Kämmerer warnt vor Verdreifachung der Pensionszahlungen



Haushaltsrede des Stadtkämmerers Kai Elsweier zur Einbringung des Haushaltes 2019 in die Stadtverordnetenversammlung im Wortlaut

Meine Damen und Herren,

lassen Sie sich mitnehmen auf eine kleine Reise durch unseren Haushaltsentwurf 2019. Erfahren Sie einige Daten, einige Hintergründe, einige Intentionen… erkennen Sie Chancen, aber auch Risiken. Im Anschluss erhalten Sie von uns dieses Exemplar. Es enthält den Vorbericht und damit komprimiert die wichtigsten Informationen. Der komplette Haushalt steht Ihnen später über den Sitzungsdienst und über das Internet zum Download zur Verfügung.

Der Haushaltsplan ist Grundlage, er ist zentrales Instrument der städtischen Haushaltswirtschaft. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Fachbereich Finanzen, die in den letzten Wochen und Monaten in intensiver Arbeit die notwendigen Grundlagen zusammengetragen und dieses Werk erstellt haben. Ich danke auch den Leitungen der Fachbereiche und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr hohes Maß an Kooperation.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren! Was ist Zuversicht? Zuversicht ist das feste Vertrauen auf eine positive Entwicklung in der Zukunft. Was ist Mut? Mut ist die Fähigkeit, etwas zu tun, was man für richtig hält, auch wenn es möglicherweise Nachteile hat. Sie werden sich vielleicht fragen, was das mit dem Haushalt zu tun haben könnte. Nun, der Haushaltsentwurf, den wir Ihnen heute vorlegen werden, ist gekennzeichnet von Zuversicht und Mut. Er beinhaltet die Zuversicht auf eine anhaltend gute Konjunktur und allgemeine Wirtschaftslage, er beinhaltet die Zuversicht auf eine weiterhin stringente und mit Augenmaß geführte Budgetbewirtschaftung, er beinhaltet die Zuversicht auf den Willen eines gemeinschaftlichen Handelns von Politik, Verwaltung und Bürgerschaft für die Zukunft unserer Stadt und er beinhaltet den Mut, mit progressiven Einnahme- und mit vorsichtigen Ausgabeansätzen in das Haushaltsjahr 2019 zu gehen. Der Haushaltsentwurf 2019 hat ein Ertragsvolumen von insgesamt 199,6 Mio. €. Hiervon entfallen allein auf die Gewerbesteuer 51 Mio. € und auf die Einkommensteueranteile 35,7 Mio. €. In der Summe sind dies 43 % unserer Gesamteinnahmen. Bei der Gewerbesteuer sind wir ganz bewusst mit diesem sehr ambitionierten Ansatz ins Rennen gegangen. Die Konjunktur in Deutschland läuft auf Hochtouren und die Einnahmen aller staatlichen Ebenen sind auf Rekordniveau. Die Entwicklung der Steuerkraft in Bocholt war im letzten Jahr im Landesvergleich überdurchschnittlich. Es zeigt sich hier die Leistungsfähigkeit und die Stärke der Bocholter Wirtschaftsunternehmen – und es zeigt sich  ebenso, dass Bocholt auch in den nächsten Jahren intensiv die Karte als starker Wirtschaftsstandort in der Region spielen muss.

