Jäger besorgt über rückläufigen Wildbestand

Hasen sterben massenhaft. Jan Naaldenberg aus Kotten zeigt ein Foto eines toten Rehs auf seinem Handy, neben Bildern eines ausgehungerten Hasen mit vorstehenden Augen. Zum dritten Mal in einer Woche hat derselbe Radfahrer ein totes Reh am Rand eines Maisfeldes gemeldet.
Nach den Beobachtungen von Naaldenberg könnte es sich auch um Blauzungenkrankheit handeln. Unter den Jägern wird das laufende Jahr als besonders katastrophal wahrgenommen. Das neue Jagdjahr hat gerade begonnen, doch die Hasen sind kaum noch zu finden. Eine Variante des Myxomatose-Virus, die zuvor nur bei Kaninchen bekannt war, hat nun auch die Hasenpopulation betroffen. Die Hasenpest war bereits zuvor schwer zu kontrollieren, und auf der deutschen Seite der Grenze hat sich die Hasenzahl um bis zu 80 Prozent verringert.
Deshalb schlussfolgert Naaldenberg: „Deshalb solltest du nicht auf sie schießen. Ein verantwortungsbewusster Jäger kennt sein Revier; das ist Teil seiner jahreszeitlichen Verpflichtungen.“ Die Vorstellung, dass Jäger nur mit einem Gewehr herumlaufen, um zum Spaß zu schießen, ist völlig falsch. „Man ist Naturschützer, Schadenausgleicher und Ansprechpartner für Landwirte, Forstwirte, Anwohner und Touristen.“
Wenn Landwirte im Frühling das junge Gras mähen, wissen wir, dass möglicherweise junge Rehe im hohen Gras liegen. Dann kümmern wir uns darum, sie zu entfernen. Zudem informieren wir die Landwirte über die Bedeutung von Gehölzsäumen als Schutz für Wildtiere. Bei Problemen mit Krähen auf auflaufender Maisfläche versuchen wir, diese zu vertreiben; das gilt ebenso für Wildgänse und Tauben. Zunächst setzen wir auf Abschreckung – das geschieht mehrfach – und erst als letztes Mittel setzen wir das Gewehr ein. So bleibt die Tierpopulation insgesamt jünger und gesünder, um besser gegen die Viren gewappnet zu sein, die aktuell gravierenden Einfluss auf die Wildbestände haben“, erklärt Naaldenberg, der mit Erlaubnis der Grundstückseigentümer für das Gebiet zuständig ist. Darüber hinaus bekämpfen Jäger auch Schäden: Bei einer Überpopulation von Rehen steigt die Gefahr von Verkehrsunfällen, weshalb Jäger zur Wiederherstellung des Gleichgewichts eingesetzt werden.
Naaldenberg äußert besorgte Gedanken über die stark zurückgehenden Bestände. „Die Natur kämpft mit Plagen, die früher nicht existierten“, berichtet er. So unternimmt er fast täglich Rundgänge, sei es offizielle Kontrollen in den Feldern und Wäldern oder heute in einem Gebiet, in dem Buchweizensamen reif ist. Ein Hase springt auf und ein Fasan ruft, während ein Turmfalke über ihm kreist. „Auf dieser Seite der alten Bahnlinie scheint mit den Hasen nicht viel los zu sein, aber auf der anderen Seite fallen sie in großer Zahl um. Sie taumeln und stürzen um.“ Den Rehen mangelt es an Vitalität: „Man könnte sie fast streicheln, und das ist natürlich nicht gesund.“ Die Krankheiten breiten sich lokal aus. Auf der anderen Seite der Borkenser Bahnlinie gibt es feuchte Gebiete mit mehr Mücken, die die Virusträger sind, so Naaldenberg.
Der Jäger aus Kotten empfindet eine tiefe Ohnmacht. „Es gibt nichts, was du tun kannst. Menschen kannst du warnen: Halte Abstand und meide Versammlungen, bis ein Corona-Impfstoff vorhanden ist“, erinnert er sich. „Aber zu Gänsen kannst du nicht sagen: ‚Nehmt eine Tablette, bevor ihr die Ostsee wegen der Vogelgrippe überquert.’“ Diese Gedanken lassen ihn auch an die zurückgehenden Bestände der Amseln denken, die durch das Usutu-Virus stark dezimiert wurden, sowie an die Wildschweine. Naaldenberg fürchtet die Afrikanische Schweinepest, die über Touristen eingeschleppt werden könnte.
Das Dutch Wildlife Health Centre in Utrecht ist mit der Untersuchung der verendeten Tiere betraut. Maarten Post vom Zentrum erklärt: „Regelmäßig werden uns tote Tiere gemeldet. Die Anzahl und die Arten variieren, auch in den Grenzgebieten. Wir wählen aus, welche Tiere wir untersuchen, um die Todesursache festzustellen und die verbreiteten Wildkrankheiten zu identifizieren. Wir bewerten ebenso die Gefahren dieser Krankheiten für die öffentliche Gesundheit, Haustiere und die Wildtiere selbst.“ In Deutschland gibt es derzeit einen Ausbruch von Myxomatose, insbesondere durch Mücken verbreitet, berichtet Post. „Eine Impfung von Wildtieren ist leider nicht möglich.“
Naaldenberg ist der Ansicht, dass es fünf bis sechs Jahre dauern wird, bis sich die Wildbestände erholen. Die Hasen waren diesen Frühling gerade auf dem Weg der Besserung, doch die Myxomatose hat fatale Auswirkungen auf ihre Population. „Viren und Blutkrankheiten wie der Leberegel dürfen sich nicht weiter so ausbreiten.“
Quelle: Regio8