Kundgebung gegen Nationalparkpläne für den Klever Reichswald
KLEVE. Man stellt es sich idyllisch vor: ein Nationalpark mitten in Kleve. Die Natur Natur sein lassen, Tier- und Pflanzenarten mit voller Entfaltungsfreiheit und dazu noch ruhige Wanderwege und Ausflugsziele für Anwohner und Touristen. Der Reichswald wurde kürzlich zusammen mit fünf weiteren Waldgebieten in NRW als zweiter potenzieller Nationalpark des Landes nominiert. Während sich Bürger in einem Informations- und Meinungs-Portal des Kreises Kleve positiv zu den Plänen äußern, verkündeten die betroffenen Landwirte, Jäger und Gartenbauer auf einer Kundgebung am Montag ihre klare Meinung: „Sagt Nein zum Nationalpark!“
Die Stimmung ist angespannt auf dem Parkplatz des Reichswald Forest War Cemetery. Keiner der Anwesenden sieht dem möglichen Schicksal des Klever Reichswaldes positiv entgegen. Mit Mikrofon und Plakaten werden sie nun laut.
Das Problem: Die Landwirte sehen in der Entscheidung der Politik eine Verletzung ihres Vertrauens und Enteignung ihres Besitzes. „In dem Gänseschutzvertrag, der vor 30 Jahren zwischen uns Landwirten und dem Land NRW geschlossen wurde, stand klar geschrieben, dass es keine weiteren Sanktionen gegen die Landwirtschaft geben wird. Daran wurde sich mit der möglichen Entscheidung, den Reichswald zum Nationalpark zu machen, nicht gehalten“, erklärt Michael Seegers, Vorsitzender des Rheinischen Landwirtschaftsverband (RLV).
„Wir sind nicht gegen den Naturschutz. Wir sind dagegen, dass uns unsere wirtschaftliche Grundlage entzogen wird“, sagt Eva Kähler-Theuerkauf, Vorstandspräsidentin des Landesverbands für Gartenbau NRW. Etwa 30 Betriebe wären laut Kähler-Theuerkauf von einer Umwandlung des Reichswaldes in einen Nationalpark betroffen. Max von Everfeldt, Vorsitzender des Waldbauernverbandes, und Bernhard Conzen, Präsident des RLV, ergänzen dazu: „In einem Nationalpark wird wenig bis gar nicht gewirtschaftet. Viele Landwirte dürften ihre Flächen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt nutzen. Außerdem ist der Kreis Kleve einer der Hauptversorger der Bevölkerung mit frischen Lebensmitteln. Nimmt man den Landwirten nun ihre Flächen weg, sind die negativen Folgen davon abzusehen.“
Ein weiteres Argument, welches von Seegers hervorgebracht wird, ist die unkontrollierbare Vermehrung von Wild im Wald und somit auch die Ansiedelung des Wolfs. „Wir Landwirte brauchen Planungssicherheit. Krankheiten wie die afrikanische Schweinepest stehen vor unserer Haustür und können die Tiere infizieren. Gleichzeitig besteht ein höheres Risiko für Wildunfälle, wenn die Zäune, die den Wald umgeben, aufgrund der Änderung nicht mehr existieren.“ Auch eine Schädigung von angrenzenden Landwirtsflächen hält Seegers durch das freilaufende Wild für möglich.
Wer ist dafür?
Positive Argumente für den Nationalpark im Reichswald, halten die Land- und Forstwirte für unverhältnismäßig. „Die Bürger in der Stadt sprechen sich für den Nationalpark aus, weil sie nicht selbst von den daraus resultierenden Veränderungen eingeschränkt werden“, wie Seegers betont. Auf Dauer unhaltbare Kosten für die Erhaltung des Nationalparks und Probleme mit der Wasserversorgung in der Umgebung des Waldes kämen nur noch auf den Berg von Problemen obendrauf: „Der Reichswald ist Wassereinzugsgebiet im Kreis Kleve. Wird der Wald zum Naturschutzgebiet, müsste man sich mit einer anderen Wassergewinnung auseinandersetzen. Das hat möglicherweise Mehrkosten für alle Bürger zu bedeuten, auf die sie nicht hingewiesen werden“, erläutert Conzen.
Befürworter waren bei der Kundgebung der Gegner nicht vor Ort. Aber es sind auch nicht nur „unwissende Bürger“, die sich für den Nationalpark aussprechen: Auch Umwelt- und Naturexperten sind für den weiteren Schutz des Gebiets. Die NN berichteten bereits Ende Oktober von einem Gespräch mit den Verantwortlichen des Nabu-Kreisverbandes Kleve, der Heimatvereine Materborn, Nierswalde, Asperden und Kessel sowie der Werkgroep Milieubeheer Berg en Dal. „Der Reichswald ist NRW-weit der größte zusammenhängende Staatswald und ein sehr artenreicher Lebensraum“, sagt Dietrich Cerff, Leiter der Nabu-Naturschutzstation Niederrhein. Zu den 5.000 Hektar auf deutscher Seite würden sich bis nach Nijmegen weitere 4.000 Hektar gesellen, die Heidebestände, Moore und Sümpfe einschließen, wenn man die Verantwortlichen niederländischen Provinzen Limburg und Gelderland wieder für sich gewinnen kann. Maßgebliche Einschränkungen für die Landwirtschaft konnten sich die Umweltexperten damals nicht denken.
Aktuelle Wendungen: Stand Mai 2024
Seit der Versammlung am Reichswald Forest War Cemetery ist einiges passiert. Nachdem sich Bürger und Umweltexperten sowie Politiker der SPD, Grüne und Freien Wähler immer wieder für den Nationalpark aussprachen, beendete eine Abstimmung im Bürgerhaus Rees Ende April die Debatte. Wie der WDR berichtete, stimmten 33 Politiker gegen den Nationalpark, während 26 dafür waren. Dazu gab es zwei Enthaltungen. Das dürfte die CDU und FDP gefreut haben: die beiden Parteien hätten sich schon vor der Abstimmung gegen den Nationalpark ausgesprochen. Demnach überwiegten die negativen Einschränkungen und entkräftigten die positiven Aspekte wie einen stärkeren Tourismus oder die Unterstützung im Kampf gegen den Klimawandel.
Jetzt wolle die ehrenamtliche Initiative „Initiative Internationalpark Reichswald“ sich mehr Bürgerstimmen einholen. Dabei sollen auch niederländische Stimmen miteinbezogen werden, da sich das Waldgebiet auch geografisch über die Grenze hinaus geht. So hätte sich unter anderem bereits die Kommune Gennep für den Reichswald als Nationalpark ausgesprochen.
Autor: Jacqueline Kurschatke
Die Redner der Kundgebung: (v. l.) Stephan Wolters, Max von Everfeldt, Bernhard Conzen, Eva Kähler-Theuerkauf und Michael Seegers. NN-Foto: JK