In Bezug auf die Einkommensteueranteile spielt auch eine hohe Attraktivität als Wohnstandort im Bereich der Mittelschicht eine Schlüsselrolle. Eine angemessene Wohnqualität, das Vorhandensein von bezahlbarem Wohnraum und eine attraktive Innenstadt mit hoher Aufenthaltsqualität sind Anziehungspunkte. Im Hinblick auf die Herausforderung des zunehmenden Fachkräftemangels wirkt ein attraktiver Wohnstandort wiederum auf die Wirtschaft, und im Hinblick auf eine lebendige Stadt wirkt er auf Bocholt selbst. Im Aufwandsvolumen des Haushaltes sind rd. 199,4 Mio. € abzubilden. Der Gesamtpersonalaufwand schlägt dabei mit 45,5 Mio. € und die Kreisumlage mit 26,7 Mio. € zu Buche; zusammen also rund ein Drittel der Aufwendungen allein durch diese zwei Positionen. Beim Personalaufwand ist zu berücksichtigen, dass weitere Kosten indirekt über Verrechnungen mit dem ESB und die GWB in den Haushalt einfließen. Seit 2014 beläuft sich der Personalzuwachs verwaltungsweit auf rd. 47 Stellen, die Aufwendungen sind von 41 Mio. € auf geplant 45,5 Mio. € gestiegen.

Eine angemessene Personalausstattung ist wichtig und für eine umfassende Aufgabenerfüllung erforderlich, allerdings sollte auch hier eine Langfristbetrachtung vorgenommen werden. Personalmehrungen binden auf einen sehr langen Zeitraum finanzielle Ressourcen und engen Handlungsspielräume ein, daher sollte unbedingt in jedem Einzelfall die organisatorische Unabdingbarkeit, auch unter Abwägung von Alternativen, geprüft werden. Wo wir gerade beim Thema Personalkosten sind, möchte ich die Gelegenheit nutzen und auf eins der wesentlichen Haushaltsrisiken eingehen. Wir haben derzeit rd. 113 Mio. € für zukünftige Pensions- und Beihilferückstellungen bilanziert. Hieraus werden sich zukünftig erhebliche Zahlungsverpflichtungen für die laufenden Haushalte ergeben. Um diesen Zahlungsverpflichtungen etwas entgegenzutreten, haben wir seit 2010 mit der Ansammlung eines Pensionsfonds begonnen, dieser hat derzeit einen Bestand von rd. 18,5 Mio. €. Nach aktuellsten Berechnungen werden sich die Pensionsauszahlungen in den nächsten 30 Jahren von rd. 4 auf dann 12 Mio. € jährlich verdreifachen, während die Aufwendungen sich im gleichen Zeitraum ‚nur‘ verdoppeln werden. Im Umkehrschluss heißt dies aber nichts anderes, als dass die Zahlungen dann aus der vorhandenen Substanz geleistet werden müssen. Auch in der Rückbetrachtung kann diese Aussage belegt werden – seit 2009 bleibt die Summe aller Personalauszahlungen einschließlich Pensionsfonds um 15 Mio. € hinter den Personalaufwendungen zurück. Dies sind Mittel, die zukünftig noch benötigt werden und die wir heute insbesondere im Kassenbestand sehen, insofern ist hier eine weitere Vorsorge dringend erforderlich, um nicht auf Kosten der Substanz und der folgenden Generation zu leben.

