Keine „Reißleine“ und kein Bürgerentscheid: Mehrheit der Politik sieht zur Rathaussanierung keine Alternative



Von BERTHOLD BLESENKEMPER

Das Rathaus am Berliner Platz wird millionenschwer saniert. Das scheint nach einer Umfrage von Made in Bocholt bei den Fraktionen im Rat beschlossene Sache zu sein. Von alternativen Plänen, Aufhebung des Denkmalschutzes, von einer Ausgaben-„Reißleine“ oder gar einem Bürgentscheid, wie sie noch vor einem Jahr im Rahmen des Kommunalwahlkampfes vielfach propagiert wurden, ist kaum noch die Rede. Die Politik sieht mehrheitlich keine andere Möglichkeit mehr und will Anfang September, eine Woche nach Vorstellung der tatsächlichen Kostenpläne, eine endgültige Entscheidung treffen. Dabei wird die Stadtverordnetenversammlung aller Voraussicht nach die Wahl zwischen einer großen Sanierungslösung (mit Aufstockung und Multifunktionsaal) oder einer kleineren Variante ohne Extras haben.

Schon jetzt liegen die Kosten bei 56,27 Millionen Euro. Darin ist der größte Batzen, die Technische Gebäudeausstattung, allerdings noch nicht mit eingerechnet.  Thomas Kerkhoff, der noch im Juli 2020 gegenüber dem BBV gesagt hatte, „für Kosten über 50 Millionen Euro darf eine Sanierung nicht erfolgen“ ist inzwischen anderer Meinung. Auch auf einen Bürgerentscheid, dem viele Politiker zunächst offen gegenüber gestanden hatten, soll mangels Auswahlmöglichkeiten für die Wählerinnen und Wähler verzichtet werden. Einzig die Soziale Liste macht sich dafür noch stark.

Nachfolgend unsere Fragen und die Antworten des Bürgermeisters und einiger Fraktionen:

Frage 1. Gibt es für Sie zum jetzigen Zeitpunkt noch Alternativen zu einer Rathaussanierung?

In der Sitzung des Rates im Januar wurden mehrere Varianten vorgestellt und in ihrer Kostenentwicklung gegenübergestellt. Daneben wurden Varianten zur Prüfung beauftragt. Daran hat sich nichts geändert.

Zur Sanierung des Rathauses gibt es nach der letzten Präsentation der Kostenschätzung im Rat nach meiner Einschätzung keine sinnvolle Alternative. Gerade die immer wieder diskutierten Varianten „Neubau“ oder „Umzug in die alte Stadtsparkasse“ wurden als nicht realistisch widerlegt. Wichtig ist für die CDU, dass wir nicht das Rathaus alleine sondern das Rathaus mit Kulturzentrum betrachten. Diverse Sanierungsvarianten befinden sich in der Prüfung. Vor allem war es der CDU-Fraktion wichtig, die Kosten für einen möglichen Ankauf von Gigaset Ankauf nebst anfallender Sanierungskosten in Relation zur Aufstockung und Mietkosten externer Liegenschaften zu setzen. Siehe hierzu auch unseren Prüfantrag vom 16.02.21 aus der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 17.02.21.

