Jetzt muss die Justiz Licht ins Dunkel des EWIBO-Skandals bringen



Von BERTHOLD BLESENKEMPER
Eine Mauer des Schweigens durchzieht den Bocholter Rat. Auf der einen Seite stehen die, die als Aufsichtsratsmitglieder der EWIBO alles wissen, aber nichts sagen. Auf der anderen befinden sich all diejenigen Ahnungslosen, die angesichts der seit den staatsanwaltlichen Ermittlungen bei der städtischen Tochter und deren ausgegliederten Vereine stetig durchsickernden Details – wenn auch eher aus Entsetzen – genauso sprachlos sind. Von „unfassbar“ bis „stinksauer“ reichen deren Reaktionen. Jetzt soll die Justiz Licht ins Dunkel bringen, das Politik und Verwaltung nicht aufzuhellen vermögen. Den Anfang macht am Donnerstag das Arbeitsgericht Bocholt. Es verhandelt erstinstanzlich die Klage von Ex-EWIBO-Geschäftsführer Berthold Klein-Schmeink gegen seine Entlassung. Begriffe wie Vertrauensbruch, Verschleierung, Umgehung des Vergaberechts und vieles mehr könnte zur Sprache kommen. Und dabei ist durchaus offen, wie die Sache ausgeht.
Bürgermeister Thomas Kerkhoff und seine Anwälte haben schon im Vorfeld schwere Geschütze aufgefahren. Bei der Auftragsvergabe von Planungsleistungen zum EWIBO-Bauvorhaben am Heutingsweg sollen laut Protokollen der Stadtverordnetenversammlung Vorschriften mittels kreativer Vertragsgestaltung umgangen worden sein. Die Tipps, wie man „vergaberechtlichen Anforderungen verbindlich reduzieren“ könne, stammen allerdings nicht vom geschassten Geschäftsführer selbst, sondern von einem eigens mit der Bewertung der Angelegenheit beauftragten Fachanwalt.

In einem zweiten Fall, der dem Rat in nichtöffentlicher Sitzung als Rechtfertigung präsentiert wurde, entsteht der Eindruck, Klein-Schmeink habe unter Verschleierung seiner eigenen Beteiligung über zwei Ratsmitglieder ein umstrittenes Gutachten in den Rat eingebracht. Diese Expertise stellt die Rechtmäßigkeit der Vergabe des inzwischen zweimal gescheiterte KuBAaI-Projektes „Green Campus“ in Frage. Ein Vertrauensbruch, so der Vorwurf. Das Problem: Alle Beteiligten streiten eine Verquickung vehement ab. Und die vermeintlichen Beweise stammen wohl zum Teil aus privaten E-Mails, deren Beschaffung durchaus umstritten ist.

Im Fokus steht außerdem ein sogenannter Cash-Pool, in dem Geld von der Stadt zur Tochter, von der GmbH wiederum zu den ausgegründeten Tochtervereinen LiA und Jusina, zwischen diesen beiden untereinander sowie von deren Tochtergesellschaft PSA zurück zur EWIBO hin- und hergeflossen sind. Das alles geschah mit Wissen desjenigen Teiles der Politik und Verwaltung, der eingeweiht war, ja vieles sogar selbst initiiert hatte. Und allein schon das konterkariert die Argumente der städtischen Anwälte, die zuletzt vor dem Arbeitsgericht Bocholt von einer rechtlichen Trennung zwischen der EWIBO und den absichtlich überwiegend von EWIBO-Mitarbeitern geführten Vereinen sprachen und die gar eine „dicke Mauer“ zwischen der beteiligten Gesellschaften und Organisationen konstruieren wollen.

Wie eng die Politik auch ganz persönlich in das System EWIBO eingebunden war und wurde, zeigen die Personalakten der städtischen Tochter. Der inzwischen verstorbene, für SPD und Grüne im Rat aktive Hermann Leiting war dort angestellt. Ebenso der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Mertens und CDU-Parteichef Lukas Kwiatkowski.

„Vom Rat ist wohl keine Aufklärung zu erwarten“, kommentiert ein Stadtverordneter, der öffentlich nicht genannt werden möchte. Seine Begründung: Zu oft seien Kritiker des Systems EWIBO in der Vergangenheit an den Pranger gestellt worden. So hoffen viele inzwischen, dass die Staatsanwaltschaft endlich zu einem Ergebnis kommt und einen oder mehrere Beschuldigte wegen Untreue womöglich sogar wegen Korruption anklagt. Ob das allerdings der Politik Entlastung verschaffen wird, bezweifeln viele.

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