Lokalpolitik in Pandemiezeiten  – ein Spagat zwischen Dringlichkeit und  Geheimniskrämerei



Eine Kommentar von BERTHOLD BLESENKEMPER

Wenn in Pandemiezeiten Distanz zueinander geboten ist, gewinnt Kommunikation an Bedeutung. Das gilt auch für Behörden und Lokalpolitik. Es gilt, schnell wichtige Entscheidungen zu fällen und zu vertreten. Wie  schwierig das manchmal ist, zeigt das Beispiel Bocholt.  Sechs Dringlichkeitsbeschlüsse  hat der Bürgermeister nach Informationen von Made in Bocholt seit dem Lockdown gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden Burkhard Weber (CDU) und Peter Wiegel (SPD) gefällt. Unter anderem wurde überplanmäßig ein offenbar geheimer Corona-Sonderfond in Höhe von 250.000 Euro genehmigt, über den Kämmerer Kai Elsweier so gut wie frei verfügen kann. Die Öffentlichkeit erfährt erst auf konkrete Nachfrage davon. Einige Ratsmitglieder fühlen sich brüskiert. Sie sprechen von „Hnterzimmerpolitik“.

Dabei ginge es auch anders. Jedes Ratsmitglied ist in Bocholt mit einem iPad inklusive eingebauter Kamera ausgestattet. Mit Hilfe dieser Tablets könnten schnell und einfach virtuelle Konferenzen mit bis zu 50 Personen und mehr einberufen und abgehalten werden. Bürgermeister Peter Nebelo aber setzt lieber auf Vertagungen oder Beratungen in kleinem Zirkel. Das führt zum Teil zu nur schwer nachvollziehbaren Entscheidungen.

So hatte die Soziale Liste beantragt, 10.000 Euro die Bocholter Tafel bereitzustellen, damit diese die armen Menschen mit Lebensmittelgutscheinen versorgen kann. Nebelo sieht in diesem Fall allerdings zu einer Dringlichkeitsentscheidung keinen Anlass. Er meint laut einem Bericht des BBV,  Tafeln in Deutschland seien ein zusätzliches Angebot aber kein zwingender Bestandteil der eigenen Existenzsicherung und verweist auf die Zuständigkeit des  Ausschusses für Anregungen und Beschwerden. Der jedoch tagt erst wieder nach Corona, dann also, wenn die Tafel (hoffentlich) wieder normal arbeiten kann.

Dabei wurde Kämmerer Kai Elsweier eigens für Notfälle mit dem oben beschriebenen Sonderfond und mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Made in Bocholt hat nachgefragt. Die 250.000 Euro sollen laut Pressestelle der Verwaltung eingesetzt werden, „wenn zur Krisenbewältigung Kosten anfallen und kurzfristig Maßnahmen oder Beschaffungen finanziert werden müssen, die nicht über die vorhandenen Budgets gedeckt werden können.“ Als  Beispiele werden die Beschaffung von Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln oder  der Einsatz von Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr im Regelbrandschutz genannt.  Warum aber wird über diese durchaus nachvollziehbare und weitreichende Entscheidung nicht informiert, wohl aber über Ampeldefekte, Störungen im Kanalsystem und marode Fußgängerbrücken?

Die Verwaltungsspitze verweist auf die Rechtslage. Nach den Vorschriften der Gemeindeordnung sei der Beschluss durch den Bürgermeister und die Fraktionsvorsitzenden der beiden größten Fraktionen erst im Nachgang durch die Stadtverordnetenversammlung zu genehmigen, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme gegenüber unserer Plattform. Nächste Sitzung des Rates ist offiziell am 15. Mai.  Bis dahin bleibt es wohl bei dem Spagat zwischen Dringlichkeit und  Geheimniskrämerei.

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