Der SPD-Fraktion ist wichtig, dass NICHT mehr nur von einer „Rathaus-Sanierung“ gesprochen wird. Es geht um mehr! Es geht um den Verwaltungssitz unsere Stadt mit Forumscharakter, Bühnenhaus und als ein kulturelles Zentrum. Dieses Gebäude hat eine besondere Qualität: Es bringt Bürger:innen und Mitarbeiter:innen der Stadtverwaltung ständig zusammen. Deshalb diskutieren wir nicht allein über die Sanierung eines Verwaltungsbaus für fast 400 Mitarbeiter:innen, sondern über einer Kombination aus Büro- und Sitzungsgebäude mit multifunktionalem Kulturzentrum und vollwertigem Theater sowie einen Bau, der seine Eignung als Bürger:innenforum vielfach unter Beweis gestellt hat. All diese Funktionen vereint das Gebäude unter einem Dach! Das ist gebaute Demokratie! Deshalb steht es unter Denkmalschutz! Alternativen, die alle diese Funktionen vereinen, sind nach soliden Kostenschätzungen deutlich teurer als eine Sanierung des diskutierten Bürger:innenhauses, andere erwiesen sich als nicht machbar. Dennoch ist zu prüfen, was, in welcher Weise zu sanieren ist. Jetzt gilt es, die laufenden Planungen zur technischen Gebäudeausrüstung (TGA) abzuwarten. Liegen diese vor, werden wir entscheiden, ob an der einen oder anderen Stelle noch Planungsmodifikationen vorgenommen werden müssen, um im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Stadt zu bleiben. Mit der SPD ist keine Luxussanierung zu machen. Die Barrierefreiheit ist herzustellen – ein entsprechender Ratsbeschluss liegt vor. Energetisch muss das Haus modernen Standards entsprechen. All dies scheint möglich – darüber freuen wir uns.

Für uns Grüne gibt es keine Alternative zur Rathaussanierung. Nach wie vor steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Damit ist die Stadt Bocholt verpflichtet das Rathausgebäude zu erhalten. Ein Abriss kommt ebenfalls aus dem selben Grund nicht in Frage.

Zur Sanierung des Rathauses incl. Stadttheater gibt es aus unserer Sicht keine Alternative, die die Diskussion versachlichen würde. 

Das jetzige Rathaus ist ein alter Stahlkasten. Wir stehen weiterhin für ein neues, modernes und langlebiges Rathaus. Die dadurch eingesparten Steuer-Millionen kann man besser für sinnvolleres einsetzen. Allein der Denkmalschutz wird mehrere Millionen verschlingen. Dazu vermissen wir das Engagement des Bürgermeisters, der aber bisher nur für die Tieferlegung des Eingangsbereichs und der Aufhebung des Denkmalschutzes in diesem Bereich tätig war. Es geht jedoch um die Aufhebung des Denkmalschutzes insgesamt, womit selbst bei einer Rathaussanierung Millionen an Steuergelder eingespart werden könnten. Auch weigern sich die Verantwortlichen im Rathaus, eine belastbare Kostenrechnung für ein Rathaus-Neubau zu erstellen und vorzulegen. Bisher gab es dazu nur eine Kostenschätzung, die zudem unvollständig ist und nicht die erforderlichen Kriterien für eine belastbare Kostenrechnung erfüllt. Die Befürworter werden natürlich vermeintliche Gründe anführen, die einem Rathaus-Neubau entgegenstehen. Gegen einen Rathaus-Neubau gibt es aber in Wahrheit keine echten und haltbaren Argumente. Mehrere Vorschläge, auch zu Alternativstandorten, haben wir eingebracht. Auch besteht die Chance, ausgegliederte Bereiche wieder zusammenzuführen und so auch Kosten zu sparen. Dies wäre zudem ein Gewinn für alle Bürgerinnen und Bürger, die dann für alle Fragen und Anliegen eine zentrale Anlaufstelle hätten, statt sich immer wieder neu orientieren zu müssen.

 

Frage 2: Zwischen Bekanntgabe des endgültigen Kostenplans und einer Ratsentscheidung sollen sieben Tage liegen. Reicht Ihnen diese Zeit für Beratungen und eine Entscheidungsfindung?

Hierzu sind drei Dinge anzumerken: Dieser Zeitraum ist zum einen mit dem politischen Raum abgestimmt worden; für die Verwaltung wäre auch eine Sitzung in den Sommerferien möglich gewesen. Der politische Raum sah mit Rücksicht auf die Sommerpause kein Problem darin die Sitzungsfolge so festzulegen. Die Stadtverordnetenversammlung ist in keiner Weise gezwungen in der September Sitzung abschließend zu entscheiden. Sie ist Herrin des Verfahrens. Dem Thema grds. eine Sondersitzung zu widmen scheint geboten, damit ausreichend diskutiert werden kann. Es ist kein Problem darin zu erkennen, dass nun mit einer Sitzung mehr das Thema begleitet wird. Eine Präsentation vor den Ferien mit einer Entscheidung wäre ggf. in einer Sitzung erfolgt, insofern steht dem Rat mehr Zeit zur Verfügung, nicht weniger