Meine Damen und Herren, der aktuelle Haushaltsentwurf schließt mit einer schwarzen Null, einem Überschuss von rd. 300 Tsd. € ab. Wir wollten bei allen damit verbundenen Unsicherheiten ein positives Zeichen setzen. Und wir sind uns bewusst, dass wir die Entwicklung in den Budgets und der wesentlichen Steuerpositionen in den nächsten Monaten sehr eng beobachten müssen. Ein Blick auf den Finanzplanungszeitraum zeigt dort Überschüsse in relevanter Größenordnung. Neben den schon angesprochenen Effekten bei der Einkommensteuer liegt dies im Wesentlichen an dem Auslaufen der Umlagen für den Fonds Deutsche Einheit. Seit Einführung im Jahre 1991 hat Bocholt netto rd. 55 Mio. € über erhöhte Gewerbesteuerumlagen zur Finanzierung dieses Fonds geleistet. Jeglichen Gedanken einer Neuauflage erhöhter Gewerbesteuerumlagen ist schon im Keim mit Vehemenz entgegenzutreten, da die Mittel zum Erhalt der eigenen Infrastruktur dringend benötigt werden. Ich möchte Sie daher bitten, auf allen politischen Ebenen sensibilisiert zu sein und mit Ihren Vertretern dort entsprechend zu agieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, über den vorgelegten Haushaltsentwurf werden in den kommenden Jahren allein im Kernhaushalt fast 74 Mio. € für Investitionen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus sind Weiterleitungsdarlehen von über 30 Mio. € für Investitionen der EWIBO vorgesehen. Weitere Investitionen in zweistelliger Millionengröße werden durch ESB und GWB getätigt, deren Wirtschaftspläne derzeit noch erstellt werden. Maßnahmen wie das Projekt KuBAaI mit 6,4 Mio. €, das integrierte Handlungskonzept Fildeken-Rosenberg mit 3,9 Mio. €, die Erweiterung des IP Mussum mit 6 Mio. € und der Breitbandausbau in den Außenbereichen mit 16,7 Mio. € sind exemplarisch zu nennen. Das alles darf die Augen jedoch nicht davor verschließen, dass in den nächsten Jahren noch eine große Anzahl weiterer Investitionsmaßnahmen zur Entscheidung ansteht, die sich in der Summe nach derzeitiger Kenntnis etwa auf mindestens 100 Mio. € beziffern; angefangen von der umfassenden Rathaussanierung über den Nordring und Baumaßnahmen im Schulbereich bis hin zur Trauerhalle des Friedhofes. All diese Maßnahmen sind unter Einhaltung des derzeitigen Schuldendeckels nicht finanzierbar.

Bereits in der Vorlage zum Grundsatzbeschluss „Rathaussanierung“ hatte ich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Maßnahme innerhalb des bestehenden Schuldendeckels nicht darstellbar ist. Trotz Ausnutzung aller Möglichkeiten können 25 Mio. € aus dem derzeit absehbaren Investitionsvolumen nicht veranschlagt werden. Will man das Gesamtprojekt nicht gefährden, muss in absehbarer Zeit die Gesamtfinanzierung sichergestellt werden. Ist ein Konsens in diesem Punkt nicht zu erzielen, und damit im Ergebnis die Finanzierung nicht gesichert, wäre die Fortführung der Maßnahme meines Erachtens nicht verantwortbar.

Meine Damen und Herren, der Schuldendeckel ist ein Steuerungs- und Hilfsinstrument des Rates. In der ein oder anderen Ausprägung besteht er schon seit Anfang der 2000er und ich denke es besteht Konsens, dass es auch zukünftig ein wirksames Instrument zur Schuldensteuerung geben soll, welches insbesondere die Leistungsfähigkeit des Haushaltes berücksichtigt.  Als Steuerungsinstrument des Rates und als Leitplanke für die Verwaltung kann der Schuldendeckel helfen, die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt zu erhalten, denn Investitionen können durch Schuldendienst und Bewirtschaftungskosten die folgenden Haushalte erheblich belasten. Richtig ist, dass durch Investitionen Werte geschaffen werden; aber geschaffene Werte müssen unterhalten und erhalten werden und verursachen entsprechenden Aufwand. Insofern greift diese Argumentation viel zu kurz. Auch die Möglichkeit einer sich verschlechternden Haushaltslage ist zu berücksichtigen – eine dauernd steigende Konjunktur wird es nicht geben. Daher sind Prioritätensetzungen von wesentlicher Bedeutung – die Entscheidung dazu, eine Maßnahme umzusetzen, aber auch die Entscheidung dazu, die ein oder andere Maßnahme anders, später oder gar nicht zu machen. Bei der Prioritätensetzung sollten Nachhaltigkeit, Wirksamkeit für den Standort Bocholt und Folgekosten eine zentrale Rolle spielen.

