„mamamitspastik“ – Wie eine Schwerbehinderte ihr Leben meistern muss

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Anna Gort hat einen Schulabschluss, einen Job und eine zweieinhalbjährige Tochter. Die 27-Jährige schreibt gerne Kurzgeschichten und kümmert sich um ihre Schildkröte Hercules. Nur wenn die Bocholterin sprechen, laufen oder essen will, lässt ihr Körper sie im Stich. Anna hat bei ihrer Geburt schwere Hirnschädigungen erlitten, die gleich mehrere spastische Lähmungen verursacht haben. Damit nicht genug: Mit ihrer Familie lebt sie derart beengt, dass Vater Wladimir (49) seine Tochter mehrfach am Tag über eine enge Treppe eine Etage hoch- und heruntertragen muss.

Wenn Anna sich waschen will, muss die Badezimmertür ausgebaut werden, damit der Rollstuhl durchpasst. „Wir benötigen dringend eine größere Wohnung. Mein Vater hat sich schon einen Bruch gehoben und muss operiert werden. Aber ich brauche meine Eltern noch für mich und mein Kind“, erklärt Anna.

Insgesamt fünf Erwachsene und zwei Kinder leben über drei Etagen auf 120 Quadratmetern Fläche. Das reicht nicht, um den Eltern ein eigenes Zimmer zu bieten. Deshalb steht das Ehebett der gebürtigen Wolgadeutschen, die ab 1999 nach Bocholt kamen, im Wohnzimmer direkt neben dem Bettchen ihres Enkelkindes. „Das ist auf Dauer kein Zustand“, weiß auch Anna.

Sie verdeutlicht ihre Lage mit Hilfe eines speziellen Kommunikationscomputers. Mit diesem schreibt sie auch E-Mails und verfasst einen Blog auf der Plattform TikTok. Claudia van der Linde von der Caritas in Bocholt bestätigt das dringende Anliegen der Familie. „Wir haben schon intern versucht, etwas zu bekommen. Aber im Moment ist es sehr schwierig, auf dem Wohnungsmarkt etwas Passendes zu finden“, erläutert sie. Wladimir Gort gibt nicht auf. „Ich habe hier in Bocholt nur gute Leute kennengelernt und viel Glück gehabt“, erklärt er.

Vor Jahren beispielsweise hat die Firma Ostermann der Familie ein Spezialfahrzeug zur Verfügung gestellt, mit dem Anna transportiert werden kann. Die 27-Jährige arbeitet bei der Büngerntechnik in Rhede – als „Kakao-Taxi“ und Fremdenführerin, wie die junge Frau erklärt. Und wenn der Kommunikationscomputer könnte, hätte er womöglich ein Grinse-Emoji hinterhergeschickt.

Zurzeit arbeitet Anna Gort in ihrer Freizeit an einem Online-Blog. Sie will beweisen, dass man kreativ und leistungsfähig sein kann, selbst wenn der wache Geist in einem schwachen Körper gefangen ist. „mamamitspastik“ heißt ihr Videopodcast, der bereits über 5000 Follower hat, auch wenn Anna ihn nicht öffentlich freigeben hat, um ihre Tochter zu schützen.

Wer Familie Gort helfen kann und möchte, kann sich an die Teilhabeberatung des Caritasverbandes für das Dekanat Bocholt wenden. Claudia van der Linde (Tel. 02871 25131410, (claudia.vanderlinde@caritas-bocholt.de <mailto:claudia.vanderlinde@caritas-bocholt.de>) vermittelt gerne.

 

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