Die Vorgehensweise war so durch die Verwaltung mit dem Ältestenrat abgestimmt. Gut ist es, dem Thema eine Sondersitzung zu widmen, in der intensiv und breit diskutiert werden kann. Zudem muss in der Ratssitzung im September keine Entscheidung fallen, wenn noch Fragen offen sind. Hier verspüren wir keinen Druck.

Die Diskussion um die Sanierung des Bürger:innenhauses ist nicht neu. Die SPD hat bereits in der Vergangenheit sowohl im Stadtverband als auch in der Fraktion gründlich und intensiv diskutiert, mögliche Varianten sind bekannt, die Dimension der Kosten auch. Der Zeitplan für die fraktionsinternen Beratungen steht.

In der Lenkungsgruppe Rathaussanierung,  aber auch im HFA und der StVV ist immer wieder ausführlich über die Causa Rathaus diskutiert worden. Viele Alternativen wurden beschrieben und auch grob durchgerechnet. Eine belastbare Kostenschätzung liegt dann endlich vor, sodass eine Entscheidung getroffen werden kann und auch muss. Ein weiteres Hinausschieben würde die Sanierung nur noch teurer machen.
Die Frage ist heute schwer zu beantworten. Wir gehen derzeit davon aus, dass zwei Alternativen vorgestellt werden. Bei der einen handelt es sich um die Sanierung des Gebäudes mit Aufstockung – bei der anderen Alternative um eine Sanierung des Ist-Zustandes und Anmietung oder Erwerb einer Erweiterungsfläche. Angesichts der finanziellen Spielräume bevorzugt die FDP unter Abwägung aller Faktoren die langfristig kostengünstigste Lösung. Welche das ist und ob sieben Tage zur Entscheidungsfindung ausreichen, können wir derzeit nicht sagen. Sollten massive Bedenken hinsichtlich der Zahlen vorliegen, werden wir um einen Aufschub bitten müssen.

In einer Sondersitzung des Stadtrates am 23. August will die Stadtverwaltung dem Stadtrat eine endgültige Kostenschätzung zum Millionenprojekt Rathaussanierung vorlegen. In nur einer Woche am 1. September soll der Stadtrat bereits darüber entscheiden. Das geht gar nicht. Denn fast vier Jahre lang haben sich die Verantwortlichen im Rathaus dafür Zeit gelassen, was der Stadtrat nun in nur wenigen Tagen entscheiden soll. Außerdem müssen die Kosten durch externen Sachverstand begutachtet und gegengeprüft werden. Daran darf es nicht scheitern.

Frage 3: Im Vorfeld der Kommunalwahl war oft von einem (Rats-)Bürgerentscheid zum Thema Rathaussanierung die Rede. Sind Sie für einen (Rats-)Bürgerentscheid in dieser Frage oder dagegen?

Die Entscheidung für einen Ratsbürgerentscheid liegt beim Rat. Die für ein Bürgerbegehren bei den Bürgern im Falle einer Ratsentscheidung, die diesen missfällt. Die Entscheidungen gilt es als Verwaltung abzuwarten und ggf. zu begleiten.Die Entscheidung für einen Ratsbürgerentscheid liegt beim Rat. Die für ein Bürgerbegehren bei den Bürgern im Falle einer Ratsentscheidung, die diesen missfällt. Die Entscheidungen gilt es als Verwaltung abzuwarten und ggf. zu begleiten.

Als von den Bürgern gewählte Vertreter, die sich nun über einen langen Zeitraum intensiv mit dem Thema befasst haben, wollen wir in dieser Frage Verantwortung übernehmen und nach intensiver Diskussion entscheiden. Die zu bearbeitenden Themen lassen sich auch nur schwer mit einem einfachen „ja“ oder „nein“ beantworten. Wichtig ist: die Bürgerinnen und Bürger sind in zahlreichen Veranstaltungen und auch unterschiedlichen Foren zum Thema eingebunden gewesen. Die Diskussion wurde immer in der Sache öffentlich geführt. Gerade die sehr zahlreichen Informationen durch Bürgermeister und Stadtbaurat im Januar haben hier noch mal die nötige Transparenz geschaffen.