Ein angemessener Schuldendeckel und vorausschauende Prioritätensetzungen sollten sich sinnvoll ergänzen. Ein Schuldendeckel, der die zukunftsfähige Entwicklung der Stadt durch breit getragene Investitionen verhindert – und damit meine ich durchaus breit getragen in Politik und Bevölkerung – ist ungeeignet.  Im August hat Bocholt sich für die dritte Phase des Wettbewerbs Zukunftsstadt 2030+ beworben. Den örtlichen Schwerpunkt haben wir dabei auf den Bereich Altstadt mit Ravardiviertel gelegt. Hier gibt es einige zentrale Anknüpfungspunkte an die beiden vorangegangenen Phasen und besondere thematische Herausforderungen. Wichtig ist dabei, dass Zukunftsstadt ausdrücklich nicht in Konkurrenz zu bereits laufenden Prozessen wie z. B. Flächenmanagement stehen soll, sondern sinnvoll ergänzend wirkt. Auf die Bedeutung der Innenstadt für den Standort Bocholt bin ich vorhin bereits kurz eingegangen.

Thematisch liegt ein Schwerpunkt im wissenschaftlichen Teil in der Governance und Partizipation. Hier geht es zentral um eine wirksame und neue Kommunikation zwischen Politik/Verwaltung, Bürgerschaft und Unternehmen. Die positiven Erfahrungen aus den Planungszellen und Zukunftsräten sollen weitergeführt und ein Zukunftsbüro als operative Einheit zur Umsetzung und Koordination von Aktivitäten unterschiedlicher Akteure aufgebaut werden. An dieser Stelle nochmal ganz deutlich: Es geht hier ausschließlich um informelle Beteiligungsprozesse. Das zweite Standbein der dritten Phase steht unter den Schlagworten Sichtbarkeit und Wirksamkeit. Zukunftsstadt III soll sich nicht auf die reine Partizipation und Ideensammlung beschränken, sondern soll durch Umsetzung Ergebnisse in der Stadt erlebbar und sichtbar machen. Wollen wir Zukunftsstadt als Chance für Bocholt begreifen und nutzen, kommt es entscheidend darauf an, dass alle beteiligten Akteure hier konstruktiv, offen und zielorientiert zusammenarbeiten. Der Bürgermeister, meine Damen und Herren, hat sich klar zu dem Prozess bekannt und unter anderem bei der Übergabe des Bürgergutachtens im März klargemacht, dass Bocholt den eingeschlagenen Weg der Partizipation weitergehen will.

Wir erwarten in den nächsten Wochen die Entscheidung darüber, ob Bocholt als eine von voraussichtlich 8 verbliebenen Städten weiterhin am Wettbewerb Zukunftsstadt teilnehmen kann. Sobald ich hierzu Neuigkeiten habe, werde ich Sie gerne unterrichten, und selbstverständlich führen wir auch die politische Begleitgruppe fort. Meine sehr geehrten Damen und Herren, positive Bilanzkennzahlen, eine gute Konjunktur und damit Steuererträge auf Rekordniveau, positive Haushaltszahlen im Finanzplanungszeitraum, eine optimistische Grundstimmung und die Identifikation von Bürgern und Unternehmen mit unserer Stadt – das sind wesentliche Chancen. Steigende Aufwendungen, die Ungewissheit, wie lange die Konjunktur noch in dem Maße hält, der Liquiditätsbedarf der Pensionslasten und erhebliche Investitionsbedarfe – das sind wesentliche Risiken. In diesem Umfeld haben wir den Haushaltsentwurf 2019 aufgestellt. Er beinhaltet in der Aufstellung Zuversicht und Mut gleichermaßen. Und es wird bei Beschlussfassung und Ausführung Zuversicht und Mut dazugehören – auch um Prioritäten zu setzen und vielleicht dann unliebsame Entscheidungen zu treffen, oder auch ‚Nein‘ zu sagen, selbst wenn es an der ein oder anderen Stelle einmal weh tut. Der französische Schriftsteller Victor Hugo sagte: „Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.“

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