen inhabergeführten Schuhladen ist das nicht leistbar.

            Baumärkte und Supermärkte wird man in so ein lokalen Online-Marktplatz überhaupt nicht einbinden können. Die haben oben drüber Zentralen, die eigene Online-Konzepte verfolgen und die sich nicht mit solchen lokalen Kleinklämereien verzetteln werden.

  3. Um beim Fußballbeispiel des Herrn W. zu bleiben: Wenn gegen Bayern München (oder andere Spitzenmannschaften) niemand mehr antritt, ist auch damit die „Entscheidung auffem Platz“ gefallen. Oder: Wenn Tesla zu lange arrogant-satt, schläfrig-blinzelnd nur beobachtet wird, ist das Aufwachen umso brutaler. Wenn AMAZON als Geschäftsmodell ausschließlich bewundert, von Kunden genutzt und nicht als Herausforderung begriffen wird, dagegen anzutreten: Adieu Einzelhandel, willkommen öde Innenstädte. Anstatt immer wieder Beispiele zu suchen, wo etwas (noch) nicht geklappt hat, könnten kreative Lösungen gesucht werden; ausdrücklich mit Trial & Error!
    Bis heute waren in Bocholt Stadtverwaltung, – Marketing, -rat, Werbegemeinschaft, Einzelhandelsvereinigung dazu nicht in der Lage.
    Vielleicht könnte -wie schon in vielen anderen Städten und Ländern- ein unabhängiger „Bürgerrat“ helfen. Statt Probleme und Hindernisse zu diskutieren könnte er in die Lage versetzt werden, für anstehende gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen kreative Lösungen zu erarbeiten. Voraussetzung dazu wäre natürlich Offenheit der Bürgervertreter, der Verwaltung und der Wirtschaft für Veränderung.

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