Für einen Bürger:innenenstscheid braucht es klare Alternativen, diese müssten alle Funktionen, die das Gebäude erfüllt hat und wieder erfüllen soll beinhalten: Forum, Bühnenhaus, Verwaltungsgebäude und Sitzungsort u.a. für die von den Bürger:innen gewählten Gremien). Für all dies ist aus unser Perspektive keine finanzierbare und auf absehbare Zeit realisierbare Variante in Sicht.

Für uns Grüne ist Basisdemokratie immer wichtig. Im Fall der Rathaussanierung – ja oder nein – ist ein Bürgerentscheid unserer Meinung nach nicht möglich. Auch hier steht der Denkmalschutz dem Anliegen entgegen. Leider sind in der Vergangenheit Entscheidungen getroffen worden bzw. nicht getroffen worden, die uns jetzt mehr oder weniger zwingen das Rathaus zu sanieren.
Eine echte Alternative ist für uns Grüne nicht in Sicht.

Wie bereits angemerkt: Die FDP bevorzugt die langfristig kostengünstigste Lösung. Wir sind der festen Überzeugung, dass dies im Interesse des Steuerzahlers ist und sind folglich der Meinung, dass ein Bürgerentscheid, der den Baustart weiter verzögert und darüber hinaus weitere Kosten verursacht, nicht notwendig sein wird.

Eine Bürgerbeteiligung ist für uns ein Muss, denn es soll ja ein Rathaus der Bürgerinnen und Bürger werden. Dann sollte es doch auch selbstverständlich sein, dass der Stadtrat und der Bürgermeister nicht alleine über die Zukunft des Rathauses entscheiden. Schließlich geht es hier um Millionen von Steuergeldern. Jetzt wird es sich zeigen, ob die im Stadtrat vertretenen Parteien wirklich für direkte Demokratie und damit für Bürgerbeteiligung stehen oder ob es nur leere Worthülsen sind. Wir werden dazu einen entsprechenden Antrag in den Stadtrat einbringen.

  1. Dieter Demming says:

    Keine Reißleine und kein Bürgerentscheid

    Ich glaube, daß nicht die Möglichkeit gegeben war hier frei über das „Rathaus“ sprich Sanierung, Abriss, Neubau o.ä. zu entscheiden und schon gar nicht die Bocholter Bürger.

    Denn warum hat wer zugestimmt dieses „Rathaus“ unter Denkmalschutz zu stellen. Es ist doch jetzt schon ca. 4 Jahre her. Was wurde denn in der Zwischenzeit unternommen. So ein Denkmalschutz fällt nicht vom Himmel, behindert doch zumindest irgendwelche Sanierungspläne.

    Außerdem ist das Architekturbüro Böhm momentan an der Sanierung des Bocholter Rathauses beteiligt.
    Wie ich dem Artikel vom 11.6.2021 im BBV entnehme konnte, besitzt das Architektürbüro Böhm auch die „Urheberrechte“ an dem „Rathaus“
    Danach ist doch klar was passieren wird. Da der verstorbene Böhm sen. der die Aufstockung für eine tolle Idee hält, weil sie seiner Sicht nach gut zu den „Proportionen“(schlimmer geht immer) des Baus passt.

    Denkmalschutz und das Architekturbür Böhm bestimmen, was passiert..(zumindest hat das Büro ein gewichtiges Wort mitzureden) Die Aufstockung wird wahrscheinlich mit Cortonstahl verschönert. Die Panzerbrücke (sorry Podiumsbrücke) ist ja auch aus diesem Material. Außerdem soll ja ein „Park“ das Fildeken aufwerten u.a. mit 2 Bögen aus Cortonstahl.

    n.

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