KOMMENTAR: „Für Kosten über 50 Millionen Euro darf keine Sanierung erfolgen!“



Ein Kommentar zur gestrigen Ratssitzung von BERTHOLD BLESENKEMPER

Juli 2020. Thomas Kerkhoff stellt in einer Kandidatenbefragung des BBV zum Thema Rathaussanierung fest: (Zitat) „Für Kosten über 50 Millionen Euro darf keine Sanierung erfolgen!“. August 2021. Kerkhoff ist inzwischen gewählt und hat es sich offenbar anders überlegt. Er schlägt dem Rat nun vor, doch lieber 64,73 Millionen in das Gebäude am Berliner Platz zu investieren. Denn zu dieser Lösung gibt es seiner Einschätzung nach keine Alternative. Genau aus diesem Grund sieht Kerkhoff inzwischen auch einem Bürgerbegehren skeptisch entgegen, zu dem er vor der Wahl noch erklärt hatte: (Zitat) „Ich stehe einem Bürgerentscheid positiv gegenüber.“ Aber gibt es zur teuren Sanierung wirklich keine denkmalkonforme Alternative? Ich sage: Ja, die gibt es! Und zwar in einer Kombination aus einfacher Kernsanierung des Rathauses und einem kompletten Neubau.

Der Neubau eines Rathauses kostet nach übereinstimmenden Berechnungen von Bürgermeister Kerkhoff und dem Architekturbüros Böhm zwischen 40 und 45 Millionen Euro. Hinzu kämen 20 bis 25 Millionen für einen Kernsanierung des denkmalgeschützten Rathauses am Berliner Platz sowie weitere 7 Millionen für die Sanierung des Stadttheaters. Das macht zusammen zwischen 67 und 77 Millionen Euro für eine kleine Sanierung des jetzigen Rathauses plus einem zusätzlichen Neubau. Dafür hätte man dann allerdings insgesamt auch zwei Gebäude.

Und Achtung: Diese soeben gemachte Kalkulation stammt von zwei ausgesprochenen Neubaugegnern. Was wäre da erst noch an Einsparpotenzial drin, wenn die Neubauvariante mal ähnlich spitz gerechnet würde wie die über mehrere Jahre hin- und herkalkulierte Sanierungsversion? Und vor allem: Was wäre noch an zusätzlichen Synergien möglich, wenn es auch noch gelänge, die zahlreichen ausgelagerten Ämter in eine Zentrale zurückzuholen.

Allein in den „Glaspalast“, in dem das Jugendamt derzeit residiert, wurden beziehungsweise werden insgesamt 4,2 Millionen Euro Investitionskosten versenkt. Die Betriebskosten dort sollen wegen der Fassaden und des großen Innenatriums immens sein. Für das in den Shopping-Arkaden untergebrachte Sozialamt fallen innerhalb von zehn Jahren 2,34 Millionen Euro Miete an. Einsparen könnten man auch noch Kosten für das Stadtarchiv in Lowick, das Zukunftsbüro in der Nordstraße, beim Standesamt im Historischen Rathaus und für die Freiwilligen-Agentur in der Langenbergstraße. Würde man dazu noch die Kosten für die vielen, über die ganze Stadt verteilten Dependancen der städtischen Töchter, deren Töchter-Töchter sowie ihrer ausgegründeten Vereine systematisch unter die Lupe nehmen, wäre auch wohl noch deutlich mehr drin.

Wenn man dann das Erdgeschoss und die erste Etage eines denkmalkonform, aber vergleichsweise preiswert sanierten Rathauses am Berliner Platz für eine Mensa, Sitzungssäle sowie für stark frequentierte Ämter wie das Bürgerbüro, das Ordnungsamt, das Zukunftsbüro, die Kfz-Zulassungsstelle, das Standesamt sowie die Freiwilligen-Agentur nutzen würde, wäre in der obersten Etage noch jede Menge Platz für Kunst und Kultur oder für das unter Platzmangel leidende Mariengymnasium nebenan. Und in einem Neubau wäre plötzlich wieder Raum für Jugend- und Sozialamt.

Fazit: Subsummiert ist eine einfache Sanierung von Rathaus und Stadttheater bei gleichzeitigem Neubau eines großen Verwaltungsgebäudes unter Berücksichtigung aller Kosten wahrscheinlich sogar günstiger als die große Sanierung. Man müsste dazu aber mal eine ernsthafte Wirtschaftlichkeitsberechnung machen. Aber genau die verweigern Ratsmehrheit und Verwaltung mit Vehemenz. Sie wollen partout keine echte Alternative zur Sanierung. Und sie drücken plötzlich nach drei Jahren enorm aufs Tempo. Denn nur ohne Alternative und unter Zeitdruck haben sie eine Chance, ein Bürgerbegehren doch noch zu verhindern.

  1. Kampshoff Reinhold says:

    Warum wird auf Tempo geachtet?
    Weil jedes Jahr warten ca 2 Millionen zusätzlich kostet. Reicht das als Antwort? Aber diese. Grund hast du ja auch bei der Präsentation gehört. Zumindest wurde es mitgeteilt, aber du wolltest es nicht hören .
    Gruß
    Reinhold

    • Made in Bocholt says:

      Wir hören sehr gut zu. Aber wir denken auch mal nach. Noch vor einem halben Jahr, als die Verwaltung bzw. deren beauftragte Unternehmen noch für die Verzögerungen verantwortlich zeichneten, lagen die Kosten für eine jährliche Verzögerung bei circa 800.000 Euro. Verhältnismäßig ähnlich war es 2019, als wegen der Kirmes drei Monate gewartet werden musste. Und jetzt, da womöglich ein Bürgerentscheid droht, schnellen die Kosten für Verzrögerungen urplötzlich auf 2 Millionen Euro hoch. Und damit nicht genug: Eine Zinserhöhung soll auch noch ganz plötzlich drohen. Sehr seltsam alles. Und selbst wenn eine Verzögerung für einen Bürgerentscheid Geld kosten würde, fiele diese Summe mit Sicherheit deutlich geringer aus als die, die die Verwaltung zu verantworten hat, weil sie mehr als zwei Jahre allein für ein verlässliche Kostenprognose brauchte.

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