Kostensteigerung bei Rathaussanierung: Spötter sprechen bereits von „Aa-Philharmonie“



Von BERTHOLD BLESENKEMPER

Das Denkmal Rathaus wackelt. Und das im doppelten Sinne des Wortes. Jetzt müssen Stützen des im Wasser der Aa stehenden Gebäudes zusätzlich saniert werden. Das kostet eine weitere Million. Damit steigen die Gesamtkosten auf über 50 Millionen Euro. Laut Sozialer Liste steht sogar bereits eine Summe von 60 Millionen im Raum. Die Stadtverordnete Bärbel Sauer fordert deshalb jetzt die Aufhebung des Denkmalschutzes und den Abriss des Gebäudes. „Es wird Zeit, dass die Reißleine gezogen wird, bevor der alte Stahlkasten am Berliner Platz noch weitere Millionen an Steuergeldern verschlingt“, heißt es in einer Pressemitteilung. Aber so einfach ist das nicht. Denn anders als private Eigentümer von Denkmälern kann sich eine Kommune nicht auf die finanzielle Unzumutbarkeit eines Denkmal-Erhaltes berufen. Sie muss sanieren – egal wieviel es kostet. Das teilte die Bezirksregierung in Münster auf Anfrage von Made in Bocholt mit.

Zu Erinnerung: Vor knapp zwei Jahren wurde das von dem berühmten deutschen Architekten Professor Gottfried Böhm entworfene Rathaus – im übrigen nach eigenem Bekunden „wegen der architektonischen Bedeutung“ – auf Anregung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Münster unter Schutz gestellt. Die Stadt legte keinen Einspruch ein. Grund: Die Verwaltung hatte schlichtweg vergessen, den Rat zu informieren. Deshalb muss jetzt saniert werden.

Rat und Verwaltung bevorzugen dabei eine Variante, die weit über das technisch Notwendige hinausgeht. So sollen zusätzlich einen neue Fassade (für die Energiekostenoptimierung), ein zusätzliches Staffelgeschoss auf dem Dach (für mehr Platz) und ein zusätzlicher Multifunktionssaal (für mehr Tagungsmöglichkeiten) errichtet werden. Experten wundern sich, weil dadurch Aussehen und Charakter des Gebäudes erheblich verändert werden könnten. Doch das Architektenbüro Böhm, das im Übrigen auch den Auftrag für die Sanierung erhalten hat, hat nichts dagegen. Und die Denkmalschützer offenbar auch nicht.

Zweifel gibt es allerdings an der geplanten Aufstockung. Die Statik des Gebäudes gibt das nicht her, wie Recherchen von Made in Bocholt ergaben. Wie teuer es wäre, die Statik entsprechend anzupassen, ist unklar. Überhaupt ist nach wie vor nicht sicher, wie teuer das Ganze am Ende wird. Vieles kann erst jetzt, wo die Verwaltung aus dem Haus auszieht, genauer untersucht werden. Auch ist zwischenzeitlich der Baukostenindex deutlich gestiegen. Deshalb dürften wohl erst im kommenden Frühjahr exaktere Zahlen vorliegen.

Schon schwirren Zahlen von 60 oder gar 70 Millionen im Raum. Spötter nennen das Rathaus deshalb auch schon „Bocholter Aa-Philharmonie“. Die Mietverträge mit den Eigentümern der Ausweichquartiere an der Kaiser-Wilhelm-Straße und am Westend zumindest sollen nach Informationen von Made in Bocholt sicherheitshalber schon mal eine Verlängerungsoption für ein zusätzliches Jahr enthalten.

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